Seine allergrößte Fehleinschätzung sei es gewesen, dass er geglaubt habe, man könne mit Ballbesitzfußball und Dominanz durch die Vorrunde kommen, hatte Bundestrainer Joachim Löw in einer Pressekonferenz zugegeben.
Zu viel Ballbesitz: "Eine schöner Satz für den Stammtisch"
Taktikexperte und Buchautor Tobias Escher sagte im Deutschlandfunk, man müsse sich jetzt die Frage stellen, welche Schlüsse man aus dieser Analyse ziehe. "Dass man zu viel Ballbesitz hatte, ist ein schöner Satz für den Stammtisch, andererseits ist es schwierig im Nachhinein zu sagen, dass man gegen Mexiko, Südkorea und Schweden hätte anders spielen können". Es sei eine Analyse die gerade "sehr en vouge ist." Joachim Löw liege damit jedoch nicht komplett falsch. Das deutsche Spiel sei definitiv zu langsam gewesen, meint Escher. Außerdem habe man gegnerische Konter nicht gut genug abgewehrt. Es bleibe abzuwarten, ob man bei den kommenden Spielen gegen Frankreich oder Peru Änderungen in der Spielphilosophie sehen könne. Escher glaubt jedoch nicht an erkennbare Veränderungen, da die Mannschaft überwiegend aus denselben Spielern bestehe.
Joachim Löws große Stärke sei bisher immer seine Flexibilität gewesen. Er habe aktuelle Trends aufgegriffen und nach England und nach Spanien geblickt. "Jetzt bin ich gespannt, ob man sich die Erfolgsformel der Franzosen zum Vorbild nimmt, die individuelle Klasse stärker forciert, aber auch einen Mittelweg zwischen Ballbesitz und Konterspiel findet. Da ist die Frage, ob sich Joachim Löw noch einmal neu erfinden kann. Er hat es in der Vergangenheit schon gezeigt." Aktuell sei aber die Skepsis nach den Ergebnissen der WM zu Recht da, so Taktikexperte Escher.
Gute Jugendarbeit bei den Franzosen
Mit Blick auf den Erfolg der französischen Mannschaft hebt Escher vor allem die Jugendarbeit hervor. "Man hat viele sehr technisch talentierte Spieler, man hat viel Tempo im Spiel nach vorne. Man kombiniert das gut mit einem etwas defensiveren Einsatz." Am 6. September spielt die deutsche Mannschaft gegen Weltmeister Frankreich. Die Ausgangslage sei jetzt eine völlig andere, meint Escher. "Jetzt ist Deutschland nicht mehr der Gejagte. Deutschland wird sich sagen können: 'Wir fokussieren uns erst einmal auf eine Defensive, wir versuchen selber einmal über Konter zu kommen - vielleicht über einen schnellen Dribbler wie Leroy Sané. (...) Insofern ist da schon Potenzial vorhanden."
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