Eduard Stapel ist so was wie der Gründer der DDR-Schwulenbewegung. Er wohnt in einem kleinen 200 Jahre alten Fachwerkhaus - direkt hinter der Kirche im altmärkischen Bismark, das liegt im nördlichen Sachsen-Anhalt zwischen Stendal und Uelzen.
Schon als 12-Jähriger merkt Eduard Stapel, dass er irgendwie anders ist, erzählt er. Weshalb er sich von früh an, für die Schwulen engagiert. 1990 gründet er – noch in der späten DDR – den Schwulenverband, später wird daraus die erste gesamtdeutsche Interessenvertretung der Schwulen und Lesben.
"Ja, wir haben das von Ost nach West ausgedehnt. Vereinigung andersrum. Ganz standesgemäß."
Eduard Stapel grinst übers ganze Gesicht. Ansonsten wirkt er müde, erschöpft und zerbrechlich. Seit mehreren Jahrzehnten leidet er unter Diabetes und Krebs, muss rund um die Uhr gepflegt werden. Aber wenn es um die "Schwulen-Sache" geht, wie er sagt, ist Eduard Stapel hellwach. Und findet klare Worte. Insbesondere in Richtung CDU, die die eingetragene Lebenspartnerschaft von Lesben und Schwulen noch immer nicht der heterosexuellen Ehe gleichstellen will. Eduard Stapel sieht bei den Christdemokraten dringenden Nachholbedarf. Auch in Sachsen-Anhalt, seinem Heimatland, wie er sagt. Obwohl sich dort CDU, SPD und Grüne im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, ein Diskriminierungsverbot wegen sexueller Orientierung in die Landesverfassung zu schreiben, sei da bis jetzt überhaupt nichts passiert.
"Das hätten wir am liebsten ja schon in der DDR-Verfassung gehabt. Ab 1990 im Grundgesetz, wo es ja auch immer noch nicht steht. Und in der Landesverfassung hier in Sachsen-Anhalt fehlt es eben auch."
Nudeln mit Jägerschnitzel - ganz wie früher
…während Eduard Stapel erzählt, bereitet sein Bruder Bernd, der ihn pflegt, nebenan in der Küche das Mittagessen vor.
Reporter: Was gibt’s denn?
Bernd Stapel: Nudeln mit Jägerschnitzel…
Reporter:…ist ja wie früher…..
Zeitsprung in die 70er Jahre.
Nach dem Abitur an der EOS Johann Joachim Winkelmann in Stendal hat Eduard Stapel am so genannten Roten Kloster in Leipzig – wie man die DDR-Journalistenschmiede an der dortigen Karl-Marx-Universität nannte - Journalistik studiert. Da er schnell merkte, dass in der DDR kein echter Journalismus möglich war, begann er erst gar nicht als Journalist zu arbeiten. Sondern studierte gleich noch Theologie. In dieser Zeit begann dann auch sein Engagement als Schwulen-Funktionär, wie Stapel betont. Er gründete in Leipzig innerhalb der Evangelischen Studentengemeinde den Arbeitskreis Homosexualität, den ersten dieser Art überhaupt in der DDR.
Weil Eduard Stapel als schwuler Theologe aber von der Amtskirche nicht ordiniert wurde, bekam er als Ausgleich in der evangelischen Stadtmission in Magdeburg eine Anstellung als Schwulen-Seelsorger.
"Dabei ist eine schlagkräftige Bewegung entstanden. Und wir haben es erreicht, dass sich der Staat – zumindest im Hintergrund – mit dem Thema auseinander gesetzt hat."
Schwule im SED-Regime: schikaniert, kriminalisiert, für krank erklärt
Aktivist Stapel hat Schwulen und Lesben miteinander vernetzt, auf ihre Lebenssituation aufmerksam gemacht: weil sie vom SED-Regime schikaniert, kriminalisiert und sogar für krank erklärt wurden. Dieses Engagement gefiel der Stasi überhaupt nicht. 50 hauptamtliche und 150 inoffizielle Mitarbeiter observierten daher Eduard Stapel rund um die Uhr.
"Na, ich hab bei 10.000 Seiten aufgehört zu lesen, weil es immer dasselbe war. Sie wollten die staatlich nicht kontrollierbaren Gruppen verhindern."
Nach dem Mauerfall engagiert sich Eduard Stapel bei den Grünen. Sein Vierklang: Ehe für Alle, Adoptionsrecht, Gleichberechtigung und Gleichstellung.1996 erhält er dafür das Bundesverdienstkreuz. Bis jetzt ist Schwulen-Aktivist Eduard Stapel auch der Ortsbürgermeister von Bismark. Ein Amt, dass er nun aus gesundheitlichen Gründen an seine Stellvertreterin Ruth Rothe weitergeben wird. Sie ist ganz spontan vorbeigekommen….
"…wenn er sich was vorgenommen hat, versucht er sich da mit allen Mitteln durchzusetzen…"
…sie habe aber große Achtung vor seinem Einsatz für Schwule und Lesben, sagt Sozialpädagogin Rothe noch. Fast ein wenig verliebt schaut sie ihn an. Eduard Stapel – ist verlegen. Aber nur kurz. Dann fordert er mit fester Stimme ein Bundesprogramm gegen Schwulenfeindlichkeit. Und erinnert in diesem Zusammenhang an eine schmerzliche Statistik.
"Die Schwulen-Suizidrate ist immer noch viermal höher als unter Gleichaltrigen heterosexuellen jungen Männern. Das gefällt mir gar nicht, da müsste dringend was gemacht werden."