Archiv

Taiwan-China-Konflikt
Invasion im Schatten der WM?

Als vor acht Monaten die Olympischen Spiele in Peking liefen, wurde die Ukraine von Russland angegriffen. Seitdem nehmen auch die Befürchtungen zu, dass Festlandchina bald eine Invasion in Taiwan plant. Kommt der Angriff während der Fußball-WM?

Von Felix Lill |
Ein Anhänger mit einer Taiwan-Flagge im Vorfeld der Kommunalwahlen
Für China gehört Taiwan zum eigenen Staatsgebiet – immer wieder wurde mit einer Eroberung der Insel gedroht. Besteht jetzt während der Fußball-WM in Katar die Möglichkeit für eine Invasion? (dpa / picture alliance / Daniel Ceng Shou-Yi)
Wenn man sich unter Sportstudierenden an Taiwans führender Uni umhört, hat man nicht das Gefühl, dass die aktuelle Fußball-WM in Katar als immerhin ja größte Sportveranstaltung der Welt ein Thema ist: "Ich interessiere mich nicht wirklich für Fußball", sagt zum Beispiel Emma, die an der National Taiwan University in Taipeh Sport studiert.
"Aber auf den sozialen Plattformen kann man dem gar nicht entkommen. Überall werden Fotos von gut aussehenden Typen gepostet. Dann schau ich natürlich genauer hin. Ich hab einen Koreaner gesehen. Der war süß!"

Breakdance, Baseball und Sportwetten

Dieser Koreaner, der ihr gefällt, ist Jeong Seung-won, der beim südkoreanischen Klub Suwon Samsung Bluewings unter Vertrag steht – und diesmal gar nicht in den südkoreanischen WM-Kader berufen wurde.
Emma interessiert sich eher für Breakdance, das Wissensniveau über Fußball ist in Taiwan eben eher gering, gesteht sie: "Viele Leute wetten jetzt aber Geld auf die Spiele. Und deshalb wird sehr viel drüber gesprochen."

Sympathien liegen bei Japan und Südkorea

Seit die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar begonnen hat, dominiert das Sportgroßereignis zwar auch in Taiwan die Medien. Aber im ostasiatischen Land, wo der beliebteste Sport Baseball ist, wollen viele Sportinteressierte erst später ins Turnier einsteigen.
So auch Emmas Freundin Ling Li, ebenfalls eine Sportstudentin: "Ich hab noch kein Spiel gesehen. Ich fange erst beim Halbfinale an, die Spiele live zu schauen. Aber dass Japan zwei europäische Mannschaften geschlagen hat, finde ich super! Viele meiner Studienkollegen feuern Japan an. Wir sind ja genauso Asiaten. Deswegen können wir zueinander halten!"
Grafik zeigt Kartenausschnitt mit China und Taiwan
China und Taiwan (dpa / Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Latente Bedrohung aus Festlandchina

In Taiwan sind vor allem die Teams aus Südkorea und Japan beliebt – jene Mannschaften, die zu Taiwans ärgsten Rivalen im Nationalsport Baseball gehören, aber zu denen Taiwan freundschaftliche politische Beziehungen unterhält.
Dabei bemüht man sich auf der ostasiatischen Insel eigentlich, die Politik bei diesem Turnier mal auszublenden. Das gilt nicht nur für die Menschenrechtslage in Katar, aus der man sich im diplomatisch isolierten Taiwan raushalten will. Es gilt genauso für die latente Bedrohung aus Festlandchina.
Die Drohungen aus Peking – eines Tages das demokratisch regierte Taiwan anzugreifen, das Festlandchina eben als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet – haben zuletzt zugenommen. Spekuliert wurde auch, ob dies nun im Trubel eines Sportgroßereignisses geschehen könnte – so ähnlich wie vor acht Monaten Russlands Angriff auf die Ukraine während der Olympischen Winterspiele.

Entspannte Situation

Diese Gefahr aber sieht man in Taiwan größtenteils entspannt. Ling Li entspricht wohl der Mehrheitsmeinung, wenn sie sagt: "Ich mache mir darüber keine Sorgen. Unsere Situation ist anders als die in der Ukraine. Wir hatten auch gerade erst Lokalwahlen hier, jetzt werden sich einige Dinge neu ordnen. Und China hat im Moment mit den Protesten auch seine eigenen Probleme."
Die WM in Katar ist für die meisten Menschen in Taiwan pure Unterhaltung – auch weil die eigene Nationalmannschaft nicht dabei ist. Und es weder etwas zu gewinnen noch zu verlieren gibt, weder Staatsgebiet noch Ehre noch Geld. Außer vielleicht bei Sportwetten.