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„Tankrabatt“ oder „Sondervermögen“
Warum sich Medien mit Schlagwörtern der Politik oft schwertun

Die Politik kommuniziert ihre Ideen häufig mit eingängigen Titeln. Wenn Medien darüber berichten, sollten sie die Begriffe kritisch hinterfragen und einordnen. Oft gelingt das aber nicht. Erklärungen von zwei Journalisten.

Text: Michael Borgers | Oliver Georgi im Gespräch mit Pia Behme |
Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, wird von Journalisten interviewt
Christian Lindner: Als Finanzminister prägt er den Begriff des "Sondervermögens" mit (hier im April 2021 als FDP-Vorsitzender im Interview) (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
„Tankrabatt kommt trotz viel Kritik“ – unter dieser Überschrift berichtete Marcel Heberlein Mitte Mai fürs ARD-Hauptstadtstudio über die Pläne der Bundesregierung. Einen Tweet der "Tagesschau" zu seinem Beitrag kommentierte ein User mit dem Hinweis, es handle sich nicht um einen „Tankrabatt“, sondern um eine Absenkung der Energiesteuer. Heberlein schrieb daraufhin, er finde den Begriff vor allem leicht verstanden, und darum sei es ihm gegangen.

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Inzwischen ist der „Tankrabatt“ tatsächlich da. Und geblieben ist die Kritik an der Maßnahme: Sie helfe mehr den Mineralölkonzernen als den Menschen, so das weitgehende Urteil. Und auch der Begriff selbst ist noch da. Eine Debatte darüber? Findet kaum statt.
Marcel Heberlein kann das weiterhin verstehen. Aktuell werde das Tanken tatsächlich billiger, stellt der Radiojournalist gegenüber dem Deutschlandfunk fest. „Ob das am Ende dadurch passiert, dass die Steuern gesenkt werden oder auf anderem Weg, das ist für mich als Hörer erst mal irrelevant.“

Hauptstadtjournalist Heberlein: Nicht zum Sprachrohr werden

Anders sei das aber bei dem von der Bundesregierung angekündigten „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, findet Heberlein. „Denn es ist eben kein Vermögen, sondern es ist auch eine sehr, sehr große Ausgabe über einen langen Zeitraum, die politisch kontrovers diskutiert wird.“ Der Begriff verschleiere, dass neue Schulden gemacht werden. Und Journalisten, so wie er, seien gefragt, das immer wieder entsprechend einzuordnen.
„Aber ist es überhaupt unsere Aufgabe, einen Begriff zu verwenden, nur weil die Politik ihn verwendet?“, fragt er sich grundsätzlich. Ein Problem laute: „Wann ist die Grenze überschritten, wo man sich gegen einen Begriff nicht mehr auflehnen kann, auch als Einzelner?“ Die genaue Antwort auf diese Frage kennt Heberlein auch nicht. Fest steht für ihn aber: "Die Diskussion über Begriffe, die von der Politik gesetzt werden, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“

Unser Sprachcheck "Sagen & Meinen":

Bereits der vorherigen Bundesregierung sei klar gewesen, „dass zu einer guten PR-Strategie ein guter Name für ein Gesetz beitragen kann“ – Heberlein erinnert an das „Gute-Kita-Gesetz“. Medien müssten deshalb immer wieder aufpassen, nicht zu Sprachrohren anderer Akteure zu werden. Doch obwohl diese Debatte regelmäßig geführt werde, sehe der Alltag unter Zeitdruck häufig anders aus. „Dann noch mal einen Schritt zurückzugehen, zumindest zwei, drei Tage, nachdem ein Diskurs begonnen hat, ist essentiell.“

FAS-Redakteur Gregori: Tankrabatt ist politischer Werbebegriff

Sein Berufsstand würde sich oft zu selten Gedanken darüber machen, welche Wirkung manche Begriffe haben, beobachtet auch Oliver Georgi, der für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ schreibt und sich in seinem Buch „Und täglich grüßt das Phrasenschwein“ vor einigen Jahren mit der Sprache der Politik auseinandergesetzt hat. Manches würde nur deshalb weiterverbreitet, weil es bereits etabliert sei.
„Wir alle sind in einer komplexeren Gemengelage. Wir werden überflutet von Informationen, von politischen Ankündigungen und Handlungen, und wir alle wollen nur relativ schnell verstehen, worum es geht“, sagte der Zeitungsjournalist im Deutschlandfunk. Deshalb suche die Politik nach einprägsamen Begriffen.
Je öfter etwa das Wort „Tankrabatt“ falle, umso mehr werde sich bei den Menschen einprägen, dass die Regierung für billigeren Sprit gesorgt habe. „Und schon ist das Ziel erreicht, das die Politik erreichen will.“ Dabei handle es sich bei dem Wort eigentlich nur um einen „politischen Werbebegriff“, findet er.

„Fataler Mechanismus“

Georgi spricht von einem „fatalen Mechanismus“, der nicht neu sei. Beispielsweise hätten Medien 2015 auch das Wort „Flüchtlingskrise“ von der Politik übernommen. „Das Problem ist, dass sich Begriffe in den ersten Tagen und Wochen aller neuen politischen Entwicklungen festsetzen und etablieren und dann von allen umso mehr verwendet werden, je etablierter sie sind.“
Dabei sei es auch für das Vertrauen in Medien wichtig, von der Politik eingebrachte Begriffe immer wieder zu hinterfragen und „differenziert darüber zu berichten, welche Fallhöhe sie haben“, wünscht sich Georgi: „Das passiert oft genug aber leider nicht.“