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Tagung zu Leonardo da Vinci
"Wir müssen Begriff eines Originalgemäldes verändern"

"Salvator Mundi" ist das teuerste Gemälde der Welt - doch bis heute ist unklar, wer es gemalt hat: Leonardo da Vinci oder seine Schüler. Das sei gar nicht so wichtig, sagte der Kunsthistoriker Frank Zöllner im Dlf und empfiehlt: Wir müssen unseren "Fetisch des Originals" hinterfragen.

Frank Zöllner im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
Zeichnung Vitruvianischer Mann, davor Leonardo da Vinci, italienischer Maler, Bildhauer, Architekt, Ingenieur, historische Illustration iblhdf04023820.jpg Drawing vitruvianischer Man before Leonardo there Vinci Italian Painter Sculptors Architect Engineer historical Illustration iblhdf04023820 JPG
Schöpfer der "Mona Lisa" - und auch des "Salvator Mundi"? Das Universalgenie Leonardo da Vinci ist vor 500 Jahren gestorben (imago stock&people)
Doris Schäfer-Noske: Die "Mona Lisa" ist eines der berühmtesten Gemälde der Welt, "Salvator Mundi" das teuerste. Seit der Versteigerung für 450 Millionen Euro vor zwei Jahren ist es aus der Öffentlichkeit verschwunden. Kürzlich soll es auf einer Jacht des saudischen Kronprinzen gesichtet worden sein. Um das Gemälde wie um das Lächeln der "Mona Lisa" ranken sich inzwischen viele Mythen. So auch um den Schöpfer der Bilder, Leonardo da Vinci, der gemalt hat und gezeichnet, die Natur und den menschlichen Körper studiert und sich Flug- und Kriegsmaschinen ausgedacht hat.
Zu seinem 500. Todestag widmet sich die Universität Leipzig dem Schaffen des Universalgenies. 100 Teilnehmer aus aller Welt werden von heute bis Sonntag über ihn sprechen. Und ich habe den Organisator der Tagung, Frank Zöllner, gefragt, ob es denn nach 500 Jahren überhaupt noch Neues zu sagen gibt über Leonardo da Vinci?
Frank Zöllner: Es gibt natürlich immer noch etwas sagen, obwohl schon viel gesagt ist. Und das liegt an mehreren Dingen: Also zum Einen wissen Sie ja, dass das Spektrum von Leonardos Interessen sehr weit ist. Und wenn man das Feld der Kunst ein bisschen verlässt, dann gibt es natürlich eine ganze Menge. Da ist ja dieser riesige Nachlass, den die Wenigsten kennen.
Und dann gibt es eben auch in Relation zu seinen Zeitgenossen, also was es noch andere an Ingenieuren gegeben hat oder an Mechanikern, Biologen, Philosophen, Architekten, also alle anderen Gewerke sozusagen, im Vergleich dazu kann man doch immer noch etwas Neues herausfinden. Und dass es noch etwas Neues gibt, hat man ja in den letzten Jahren auch auf dem Gebiet der Kunst beobachten können. Denken Sie an die Diskussion um den "Salvator Mundi", also dieses neue Gemälde ...
"Fetisch des Originals" hinterfragen
Schäfer-Noske: Darauf wollte ich Sie gerade ansprechen. Erst kürzlich hat wieder eine New Yorker Expertin das Bild, das das teuerste Bild der Welt ist, als "Werkstatt-Bild" bezeichnet. Gibt es da einen neuen Sachstand von Ihrer Seite?
Zöllner: Ja, im Grunde ist es nicht so kompliziert wie es scheint. Der Konsens ist und war auch immer, dass es ein bedeutendes Gemälde ist, dass es von Leonardo konzeptionell stammt, und man kann sich jetzt nur noch darüber streiten, in welchem Umfang die Werkstatt daran mitgearbeitet hat und in welchem Umfang die Restauratorin des 21. Jahrhunderts das Ganze vollendet hat. Also das sind so die Fragen, die offen bleiben. Ich finde es jetzt nicht so wichtig, ob das nun 50 Prozent oder 80 Prozent oder 30 Prozent Leonardo in der Ausführung sind. Sondern wichtig ist, dass es ein Altmeister-Gemälde ist, das vom Konzept her eindeutig auf ihn zurück geht. Darüber gibt es keinen Zweifel. Und daran anschließend, da gibt es natürlich ein paar neue Fragen, die man entwickeln kann.
Schäfer-Noske: Zum Beispiel?
Zöllner: Das ist die Frage der Werkstatt-Arbeiten und Kopien. Also die Leonardo-Schule, also die Schüler Leonardos, was sie so gemalt haben, das ist in der Kunstgeschichte ja immer ganz schlecht weggekommen, die wurden also eigentlich immer als "furchtbar" abqualifiziert. Und durch so ein Gemälde wie den "Salvator", der so ein Grenzgänger ist zwischen einem Schulgemälde und zwischen einem Originalgemälde, was hundertprozentig autograf, also eigenhändig ist, diese Grenzgänger-Funktion, das ist eine ganz interessante Sache, weil jetzt durch den Hype, diese Sensation des "Salvators", ist mehr Aufmerksamkeit auf ein Phänomen gelenkt worden wie das der Werkstatt-Produktion. Und das heißt, auf lange Sicht vermute ich mal auch, dass wir unseren Begriff eines Originalgemäldes verändern müssen: Offensichtlich war es so, dass Leonardo relativ viel entworfen hat und andere es zum Teil oder ganz ausgeführt haben.
Das heißt, unser Begriff davon, was ein authentisches Originalgemälde ist, das muss man ein bisschen überprüfen. Und man kann auch mal ein bisschen auf die Jetztzeit schauen: Wir heute haben ja diesen Fetisch des Originals, dass etwas hundertprozent authentisch von einem Künstler sein muss. Das wenden wir ja gar nicht auf die zeitgenössische Kunst heutzutage an. Also die großen Arbeiten von Jeff Koons oder von Warhol oder von wem auch immer, auch von Damien Hirst, also die Blue-Chip-Künstler, die sehr teuer sind, das handelt sich ja nie um Originale.
Tagung untersucht Typus der Salvator-Darstellungen
Schäfer-Noske: Nochmal zu "Salvator Mundi", also Ihrer Meinung nach ist das Gemälde dann, auch wenn es von der Werkstatt mitproduziert wurde, den Preis wert.
Zöllner: Das Geld ist sozusagen nichts für die Leute, die es gekauft haben. Wir werden auch zwei Kollegen da haben, die über den "Salvator" sprechen. Da geht es aber gar nicht um die Frage: Ist es das Geld wert? Es geht auch weniger um die Frage: Ist es nun hundertprozent eigenhändig? Sondern es geht einfach um die Frage: Wie sind Salvator-Gemälde in jener Zeit entstanden? Was hat Leonardo und was hat seine Werkstatt mit der Entwicklung dieses Typs zu tun? Wie haben andere Künstler das gelöst? Wie verhält es sich mit der Frage der damaligen Andachtspraxis?
Und diese Fragen im Vergleich eben wie andere Künstler etwa das gelöst haben oder wie Theologen das gesehen haben, wie die zeitgenössischen Betrachter so etwas gesehen haben, und um jetzt auf die Eingangsfrage zurückzukommen: So bekommt man dann doch noch etwas Neues heraus.
Schäfer-Noske: Das war der Leonardo-Experte und Direktor des Instituts für Kunstgeschichte in Leipzig, Frank Zöllner, über die von ihm organisierte Tagung zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci.