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Studienautor Neumeier
ifo-Institut: Ölkonzerne geben Tankrabatt weiter

Der Anstieg der Benzinpreise habe nichts mit dem Tankrabatt zu tun, sagte ifo-Studienautor Florian Neumeier im Dlf. Die Mineralölkonzerne gäben die Steuersenkung an die Autofahrer weiter. Trotzdem sei die Maßnahme ein Fehler, etwa weil sie "insbesondere denen zugute kommt, die Sportwagen oder große SUV fahren."

Florian Neumeier im Gespräch mit Barbara Schmidt-Mattern | 14.06.2022
Ein Auto steht neben der Zapfsäule einer Tankstelle
Der so genannte Tankrabatt führe zu einer erhöhten Nachfrage nach Benzin, sagte Neumeier im Dlf (picture alliance / dpa / Daniel Kubirski)
Einer aktuellen Studie des ifo-Instituts zufolge geben die Mineralölkonzerne den sogenannten Tankrabatt zum großen Teil an die Autofahrer weiter. Weil die Preise an den Zapfsäulen trotz der Steuersenkung nur kurz sanken, danach aber wieder anstiegen, hatte es eine Debatte um die Wirksamkeit der Maßnahme gegeben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte deswegen sogar eine Reform des Kartellrechts ins Gespräch gebracht.
Florian Neumeier, Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik beim ifo-Institut in München, ist Autor der besagten Studie. Er sagte im Deutschlandfunk, die Forschenden hätten dafür einen Vergleich mit Frankreich angestellt, weil die Preisentwicklung in den Wochen vor Einführung des Tankrabatts in beiden Ländern nahezu identisch verlaufen sei.
Der Vergleich habe laut Neumeier gezeigt: Auch in Frankreich seien die Benzinpreise seit Anfang Juni deutlich angestiegen. Dieser Trend sei auch in anderen europäischen Ländern zu beobachten. „Was jetzt der Grund für diesen Anstieg ist trotz verhaltenem Anstieg bei den Ölpreisen, das ist unklar. Es hat aber nichts mit dem Tankrabatt zu tun und auch offensichtlich nichts damit, dass die Mineralölkonzerne jetzt diesen Tankrabatt abschöpfen und in die eigene Tasche stecken wollen.“

Die Preiseffekte des Tankrabatts

Grafik zeigt Preiseffekte des Tankrabatts
Der sogenannte Tankrabatt ist laut Berechnungen des Ifo-Instituts im Wesentlichen an die Autofahrer weitergegeben worden. Das Institut stützt seine Aussage auf einen Ländervergleich mit Frankreich. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Aus drei Gründen sei der Tankrabatt trotzdem ein Fehler, führte Neumeier aus. Erstens käme er nur den reicheren Haushalten zugute. Zweitens führe er zu einer erhöhten Nachfrage nach Benzin. Und drittens steht er in Konflikt mit ökologischen Zielen."

Das Interview in voller Länge:
Barbara Schmidt-Mattern: Am Telefon begrüße ich jetzt Florian Neumeier, Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik beim ifo Institut in München. Herr Neumeier, Sie sind der Autor der Studie am ifo Institut, wonach eben der Tankrabatt doch weitgehend an die Kundinnen und Kunden weitergegeben wurde, anders als das teilweise in den letzten Tagen ja immer wieder berichtet worden ist. Wie genau sind Sie zu diesem Ergebnis gekommen?
Florian Neumeier: Ein Großteil der Berichte, die in den letzten Tagen veröffentlicht worden sind, hat die Spritpreise vor und nach Einführung des Tankrabatts verglichen, also die Spritpreise im Mai mit den Spritpreisen im Juni. Wir haben uns angeschaut einen Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich, und zwar haben wir angenommen, dass ohne die Einführung des Tankrabatts in Deutschland sich die Benzinpreise in Deutschland entwickelt hätten ab dem 1. Juni, wie sie das in Frankreich getan haben. Warum machen wir das? Weil wir festgestellt haben, in den anderthalb bis zwei Monaten vor Einführung des deutschen Tankrabatts waren die Preisentwicklungen in Deutschland und Frankreich nahezu identisch.

Neumeier: Grund für den Anstieg der Benzinpreise ist unklar

Schmidt-Mattern: Das ist der Grund, warum Sie Frankreich ausgewählt haben. Wenn wir nun noch einmal auf die Preisentwicklung der letzten Tage schauen, dann sind ja tatsächlich die Preise zum 1. Juni hin, also zur Einführung dieses Rabatts gesunken, dann aber wieder mächtig gestiegen – und dass obwohl der Ölpreis und die Weltmarktpreise nicht annähernd so angezogen haben. Warum also diese teuren Preise an der Zapfsäule?
Neumeier: Das ist tatsächlich ein Trend, den wir in Frankreich genauso beobachten, also auch in Frankreich sind seit Anfang Juni die Benzinpreise deutlich angezogen, wir sehen das aber auch in anderen europäischen Ländern, in Dänemark, Österreich beispielsweise, in Belgien, auch dort sind die Spritpreise deutlich angezogen seit Anfang Juni. Was jetzt der Grund für diesen Anstieg ist trotz verhaltenem Anstieg bei den Ölpreisen, das ist unklar, es hat aber nichts mit dem Tankrabatt zu tun und auch offensichtlich nichts damit, dass die Mineralölkonzerne jetzt diesen Tankrabatt abschöpfen und in die eigene Tasche stecken wollen.
Schmidt-Mattern: Darauf kommen wir gleich noch mal zu sprechen. Eine Erklärung, die kursiert, lautet zum Beispiel, dass die Raffinerien weltweit an der Kapazitätsgrenze sind. Ist das für Sie eine plausible Erklärung?
Neumeier: Ob die an die Kapazitätsgrenze sind, das lässt sich schwer sagen. Wir müssen uns vorstellen, der Anteil an Öl, den wir aus Russland beziehen, der geht zurück. Das Öl aus Russland kam ja hauptsächlich über die Pipelines direkt von Russland nach Deutschland. Wenn die Raffinerien sich jetzt andere Wege suchen müssen, um an das Öl zu kommen, das Öl nach Deutschland zu bringen, weil sie es nicht mehr durch die Pipeline pumpen können beziehungsweise aus der Pipeline abzapfen können, dann ist es schon nicht unplausibel, anzunehmen, dass die Beschaffungskosten bei den Raffinerien gestiegen sind. Das ist auch Argument, was die Mineralölkonzerne machen, so ganz unplausibel finde ich das nicht.

"Tankrabatt steht er in Konflikt mit ökologischen Zielen"

Schmidt-Mattern: Kommen wir noch mal auf den Rabatt an sich zu sprechen. Ist es denn überhaupt sinnvoll, den Preis für Benzin oder Diesel zu subventionieren? Da gibt es ja auch sehr unterschiedliche Ansichten.
Neumeier: Mal abgesehen davon, dass der Tankrabatt weitergegeben wurde, trotz allem halte ich den Tankrabatt für einen Fehler aus mindestens drei Gründen. Der erste Grund ist, der Tankrabatt kommt insbesondere denen zugute, die Sportwagen oder große SUV fahren, das sind in der Regel die reicheren, einkommensstärkeren Haushalte. Hier findet im Prinzip eine Umverteilung von unten nach oben statt. Der zweite Grund, warum ich den Tankrabatt falsch finde, ist, dass wir eigentlich die Abhängigkeit von Russland reduzieren möchten, das können wir nur tun, indem wir Öl und entsprechend Benzin einsparen. Der Tankrabatt führt jetzt aber dazu, dass die Nachfrage nach Benzin und damit die Nachfrage nach Öl stabilisiert wird oder sogar erhöht wird. Und drittens führt der Tankrabatt dazu oder steht er in Konflikt mit ökologischen Zielen. Wenn wir mehr Benzin verbrauchen oder die Nachfrage nach Benzin stabilisiert wird, ist das eben auch ein Konflikt mit dem Ziel des Klimaschutzes.
Schmidt-Mattern: Ich greife mir mal ein Argument heraus, nämlich die Tatsache, dass vor allem einkommensstarke Haushalte von diesem Tankrabatt profitieren. Wären angesichts dessen pauschale Zahlungen etwa an untere Einkommensgruppen sinnvoller?
Neumeier: Es ist definitiv die zielgerichtetere Maßnahme. Die einkommensschwachen Haushalte leiden ja nicht nur unter den steigenden Preisen für Benzin, sondern sie leiden auch unter den steigenden Lebenshaltungskosten, es ist ja nicht nur das Tanken teurer geworden, die Lebensmittel sind teurer geworden, die Nebenkosten bei der Miete sind teurer geworden. Um gezielt einkommensschwache Haushalte zu entlasten, wäre das sinnvoller, hier mit Transfers zu arbeiten, auf jeden Fall.

"Die Benzinpreise haben sich seit Beginn des Ukrainekriegs von den Ölpreisen entkoppelt"

Schmidt-Mattern: Dann lassen Sie uns noch etwas grundsätzlicher über die Kartellrechtsfragen sprechen und darüber, welche Maßnahmen jetzt angemessen wären, denn die Preispolitik der Tankstellen und auch gerade der Mineralölkonzerne ist ja seit Langem umstritten. Ob jetzt hinter den gestiegenen Preisen ein wettbewerbswidriges Verhalten der Konzerne steckt, das muss jetzt zwar das Kartellamt klären, aber auch die Frage an Sie: Haben die Konzerne da aus Ihrer Sicht in die eigene Tasche gewirtschaftet?
Neumeier: Was wir beobachten, ist tatsächlich, dass sich die Benzinpreise seit Beginn des Ukrainekriegs von den Ölpreisen entkoppelt haben, die Kluft zwischen dem Rohölpreis und den Benzinpreisen ist seit Beginn des Ukrainekriegs immer größer geworden. Dass jetzt der Tankrabatt an die Konsumenten weitergegeben wurde, muss nicht heißen, dass nicht vorher schon im Prinzip der Krieg als Vorwand genutzt wurde, um hier die Gewinnmarge zu erhöhen. Von daher ist es sehr sinnvoll, wenn das Kartellamt hier einen genaueren Blick auf das Gebaren der Mineralölkonzerne wirft und die Sache sich genau anschaut.
Schmidt-Mattern: Können Sie das noch ein bisschen konkretisieren? Der Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigt jetzt ja ein verschärftes Kartellrecht mit Klauen und Zähnen an, wie er bei uns im Interview gesagt hat. Was genau wäre da die wichtigste Maßnahme?
Neumeier: Vor allen Dingen dafür zu sorgen, dass es transparent ist, dass transparent gemacht wird, dass offengelegt wird, wie eigentlich dieses Preissetzungsverhalten funktioniert, wie die Preise der Mineralölkonzerne zustande kommen. Wir wissen relativ wenig darüber, welchen Beitrag die gestiegenen Kosten zu den höheren Preisen haben, wie hoch die Gewinnmarge bei den Mineralölkonzernen ist, das sind alles Informationen, die offengelegt werden müssen. Es wäre schön, wenn das Kartellamt die Kompetenz hätte, eben diese Informationen auch einzufordern.
Schmidt-Mattern: Nun ist Transparenz das eine, auf der anderen Seite argumentieren die Kritiker einer solchen Verschärfung, dass damit die Rechtssicherheit für Unternehmen in Deutschland künftig gefährdet sei. Ist an dieser Sorge etwas dran?
Neumeier: Unternehmen sollten sich nur Sorgen machen müssen, wenn sie wettbewerbswidriges Verhalten an den Tag legen. Von daher, den Instrumentenkasten des Kartellamts zu erweitern, um für mehr Transparenz sorgen zu können, ist erst mal ein sinnvolles Bestreben und nichts, wovor die Unternehmen jetzt Angst haben müssen, sofern sie sich an die Spielregeln halten.

Übergewinnsteuer "wenig praktikabel"

Schmidt-Mattern: Abschließend würde ich gerne noch nach der Idee einer Übergewinnsteuer fragen, also einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die aktuell besonders vom Krieg in der Ukraine profitieren. Ist so ein Vorstoß sinnvoll?
Neumeier: Ich halte nicht viel von der Übergewinnsteuer, nicht zuletzt weil unklar ist, wie Übergewinne überhaupt berechnet, gemessen werden sollen. Ab welchem Gewinn erziele ich einen Übergewinn, auf der anderen Seite ist die Übergewinnsteuer problematisch, weil die Gewinne ja auch im Prinzip mit dem Konjunkturverlauf schwanken, was machen wir, wenn die Unternehmen, die jetzt Übergewinne erzielen, irgendwann in die Verlustzone geraten, gestatten wir dann Erstattungen? Das ist ein Instrument, was ich für wenig praktikabel halte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.