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Tageszeitung für eine Minderheit

Als Wochenblatt fing die Geschichte der einzigen deutsch-sprachigen Zeitung Belgiens an. Die erste Ausgabe der neuen Zeitung ging am vierten Juni 1927 in den Verkauf. Heute arbeiten 85 Mitarbeiter für das belgische "Grenz-Echo"- mit einer verkauften Auflage von gerade einmal 10.000 Exemplaren ein Luxusartikel der Medienwelt, der 85 Jahre alt wird.

Von Alfried Schmitz |
    "An unsere Leser! Durch Verlegung der Druckerei konnte die erste Nummer nicht erscheinen, wie das 'Grenz-Echo' es wünschte. Die heutige Nummer wird ungefähr alle Rubriken umfassen, wie wir in unserem Leitartikel angesagt haben und hoffen wir, stufenweise die Zeitung weitmöglichst zu vervollständigen."

    Die ostbelgische Region zwischen Eupen und Malmedy wurde 1815 auf dem Wiener Kongress Preußen zugeschlagen. 1920 wurde es via Versailler Vertrag, erst einmal vorläufig, wieder Belgien zuerkannt. In diesem Schwebezustand entwickelten sich in der "neubelgischen" Bevölkerung zwei gegnerische Lager, das pro-belgische und das pro-deutsche. Letzteres wurde von fünf deutsch-sprachigen Zeitungen unterstützt. Diese einseitige Meinungsmache konnte das pro-belgische Lager nicht hinnehmen. Und so hob man, als medienpolitischen Gegenpol, das "Grenz-Echo" aus der Taufe.

    "1927 wurde das Grenz-Echo gegründet mit der Absicht, die Integration der Gebiete hier in Belgien zu fördern. Es war gewissermaßen ein politisches Ziel, das ist keine Frage. Es war dann auch eine katholische Zeitung. 99 Prozent der Bevölkerung hier war sehr katholisch geprägt. So war dann dementsprechend auch die Ausrichtung. Der erste Chefredakteur war Henri Michel, der zwar hier aus Eupen stammte, aber absolut Belgien-orientiert war."

    … sagt Alfred Küchenberg. Er ist seit 1985 Herausgeber des "Grenz-Echo". Die deutsch-sprachige Zeitung aus Belgien wurde in ihren Anfangsjahren natürlich auch im grenznahen Gebiet auf deutscher Seite mit Interesse gelesen. Aber dieses kleine Stückchen Medienvielfalt war den neuen Machthabern in Berlin ein Dorn im Auge.

    "1933 wurde das 'Grenz-Echo' als die Nazis an die Macht kamen in Aachen verboten. Es durfte da nicht erscheinen. Und so kam es auch, dass 1940 der Chefredakteur und Direktor festgenommen wurde. Er kam ins Konzentrationslager nach Sachsenhausen, wo er dann fünf Jahre geblieben ist. Von 1940 bis 1945 ist das 'Grenz-Echo' nicht erschienen."

    Der neue Chefredakteur war der alte: Henri Michel. Er hatte das Konzentrationslager überlebt und ging mit Elan daran, das 'Grenz-Echo' wieder auf die Beine zu stellen. Allerdings hatte es die deutschsprachige Minderheit im Osten Belgiens nicht einfach. Nach der Nazi-Herrschaft begegnete man ihr zunächst mit Misstrauen.

    "Und da bestand natürlich die Gefahr, dass die deutsche Sprache etwas unterdrückt würde. Das hat man dann aber auch wieder Henri Michel und dem 'Grenz-Echo' zu verdanken, dass er das doch durchsetzen konnte, dass die deutsche Sprache respektiert wurde. Und er stand in einer guten Position da, dadurch, dass er im Krieg im Konzentrationslager gewesen war, ist er dementsprechend in Belgien auch anerkannt und gehört worden und konnte dann auch die Position der Ostbelgier, die ihre Zeitung und ihre Sprache beibehalten wollten, konsequent vertreten."

    Eine Tageszeitung für eine Minderheit von 80.000 deutschsprachigen Belgiern herauszubringen birgt ein hohes unternehmerisches Risiko. Hatte das "Grenz-Echo" früher einen Gesamtanteil von 95 Prozent am Umsatz des Verlagshauses, sind es heute noch 35 Prozent. Das Eupener Medienunternehmen musste sich breit aufstellen und bietet heute eine Palette von Printprodukten an. Außerdem ist man im Internet vertreten und sitzt bei einem privaten Hörfunkprojekt mit im Boot. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist für Alfred Küchenberg die geografisch günstige Lage seines Medien-Unternehmens im Dreiländereck.

    "Wir sind Euregio orientiert, machen jeden Tag eine Seite über die Euregio, das heißt Lüttich, Maastricht Aachen. Da sind wir täglich präsent. Wir sind absolut europäisch orientiert."