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Tagesordnungspunkt: Stresstest

Zwei Tage lang dauert das Europäische Atomforum. Initiatoren sind Tschechien und die Slowakei. Beide Länder sind ausgemachte Kernkraft-Freunde. Deshalb soll es um Wettbewerb und Sicherheit gehen, aber ganz explizit nicht um Ausstiegs-Szenarien.

Von Kilian Kirchgeßner | 19.05.2011
    An eine Stilllegung habe er noch nie gedacht, sagt Tschechiens Premierminister Petr Necas. Selbst unmittelbar nach der Katastrophe von Fukushima zeigte er sich frei von jeglichem Zweifel.

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Kernkraftwerke abschalten. Das würde bei uns zu wirtschaftlichen Problemen an der Grenze zu einer ökonomischen Katastrophe führen."

    Zwei Atomkraftwerke gibt es in Tschechien, zwei in der benachbarten Slowakei. Am bekanntesten ist der tschechische Standort in Temelin, gelegen ganz in der Nähe der österreichischen und der bayerischen Grenze. Während das Kraftwerk in den beiden Nachbarländern wegen angeblicher Sicherheitsmängel immer wieder harsch kritisiert wird, stört sich in Tschechien, selbst in unmittelbarer Umgebung, niemand an dem Meiler. Ähnlich ist das Bild in der Slowakei; der zuständige Wirtschaftsminister Juraj Miskov verkündet, er könne den Wirbel um die Ausstiegsdebatte nicht nachvollziehen.

    "Wir haben in der Slowakei langjährige Erfahrungen, wir haben Experten auf diesem Gebiet, und mehr als 55 Prozent unserer Energie stammen aus Kernkraftwerken."

    Das anhaltende Interesse an der Atomkraft in Tschechien und der Slowakei hat mehrere Gründe: Zum einen spielt eine große Technikgläubigkeit eine Rolle, kombiniert mit dem Stolz auf eigene Ingenieurleistungen. Hinzu kommt ein politisch-strategisches Argument: Noch immer ist in beiden Ländern die Angst vor einer Abhängigkeit von Russland fest verankert. Mit der Atomenergie, so ist in den Debatten oft zu hören, mache man sich von russischen Öl- und Gaslieferungen unabhängig. Und nicht zuletzt geht es auch um wirtschaftliche Erwägungen. In Tschechien betreibt der halbstaatliche Energiegigant CEZ die Atomkraftwerke – und er profitiert von dem eindeutigen Pro-Atom-Kurs des Landes, wie der Vorstandsvorsitzende Martin Roman sagt.

    "Die Ergebnisse machen uns Freude. Wir sind in Europa der Energieversorger, der die Krise am besten überstanden hat. Wenn Sie auf die Jahre 2007 bis 2010 schauen, da sind unsere Gewinne um mehr als ein Drittel gestiegen. Bei den meisten unserer Konkurrenten ist der Gewinn zurückgegangen."

    Auch das ist einer der Gründe dafür, dass sowohl Tschechen als auch Slowaken die Kernkraftwerke sogar noch ausbauen wollen. Bis 2025 soll dort jeweils mindestens ein neuer Block ans Netz gehen. Nennenswerte Proteste gegen die Planungen gibt es nirgendwo. Und die höchsten Politiker zeigen sich in regelmäßigen Abständen demonstrativ in den Atomkraftwerken; zuletzt die slowakische Premierministerin Iveta Radicova.

    "Wir haben Vorbereitungen für die sogenannten Stresstests auf europäischer Ebene getroffen und können feststellen: Unser Kraftwerk hier in Bohunice erfüllt schon heute die wichtigsten Kriterien mit Blick auf die Sicherheit."

    Die Botschaft solcher Auftritte ist eindeutig: Vor den neuen europäischen Sicherheitsstandards will man sich nicht verstecken, schließlich habe man nichts zu befürchten. Eine Debatte über den Atomausstieg allerdings, wie sie zuletzt auch in Brüssel eingesetzt hat, lehnen sowohl Tschechien als auch die Slowakei kategorisch ab. Das spiegelt sich auch in der Tagesordnung des Atom-Forums wider, das heute und morgen in Prag stattfindet. Ein großer Teil der Konferenz ist der Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit von Atomenergie gewidmet; ein Thema, das den tschechischen Veranstaltern besonders am Herzen liegt. Aber auch um die europäischen Stresstests wird es gehen; man rechne mit neuen Impulsen für die Debatte, aber nicht mit abschließenden Ergebnissen, hieß es im Vorfeld der Tagung.