Jedes Stadtviertel hat seine Buchläden, doch wer mehr Auswahl will oder etwas Besonderes sucht, fährt ins Zentrum, in die quirlige Avenida Corrientes. Östlich vom berühmten Obelisken, an dem Politiker und Fußballmannschaften ihre Siege feiern, betreibt jede Buchhandlungskette eine besonders gut sortierte Filiale. Und wer dort nicht fündig wird, klappert die zahlreichen kleinen Läden ab, von denen viele neben Neuerscheinungen auch reichlich Antiquarisches im Angebot haben.
Wer einen Ort der Ruhe sucht, wird allerdings kaum Glück haben. Tango, Rock oder Pop gehören zum Bucheinkauf dazu. Buchhändler, die sich keine teure Anlage mit versteckten Lautsprechern in der Decke leisten können, stellen den Blockbuster neben die Kasse. Es ist Vormittag und wenig Betrieb in dem kleinen Antiquariat an der Avenida Corrientes. Die Besitzerin erklärt, was besonders gefragt ist:
"Am besten verkauft sich Belletristik. Weltliteratur, iberoamerikanische und argentinische Belletristik. Was immer läuft, sind die argentinischen Klassiker, Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares und Ernesto Sábato beispielsweise. Ansonsten hängt der Verkauf davon ab, was gerade in Mode ist. Wenn ein Autor im Radio oder im Fernsehen genannt wurde oder einen Literaturpreis bekommen hat, geht er besonders gut."
Von den 20.300 Büchern, die im vergangenen Jahr in Argentinien auf den Markt kamen, macht Literatur mit 7600 Titeln mehr als ein Drittel aus, darin sind auch rund 1200 Gedichtbände enthalten. Sehr beliebt sind aber auch Bücher, die sich mit Politik, Geschichte und Gesellschaft befassen. 2009 erschienen immerhin knapp 6100 Titel aus diesem Segment. Das spürt man auch auf der Avenida Corrientes, so in der Buchhandlung Edipo:
"Im Moment wird viel Politik gelesen und argentinische Geschichte. Es wurden etliche Sammlungen über argentinische Geschichte neu aufgelegt, die vergriffen waren. Die verkaufen sich im Augenblick am besten."
Das Geschichtsinteresse ist zweifellos der Tatsache geschuldet, dass sich die Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien im Mai zum 200. Mal jährte und das ganze Jahr hindurch gefeiert wird. Ein paar Häuser weiter, bei Zivals, gehen derzeit zwei politische Bücher am besten:
"Eine Biografie des Oberbürgermeisters von Buenos Aires und eine weitere über Néstor Kirchner, Ex-Präsident und Ehemann der heutigen Präsidentin."
Carlos Santos ist Verleger und Vorsitzender der Cámara Argentina del Libro, der Vereinigung argentinischer Verleger und Buchhändler. Er bestätigt die bedeutende Rolle des politischen Buches in seinem Land.
"Es erscheinen viele journalistische Essays über die politische Aktualität, die großes Interesse finden und Bestseller werden. Davon verkaufen sich dann 100.000 oder sogar 150.000 Exemplare. Es handelt sich dabei vor allem um Bücher, die anklagen und die Politik kritisieren, sowie um Biografien einzelner Politiker."
Den Literaturkritiker Damián Tabarovsky, er arbeitet für die Literaturbeilage der unabhängigen Tageszeitung Perfil, überzeugen diese Bücher allerdings wenig:
"Über die Regierung herziehen – das ist das große Thema heute, aber es hat eine lange Geschichte in Argentinien. Die Bestseller der letzten Monate gehören auch in diese Kategorie. Es handelt sich dabei um schlechten Enthüllungsjournalismus, meist von Leuten, die eigene Fernsehsendungen haben."
Zurück zur Belletristik. Bei Zivals auf der Corrientes sind Krimis von John Grisham und Henning Mankell zurzeit der Renner. Ein paar Straßen weiter, an der Ecke Callao und Santa Fé, liegt die größte argentinische Buchhandlung, Ateneo mit Namen. In dem mehrstöckigen ehemaligen Kino werden die Schritte durch dicke rote Teppiche gedämpft, und in jedem Marktsegment berät zu leiser Musik ein Spezialist. Oscar ist für Belletristik zuständig:
"Bei den Übersetzungen stehen die skandinavischen Autoren hoch im Kurs, die Trilogie von Stig Larsson, dann die neue Autorin, die auch Larsson heißt, Asa Larsson. Immer sehr beliebt sind auch historische Romane aus Argentinien, die sich vor allem an das weibliche Publikum richten, zum Beispiel die Romane von Florencia Bonelli."
Bonellis historischer Liebesschmöker Dem Winde versprochen ist seit einem Jahr auch auf dem deutschen Markt, ein zweiter erscheint jetzt pünktlich zur Buchmesse. Doch bei Ateneo werden nicht nur Krimis und Edelkitsch verkauft:
"Die jüngste Autorengeneration mit Leuten wie Félix Bruzzone oder Pola Oloixarak läuft recht gut, natürlich verkauft sie sich nicht so gut wie die zuvor erwähnten Schriftsteller, aber dafür, dass es sich um bislang unbekannte Autoren handelt, gehen sie wirklich sehr gut. Das liegt auch daran, dass viele von ihnen für verschiedene Medien arbeiten und sie sich gegenseitig lesen und rezensieren. Mir persönlich erscheinen Bruzzone und Samanta Schweblin derzeit am interessantesten. Ihre Erzählungen stehen in bester lateinamerikanischer Erzähltradition, beziehungsweise in der Erzähltradition vom Río de la Plata."
Oloixarak wartet noch auf einen deutschsprachigen Verlag, Schweblin und Bruzzone liegen Dank des Übersetzungsförderungsprogramms der argentinischen Regierung nun auch auf Deutsch vor. Bruzzone bedient ein Thema, das die Argentinier sehr interessiert: die von 1976 bis 1983 herrschende Militärdiktatur. Dazu Paco Gómez von der Buchhandlung Eterna Cadencia im Bohème- und Intellektuellenviertel Palermo Soho:
"Ich behaupte, dass sechzig Prozent der jungen Autoren, die in den sechziger und siebziger Jahren geboren wurden, einen Roman darüber geschrieben haben. Und vor allem die Hauptstädter und das junge Publikum stürzen sich auf die Bücher über die Diktatur. Das Thema steht hoch im Kurs, es ist keineswegs abgedroschen und verkauft sich wie warme Semmeln."
In Palermo Soho sind in den letzten Jahren mehrere neue Buchhandlungen mit integriertem Café entstanden, die sich vor allem an ein intellektuelles Publikum wenden und sich auch als Kulturzentrum verstehen. In der Eterna Cadencia, zu der auch ein gleichnamiger, kleiner Verlag gehört, finden an jedem Dienstag Lesungen oder Diskussionen über Literatur statt, und sie sind gut besucht. In Palermo Soho sehen die Bestsellerlisten anders aus als in der Avenida Corrientes: Meistverkaufter Autor ist der Japaner Haruki Murakami, gefolgt von Schriftstellern, die ebenfalls von der internationalen Literaturkritik gelobt werden: von dem Chilenen Roberto Bolaño und den Argentiniern Martín Kohan und Alan Pauls.
Paco Gómez nennt Themen, die neben der Diktatur die argentinischen Schriftsteller in der jüngsten Zeit besonders umtreiben:
"Die Unsicherheit ist in Argentinien ein wichtiges Thema, und es sind viele Bücher über die Kriminalität erschienen, in einer etwas saloppen Sprache. Auch in unserem Verlag erscheint ein Roman darüber. Einige Romane spielen mit der Sexualität, andere befassen sich mit der Frage, ob die Ehe noch zeitgemäß ist oder nicht. Die Literatur ist ein Spiegel dessen, was in der Welt passiert."
In den 90er-Jahren wurde Argentiniens Buchmarkt von den Importen großer spanischer Verlage beherrscht. Seitdem nach der Wirtschaftskrise von 2001 die 1:1-Parität zum Dollar aufgegeben wurde, gestaltete sich die Verlagslandschaft um. Auch die Spanier drucken in Argentinien und vor allem entstanden einige Dutzend kleiner argentinischer Verlage. Das Bild wurde bunter. Dazu der Literaturkritiker Damián Tabarovsky, der selbst eine Weile in einem kleinen Verlag als Lektor tätig war:
"In den 90er-Jahren war es aufgrund der hohen Kosten absolut unmöglich, einen Verlag zu führen. Nach der Abwertung, seit der argentinische Peso nur noch ein Viertel wert ist, gingen die Kosten herunter. In den 90ern war Argentinien teurer als New York. Es war finanziell unmöglich, dass eine Gruppe von vier Freunden, wie im Falle des Tamarisco-Verlages, aus der eigenen Tasche vier Bücher finanziert."
In der Folge wird auch mehr einheimische Literatur gedruckt, wovon gerade junge Autoren profitieren. Und in den Feuilletons der großen Tageszeitungen fand ein Generationswechsel statt: Heute haben hier auch neue Autoren eine Chance, wahrgenommen zu werden. Dennoch: Die wenigsten verkaufen sich gut. Damián Tabarovsky:
"Ein zeitgenössischer argentinischer Roman, der 2000 Mal verkauft wird, ist ein Bestseller. Mehr verkaufen nur fünf, maximal zehn argentinische Autoren. Guillermo Martínez, Pablo de Santis, Marcelo Birmajer, Martín Kohan, weil er einen wichtigen Literaturpreis gewonnen hat, und Alan Pauls."
Sie verkaufen 5000, vielleicht 7000 Exemplare. Nur Claudia Piñeiro gelang mit "Die Donnerstagswitwen" ein wirklicher Bestseller und Longseller, hat sie doch ein Thema angesprochen, dass die Argentinier umtreibt: Der Umzug der Wohlhabenden aus den Städten in die sogenannten Countries, von hohen Zäunen und Mauern umgebene, exklusive Wohnanlagen. Auch ihr Buch ist gerade übersetzt worden.
""Es gibt literarische Werke, die sich 200 Mal verkaufen, dabei sind es sehr gute Bücher. Es ist ein großes Problem, dass das Publikum das Interesse an qualitativ guter argentinischer Literatur verliert"," bedauert Kritiker Tabarovsky. Ihn freut, dass die Auswahl der Romane, die aus Anlass der Frankfurter Buchmesse ins Deutsche übertragen worden sind, die argentinische Literaturszene gut widerspiegelt. Allerdings fehlt ihm die Generation der heute 50-jährigen, eine Generation, der es vor allem um das Spiel mit der Sprache geht. Und Carlos Santos von der Vereinigung der Verleger und Buchhändler bedauert, dass sich so wenige deutsche Kollegen dazu durchringen konnten, Sachbücher etwa über Psychoanalyse zu übersetzen. Auch da, so meint der Verleger, hat Argentinien viel zu bieten.
Wer einen Ort der Ruhe sucht, wird allerdings kaum Glück haben. Tango, Rock oder Pop gehören zum Bucheinkauf dazu. Buchhändler, die sich keine teure Anlage mit versteckten Lautsprechern in der Decke leisten können, stellen den Blockbuster neben die Kasse. Es ist Vormittag und wenig Betrieb in dem kleinen Antiquariat an der Avenida Corrientes. Die Besitzerin erklärt, was besonders gefragt ist:
"Am besten verkauft sich Belletristik. Weltliteratur, iberoamerikanische und argentinische Belletristik. Was immer läuft, sind die argentinischen Klassiker, Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares und Ernesto Sábato beispielsweise. Ansonsten hängt der Verkauf davon ab, was gerade in Mode ist. Wenn ein Autor im Radio oder im Fernsehen genannt wurde oder einen Literaturpreis bekommen hat, geht er besonders gut."
Von den 20.300 Büchern, die im vergangenen Jahr in Argentinien auf den Markt kamen, macht Literatur mit 7600 Titeln mehr als ein Drittel aus, darin sind auch rund 1200 Gedichtbände enthalten. Sehr beliebt sind aber auch Bücher, die sich mit Politik, Geschichte und Gesellschaft befassen. 2009 erschienen immerhin knapp 6100 Titel aus diesem Segment. Das spürt man auch auf der Avenida Corrientes, so in der Buchhandlung Edipo:
"Im Moment wird viel Politik gelesen und argentinische Geschichte. Es wurden etliche Sammlungen über argentinische Geschichte neu aufgelegt, die vergriffen waren. Die verkaufen sich im Augenblick am besten."
Das Geschichtsinteresse ist zweifellos der Tatsache geschuldet, dass sich die Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien im Mai zum 200. Mal jährte und das ganze Jahr hindurch gefeiert wird. Ein paar Häuser weiter, bei Zivals, gehen derzeit zwei politische Bücher am besten:
"Eine Biografie des Oberbürgermeisters von Buenos Aires und eine weitere über Néstor Kirchner, Ex-Präsident und Ehemann der heutigen Präsidentin."
Carlos Santos ist Verleger und Vorsitzender der Cámara Argentina del Libro, der Vereinigung argentinischer Verleger und Buchhändler. Er bestätigt die bedeutende Rolle des politischen Buches in seinem Land.
"Es erscheinen viele journalistische Essays über die politische Aktualität, die großes Interesse finden und Bestseller werden. Davon verkaufen sich dann 100.000 oder sogar 150.000 Exemplare. Es handelt sich dabei vor allem um Bücher, die anklagen und die Politik kritisieren, sowie um Biografien einzelner Politiker."
Den Literaturkritiker Damián Tabarovsky, er arbeitet für die Literaturbeilage der unabhängigen Tageszeitung Perfil, überzeugen diese Bücher allerdings wenig:
"Über die Regierung herziehen – das ist das große Thema heute, aber es hat eine lange Geschichte in Argentinien. Die Bestseller der letzten Monate gehören auch in diese Kategorie. Es handelt sich dabei um schlechten Enthüllungsjournalismus, meist von Leuten, die eigene Fernsehsendungen haben."
Zurück zur Belletristik. Bei Zivals auf der Corrientes sind Krimis von John Grisham und Henning Mankell zurzeit der Renner. Ein paar Straßen weiter, an der Ecke Callao und Santa Fé, liegt die größte argentinische Buchhandlung, Ateneo mit Namen. In dem mehrstöckigen ehemaligen Kino werden die Schritte durch dicke rote Teppiche gedämpft, und in jedem Marktsegment berät zu leiser Musik ein Spezialist. Oscar ist für Belletristik zuständig:
"Bei den Übersetzungen stehen die skandinavischen Autoren hoch im Kurs, die Trilogie von Stig Larsson, dann die neue Autorin, die auch Larsson heißt, Asa Larsson. Immer sehr beliebt sind auch historische Romane aus Argentinien, die sich vor allem an das weibliche Publikum richten, zum Beispiel die Romane von Florencia Bonelli."
Bonellis historischer Liebesschmöker Dem Winde versprochen ist seit einem Jahr auch auf dem deutschen Markt, ein zweiter erscheint jetzt pünktlich zur Buchmesse. Doch bei Ateneo werden nicht nur Krimis und Edelkitsch verkauft:
"Die jüngste Autorengeneration mit Leuten wie Félix Bruzzone oder Pola Oloixarak läuft recht gut, natürlich verkauft sie sich nicht so gut wie die zuvor erwähnten Schriftsteller, aber dafür, dass es sich um bislang unbekannte Autoren handelt, gehen sie wirklich sehr gut. Das liegt auch daran, dass viele von ihnen für verschiedene Medien arbeiten und sie sich gegenseitig lesen und rezensieren. Mir persönlich erscheinen Bruzzone und Samanta Schweblin derzeit am interessantesten. Ihre Erzählungen stehen in bester lateinamerikanischer Erzähltradition, beziehungsweise in der Erzähltradition vom Río de la Plata."
Oloixarak wartet noch auf einen deutschsprachigen Verlag, Schweblin und Bruzzone liegen Dank des Übersetzungsförderungsprogramms der argentinischen Regierung nun auch auf Deutsch vor. Bruzzone bedient ein Thema, das die Argentinier sehr interessiert: die von 1976 bis 1983 herrschende Militärdiktatur. Dazu Paco Gómez von der Buchhandlung Eterna Cadencia im Bohème- und Intellektuellenviertel Palermo Soho:
"Ich behaupte, dass sechzig Prozent der jungen Autoren, die in den sechziger und siebziger Jahren geboren wurden, einen Roman darüber geschrieben haben. Und vor allem die Hauptstädter und das junge Publikum stürzen sich auf die Bücher über die Diktatur. Das Thema steht hoch im Kurs, es ist keineswegs abgedroschen und verkauft sich wie warme Semmeln."
In Palermo Soho sind in den letzten Jahren mehrere neue Buchhandlungen mit integriertem Café entstanden, die sich vor allem an ein intellektuelles Publikum wenden und sich auch als Kulturzentrum verstehen. In der Eterna Cadencia, zu der auch ein gleichnamiger, kleiner Verlag gehört, finden an jedem Dienstag Lesungen oder Diskussionen über Literatur statt, und sie sind gut besucht. In Palermo Soho sehen die Bestsellerlisten anders aus als in der Avenida Corrientes: Meistverkaufter Autor ist der Japaner Haruki Murakami, gefolgt von Schriftstellern, die ebenfalls von der internationalen Literaturkritik gelobt werden: von dem Chilenen Roberto Bolaño und den Argentiniern Martín Kohan und Alan Pauls.
Paco Gómez nennt Themen, die neben der Diktatur die argentinischen Schriftsteller in der jüngsten Zeit besonders umtreiben:
"Die Unsicherheit ist in Argentinien ein wichtiges Thema, und es sind viele Bücher über die Kriminalität erschienen, in einer etwas saloppen Sprache. Auch in unserem Verlag erscheint ein Roman darüber. Einige Romane spielen mit der Sexualität, andere befassen sich mit der Frage, ob die Ehe noch zeitgemäß ist oder nicht. Die Literatur ist ein Spiegel dessen, was in der Welt passiert."
In den 90er-Jahren wurde Argentiniens Buchmarkt von den Importen großer spanischer Verlage beherrscht. Seitdem nach der Wirtschaftskrise von 2001 die 1:1-Parität zum Dollar aufgegeben wurde, gestaltete sich die Verlagslandschaft um. Auch die Spanier drucken in Argentinien und vor allem entstanden einige Dutzend kleiner argentinischer Verlage. Das Bild wurde bunter. Dazu der Literaturkritiker Damián Tabarovsky, der selbst eine Weile in einem kleinen Verlag als Lektor tätig war:
"In den 90er-Jahren war es aufgrund der hohen Kosten absolut unmöglich, einen Verlag zu führen. Nach der Abwertung, seit der argentinische Peso nur noch ein Viertel wert ist, gingen die Kosten herunter. In den 90ern war Argentinien teurer als New York. Es war finanziell unmöglich, dass eine Gruppe von vier Freunden, wie im Falle des Tamarisco-Verlages, aus der eigenen Tasche vier Bücher finanziert."
In der Folge wird auch mehr einheimische Literatur gedruckt, wovon gerade junge Autoren profitieren. Und in den Feuilletons der großen Tageszeitungen fand ein Generationswechsel statt: Heute haben hier auch neue Autoren eine Chance, wahrgenommen zu werden. Dennoch: Die wenigsten verkaufen sich gut. Damián Tabarovsky:
"Ein zeitgenössischer argentinischer Roman, der 2000 Mal verkauft wird, ist ein Bestseller. Mehr verkaufen nur fünf, maximal zehn argentinische Autoren. Guillermo Martínez, Pablo de Santis, Marcelo Birmajer, Martín Kohan, weil er einen wichtigen Literaturpreis gewonnen hat, und Alan Pauls."
Sie verkaufen 5000, vielleicht 7000 Exemplare. Nur Claudia Piñeiro gelang mit "Die Donnerstagswitwen" ein wirklicher Bestseller und Longseller, hat sie doch ein Thema angesprochen, dass die Argentinier umtreibt: Der Umzug der Wohlhabenden aus den Städten in die sogenannten Countries, von hohen Zäunen und Mauern umgebene, exklusive Wohnanlagen. Auch ihr Buch ist gerade übersetzt worden.
""Es gibt literarische Werke, die sich 200 Mal verkaufen, dabei sind es sehr gute Bücher. Es ist ein großes Problem, dass das Publikum das Interesse an qualitativ guter argentinischer Literatur verliert"," bedauert Kritiker Tabarovsky. Ihn freut, dass die Auswahl der Romane, die aus Anlass der Frankfurter Buchmesse ins Deutsche übertragen worden sind, die argentinische Literaturszene gut widerspiegelt. Allerdings fehlt ihm die Generation der heute 50-jährigen, eine Generation, der es vor allem um das Spiel mit der Sprache geht. Und Carlos Santos von der Vereinigung der Verleger und Buchhändler bedauert, dass sich so wenige deutsche Kollegen dazu durchringen konnten, Sachbücher etwa über Psychoanalyse zu übersetzen. Auch da, so meint der Verleger, hat Argentinien viel zu bieten.