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"Tag des offenen Hoftors"
Gläserne Agrarproduktion

Beim "Tag des offenen Hoftors" öffneten Landwirte im ganzen Bundesgebiet ihre Viehställe. Allein in Niedersachsen verschafften sich rund 500.000 Besucher auf über 80 Höfen einen eigenen Eindruck von der Tierhaltung.

Von Alexander Budde | 16.06.2014
    Eine Bäuerin melkt eine Kuh im Stall.
    Idylle im Stall? Wie es auf Bauernhöfen wirklich zugeht, konnten Besucher beim "Tag des offenen Hoftors" séhen. (dpa / picture-alliance / Wolfram Steinberg)
    Vollautomatische Präzisionsarbeit im Kuhstall von Bauer Döpke. Mithilfe von Laserstrahlen und optischen Sensoren koppelt sich der Melkroboter an das Euter der Kuh. Die hat sich zur Behandlung selbst eingeliefert.
    "Es wird rund um die Uhr gemolken. Und er guckt nach der Qualität von der Milch, er misst die Temperatur und er zeigt mir am Rechner an, wo ich bei der Kuh nachgucken muss, wo was nicht in Ordnung sein könnte. Na, mach mal die Zunge ordentlich hier! Du kannst das doch!"
    Ein paar Schritte weiter drängen sich Besucher um durstige Kälber. Pädagogische Neugier lockte den Familienvater.
    "Wir wissen noch, wie eine Kuh aussieht! Aber heute - auch aufgrund der aktuellen Gesetzgebung - kommt man ja nicht mehr überall rein. Und weiß gar nicht mehr, was ist denn heute gefordert und wie sieht es aus: Kommen die Tiere noch raus? Findet Tierhaltung auf der Autobahn statt?"
    Zumindest gibt es hier in Groß Eilstorf im Heidekreis neben haushohen Traktoren und Mähdreschern auch allerhand Viehtransporter zu sehen. "Wachsen oder Weichen" war lange Zeit die Devise in der konventionellen Landwirtschaft.
    "Die Ställe werden gröβer, die Flächen werden gröβer, die Maschinen werden immer gröβer - und jeder staunt und hat vielleicht sogar irgendwelche Gegenreaktionen",
    bemerkt Landvolk-Präsident Werner Hilse. Der größte Bauernverband vertritt in Niedersachsen 80.000 Mitglieder. Schwer verunsichert sind viele dieser Landwirte. Denn Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer hat die Agrarwende ausgerufen. Mehr Tierschutz in den Ställen, weniger Gülle auf den Feldern, mehr Förderung für die Biobauern sind einige seiner Vorhaben. "Massentierhaltung", "Qualzucht", "Turbokühe" - mit deutlichen Worten sucht der Minister die Provokation. Gegen die angeblich "fachlich unqualifizierte Pauschalverurteilung" eines ganzen Berufsstandes wehrt sich der Bauernpräsident.
    "Tiere haben andere Ansprüche, das muss man einfach so sehen. Sie wollen natürlich sauber sein, sie wollen hygienisch rein sein. Und dazu braucht man auch andere Ställe. Wir brauchen mehr Licht, mehr Luft in unsere Ställe. Das ist mit den neuen groβen Ställen, die gebaut werden, gegeben."
    Trend geht zu mehr Tierwohl
    Von außen unterscheidet sich der neue Schweinestall, den Annalena Michaelis gerade fernab der Ortschaft errichtet hat, kaum von den konventionellen Großställen, gegen die Bürgerinitiativen überall im Lande demonstrieren. Doch die Jungbäuerin will ihren rund 2000 Mastschweinen mit rund einem Quadratmeter pro Tier ein wenig mehr Platz in den Haltebuchten einräumen. Spielmaterialien aus Holz soll die Tiere beschäftigen, im Stroh sollen sie ihren Wühltrieb ausleben, erläutert die Jungbäuerin ihrem aus Hannover angereisten Besucher. Ministerpräsidenten Stephan Weil von der SPD mustert den lang gezogenen Rohbau.
    "Ich würde gern nach dem Tierwohl produzieren." - "Dass Sie anschließend auch einen besseren Erlös kriegen?" - "Ich gehe davon aus. Wir können das nur realisieren, mit diesen Kosten, die für so einen Stallbau aufkommen, wenn wir das bezahlt bekommen. Wir wären in der Lage, mehr Kompromisse einzugehen, wenn die Preise höher wären."
    Michaelis setzt auf eine Initiative von Landwirten und Lebensmitteleinzelhandel, die gerade erst angelaufen ist. Ein Risiko, denn weil sie in ihrem rund eine Million Euro teuren Stall künftig deutlich weniger Schweine unterbringen kann, wird die Mast zwangsläufig teurer. Ohnehin sei die Gewinnmarge wegen der hohen Futterkosten und Ferkelpreise und wegen des Preisverfalls in den Supermärkten knapp kalkuliert. Rund ein Euro mehr pro Kilo müssten die Verbraucher für das vermeintliche Tierwohl zahlen.
    "Wenn ich sehe, wie groβe Fleischmengen Tag für Tag über die Fleischtresen gehen für wirklich sehr wenig Geld, dann muss man sagen: Man kann nicht beides haben! Man kann nicht gleichzeitig Lebensmittel in allerbester Qualität haben und nicht bereit sein, dafür auch Geld zu zahlen. Beides wird notwendig sein", beschwört Stephan Weil noch einmal den mündigen Verbraucher. Dann strebt der Ministerpräsident dem Grill und der verdienten Bratwurst zu.