"We are here in the Norris Geyser Basin"
Das Norris Geysir Becken. Ein weites Tal, umgeben von Wald. Der Boden ist heiß und instabil. Deshalb führen Holzstege an den Geysiren und Tümpeln vorbei. Norris ist eine unwirkliche Landschaft, wie aus Porzellanschlamm modelliert. Weiß in allen Tönen, zartblaue und pastellgrüne Farbtupfer, ein paar dunkle Fichten - und vor allem:
"Heute ist es kalt, deshalb sieht man hier überall Dampf. Sobald er sich verzieht, erkennt man die vielen vulkanischen Quellen in den wunderbarsten Farben: türkis, blau, gelb und grün. Für diese Farben sorgen die Mikroorganismen, die in diesen Hydrothermalquellen leben."
In diesem Moment treibt der Wind die Schwaden auseinander und gibt den Blick auf eine Quelle frei, in der sich der Himmel tiefblau spiegelt. Gelber Schwefel blüht am Rand, verleiht dem fast siedend heißen Wasser einen smaragdgrünen Schimmer.
"Hier ist viel Grundwasser, das durch die vulkanische Hitze oft zum Kochen gebracht wird. Man riecht, dass hier vulkanische Gase ausströmen. - Es riecht nach faulen Eiern."
Peter Cervelli arbeitet für den USGS, den Geologischen Dienst der Vereinigten Staaten in Menlo Park. Er ist hier, um das Messnetz zu warten. Schließlich schläft unter dem Nationalpark ein riesiger Drache, der jederzeit erwachen kann: Yellowstone! Der Menschheit kann wenig Dramatischeres zustoßen als der Ausbruch eines Supervulkans, der Hunderte, ja Tausende Kubikkilometer Lava zerstäubt und mit Überschallgeschwindigkeit hoch hinauf in die Atmosphäre schleudert, halbe Kontinente unter Asche begräbt und mit Staub und Aerosolen das Klima aus den Angeln hebt. Vergleichen lässt sich seine Gewalt nur mit dem Einschlag eines Asteroiden - allerdings sind Eruptionen deutlich häufiger.
"Yellowstone is a truly window into the earth interior."
Yellowstone ist einer dieser Supervulkane. Doch Bob Smith, emeritierter Geophysik-Professor und Leiter des Yellowstone Volcano Observatory, sieht weniger die Bedrohung vor seiner Haustür. Für ihn ist Yellowstone eher ein Fenster ins Erdinnere: Nirgends sprudeln mehr heiße Quellen, Geysire und kochende Schlammtöpfe: Rund 10.000 sind es, und sie stehen weltweit für 62 Prozent aller heißen Quellen an Land.
"Wir können hier alle möglichen Prozesse beobachten: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Verwitterung, bis vor kurzem selbst Gletscher. Es ist wie ein Laboratorium, in dem wir unsere Instrumente und geologischen Hypothesen testen können - und es ist zugänglich."
Für Geowissenschaftler ist Yellowstone El Dorado - ein Dorado, dessen Geschichte vor 17 Millionen Jahren begann, mit dem Ausbruch des Columbia Plateau-Basalts. Mehr als 700 Kilometer von Yellowstone entfernt rissen damals Tausende von Erdspalten auf, machten den Weg frei für gewaltige Flutbasalte, die Berge und Täler unter sich begruben: Lavaströme ergossen sich über das Land, breiteten sich Hunderte von Kilometern weit aus.
Noch heute bedecken die Basaltdecken weite Teile der Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho: Mit ihnen machte sich erstmals die besondere Struktur bemerkbar, über der heute Yellowstone liegt - ein Plume. In einem Plume dringt eine "Säule" aus ultraheißem Gestein wie ein gewaltiger Bunsenbrenner durch den Erdmantel auf. Gelangt er erstmals in Oberflächennähe, breitet er sich pilzförmig aus: Ein gigantisches Magmareservoir entsteht, das die für einen Flutbasalt notwendigen ungeheuren Lavamassen fördern kann. Ist diese erste Phase vorüber, speist der "Stiel" einen anderen Vulkanismus - den der Hotspots, der heißen Stellen. Und von denen gibt es heute einige auf der Erde. Smith:
"Man sieht solche Plumes im Erdmantel auch an anderen Stellen der Welt, unter Island etwa oder Hawaii."
Der Theorie nach sollen Plumes im Erdmantel recht ortsfest sein, weshalb er sich gegen die Konvektionsströmungen der Plattentektonik durchsetzen muss: Die wälzen permanent den Erdmantel um und ziehen dabei die Erdkrustenplatte an der Oberfläche mit sich. So öffnen sie Meere, türmen Gebirge auf und bewegen Kontinente. Und der Plume? Weil die Erdkrustenplatte über ihn hinwegzieht, brennt er von unten immer neue Löcher in sie hinein. Im Fall von Hawaii entstehen ganze Ketten von Vulkanen, die aus dem Meer auftauchen und wieder darin versinken. Im Fall von Yellowstone ziehen sich Einsturzkrater, sogenannte Calderen, durch den Westen der USA. Bob Smith:
"In Hawaii oder Island schmelzen die Hotspots die Meereskruste auf, und die besteht aus Basalt. Basalt schmilzt recht bereitwillig, und wenn man die TV-Bilder aus Hawaii betrachtet, sieht man, dass er als Lava fast wie Wasser strömt."
So dramatisch die Filme von rotglühend dahin schießender Lava auch wirken: Sie stehen für einen Vulkanismus der "sanfteren" Sorte, ohne große Explosivität. Anders in Yellowstone: Als die Geophysiker die Magmamengen früherer Ausbrüche berechneten, kamen sie auf gewaltige Massen. So gewaltig, dass sie Yellowstone auf der Intensitätsskala vulkanischer Eruptionen mit 8 in die höchste Stufe einordneten - und damit in die Kategorie der "Supervulkane". Smith:
"In Yellowstone bricht rhyolithisches Magma aus, ein Magma, das sehr viel mehr Silizium, Aluminium und Kalium enthält als Basalt. Es entsteht, weil der Plume auf einen Kontinent trifft, also von unten her kontinentale Kruste aufschmilzt, und die besteht aus Granit, der sich ganz anders verhält als Basalt. Rhyolithisches Magma ist Millionen Mal zähflüssiger als basaltisches: Dampf und Gas können nicht entweichen. So bauen sich sehr, sehr hohe Drücke und Temperaturen auf, weshalb diese Ausbrüche gewaltsamer und gefährlicher sind."
Im Yellowstone Nationalpark ist "Roaring Mountain" eine Attraktion am Straßenrand. Kurz halten die Touristen an, schnell ein Foto, Kinder vor dampfendem Berg, weiter geht es. Dabei taucht die Sonne den schwarze Hang malerisch in silbernes Licht, als sie sich durch die aufsteigenden Dampfschwaden kämpft. Peter Cervelli:
"Seinen Namen erhielt Roaring Mountain, weil der unter hohem Druck stehende Dampf früher mit einem ungeheuren Lärm aus dem Berg herausschoss."
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Dröhnen über viele Kilometer zu hören. Jetzt sei er nur noch ein Schatten seiner selbst, erzählt Peter Cervelli.
"In Hydrothermalgebieten mischen sich magmatische Gase mit Grundwasser und Hitze. Thermische Störungen entstehen, von Geysiren bis zu Schlammtöpfen. Sie alle hängen von der Magmakammer ab, die Hitze und Gas produziert, die an die Oberfläche steigen, wo sie mit dem Grundwasser in Kontakt kommen und dann Phänomene wie den Roaring Mountain entstehen lassen."
Der Vulkan unter Yellowstone wird seit rund 100 Jahren überwacht, lange bevor klar war, was sich da mit Erdbeben, heißen Quellen, Geysiren und Dampfaustritten - den Fumarolen - bemerkbar macht. Cervelli:
"Das hier ist ein Vermessungspunkt, der um 1923 installiert wurde. Entlang der Straße gibt es eine ganze Reihe solcher Punkte, und indem man sie Jahr für Jahr vermaß, stellte man fest, ob sich der Untergrund hob oder senkte. Daraus zog man Rückschlüsse auf die magmatischen Prozesse unter Yellowstone."
Heute setzen die Geophysiker dafür GPS-Empfänger ein, die genau die Verformung des Untergrunds im Raum wiedergeben. GPS zeigt auch seitliche Verschiebungen an. Trotzdem sind die alten Messungen ein Schatz, denn sie liefern Hinweise darauf, wie sehr die Aktivität eines ruhenden Supervulkans schwankt, erklärt Nationalparkgeologe Henry Heasler:
"Wir überwachen Yellowstone mit einem sehr guten seismischen Netzwerk, das die University of Utah unterhält. Wir messen die Wasserpegel und seit 2007 in Bohrlöchern die Verformung des Untergrunds. Unsere Daten veröffentlichen wir im Internet. Sie verändern sich von Tag zu Tag, manchmal von Stunde zu Stunde."
GPS, Erdbebenwellen, Radarsatelliten, Sensoren, die die Temperatur der heißen Quellen und des Untergrunds messen, die Zusammensetzung der vulkanischen Gase und Wässer: Weil sich der schlafende Riese immer wieder mit Bebenschwärmen und Geländedeformationen in die öffentliche Aufmerksamkeit manövriert, wird Yellowstone inzwischen intensiv überwacht. Doch noch gibt es keine Anzeichen für ungewöhnliche Aktivität. Heasler:
"The Yellowstone volcano is not expressing any unusual vital signs right now."
Im Lauf von 17 Millionen Jahren ließ der Hotspot bei Super-Eruptionen rund 140 Calderen einbrechen. Der jüngste Ausbruch dieser Art liegt 640.000 Jahre zurück. Wann wird Yellowstone sich wieder regen? Um dieser Frage nachzugehen, erstellten Geophysiker mit Hilfe der seismischen Tomographie ein recht genaues Bild des Geschehens unter Yellowstone. Dabei liefern Erdbebenwellen die Informationen darüber, was sich viele Kilometer tief im Inneren der Erde abspielt. Bob Smith:
"Nach allem, was wir wissen, ist Yellowstone mit seinen rund 100 Kilometern Größe an der Oberfläche nur ein winziges Phänomen auf einer sehr viel größeren Anomalie im oberen Erdmantel, die 480 Kilometer weit wird und weit über Yellowstone hinausreicht."
Die Tomographie verrät, dass Yellowstone aus zwei Teilen besteht:
"Der Vulkanismus stammt aus einem flachen Reservoir in der Erdkruste, das auch die Hitze für die Geysire liefert. Diese Magmakammer ist sehr flach, liegt zwischen zehn und 20 Kilometern Tiefe. Sie bekommt wahrscheinlich konstant Nachschub vom eigentlichen Plume, der aus dem Erdmantel aufsteigt. Seine Oberfläche liegt in rund 80 Kilometern Tiefe, also mindestens 60 Kilometer tiefer als die Magmakammer selbst."
Diese Magmakammer ist ein schwammartiges Gebilde aus festem Gestein mit zehn oder 15 Prozent Schmelze. Dass sie so flach ist, gilt als Voraussetzung für eine katastrophale Eruption, bei der ein 50, 60, 80 Kilometer großer Einsturzkrater zurückbleibt. Beim Plume selbst gab es eine Überraschung:
"In den meisten Lehrbüchern werden Plumes als vertikale Säule dargestellt, die tief aus dem Erdmantel aufsteigt. Wir können den Yellowstone Plume derzeit bis in eine Tiefe von 700 Kilometer verfolgen - aber er ist mit etwa 60 Grad nach Südosten geneigt."
Der Grund für diese Neigung: Der Plume, der aussieht wie ein schiefer Tornado, reagiert auf die plattentektonischen Konvektionsströmungen im Erdmantel. Die neuen Hightech-Seismometer erlauben es zudem, die Temperatur des Plumes unter Yellowstone einzugrenzen. Bob Smith:
"Wir haben den Plume von Yellowstone mit anderen Plumes verglichen, dem von Island, Hawaii oder der Eifel. Und dabei ist herausgekommen, dass seine Temperatur im Vergleich zu Island oder Hawaii niedrig ist."
Eine weitere Überraschung enthüllten elektromagnetische Messungen, die im Rahmen des Earth-Scope-Projekts durchgeführt wurden, mit dem der gesamte Untergrund der Vereinigten Staaten durchleuchtet wird. Michael Zhadanov von der University of Utah:
"Ich habe die Daten der magnetotellurischen Stationen interpretiert. Diese Stationen messen die elektromagnetischen Felder, die durch den Einfluss der Sonne auf die Magneto- und Ionosphäre der Erde entstehen."
Die Längstwellen, die dabei entstehen, dringen Hunderte von Kilometern in den Untergrund ein und liefern Informationen über die tiefen geologischen Strukturen, erklärt Michael Zhadanov, während er in seinen Unterlagen eine spezielle Abbildung sucht. Auf ihr ist der geneigte Plume zu sehen - und eine rote Zone, die ihn wie ein Schal umgibt:
"Wir fanden in 200 bis 250 Kilometern Tiefe einen bananenförmigen, sehr leitfähigen Körper. Diese rote Zone hier, das ist das leitfähige Material. Die physikalisch einzig mögliche Erklärung ist, dass wir es mit einem heißen, teilweise geschmolzenen Material und salzhaltigen Wässern zu tun haben. Die erhöhen die Leitfähigkeit noch."
Den eigentlichen Plume umgibt also eine weite Hülle aus teilgeschmolzenem Gestein vermischt mit heißer Sole. Das bedeutet, dass der Zufluss von Magma unter Yellowstone vermutlich größer ist als gedacht. Zhadanov:
"Wir haben das mit Geologenkollegen diskutiert, und die waren von unseren Ergebnissen begeistert. Es bestätigt ihre Hypothese, dass sich bei einem Plume von Zeit zu Zeit Teile lösen und durch den Erdmantel zur Oberfläche steigen - und das ist dann der Supervulkanausbruch."
Yellowstone ist keineswegs der einzige Supervulkan: Allein in den vergangenen zwei Millionen Jahren hat sich beispielsweise auch der Taupo auf Neuseeland in die höchste Klasse der Vulkanausbrüche gesprengt, das Long Valley in Kalifornien - und vor allem der Toba auf Sumatra. Sein Ausbruch vor 75.000 Jahren war noch etwas größer als der größte von Yellowstone. Unter Toba steckt allerdings kein Plume -.Es gibt mehr als einen Motor für einen Supervulkan.
Die La Hardy Stromschnellen am Yellowstone River. Im Sommer, wenn die Sonne heiß brennt, sind die Tische und Bänke im Schatten des Waldes ein beliebter Picknickplatz. Jetzt gehören sie den Eichhörnchen. Für Geophysiker hat diese Stelle eine ganz besondere Bedeutung, erzählt Peter Cervelli:
"Als die Kollegen hier die Verformungen des Untergrunds gemessen haben, stellten sie fest, dass die höchsten Hebungsbeträge immer genau hier auftraten, an den La Hardy Stromschnellen. Wenn Sie also nur einen Schnappschuss der Deformationen messen sollen, dann wären Sie hier, wo wir sitzen, genau richtig."
Das hat nichts mit den Stromschnellen zu tun, sondern damit, dass sich der Fluss sein Bett an dieser Stelle entlang der Achse zwischen zwei besonderen Zonen gesucht hat: dem Sour Creek Dome und dem Mallard Lake Dome. Beide Hügel entstanden, weil unter ihnen die Magmakammer sozusagen "Finger" aus geschmolzenem Gestein nach oben streckte und die Erdkruste aufwölbte. Falls Yellowstone wieder explodiert, gelten diese beiden Dome als potentielle Ausbruchszentren. Cervelli:
"Meiner Meinung nach kennt niemand die genauen Ursachen dieser Bewegungen des Untergrunds. Es könnte sein, dass frisches Magma in die Magmakammer gepresst wird oder dass das Magmavolumen gleich bleibt, aber mehr Gas austritt und sich anreichert. Oder dass die Temperatur des Untergrunds variiert und sich die Kruste ausdehnt, weil es wieder einmal wärmer wird. All das ist als Ursache der Hebungen und Senkungen vorgeschlagen worden."
Die Forschung in Yellowstone soll Klarheit bringen - denn um Vorhersagen über Ausbrüche zu wagen, muss man den "Drachen" verstehen. Der Theorie zufolge beginnt ein Supervulkanausbruch, wenn in einer monströsen Magmakammer von vielen Kilometern Durchmesser Magma so weit aufsteigt, dass erste Risse zur Oberfläche durchschlagen. Über die dringt glutflüssiges Gestein auf: Die Austrittsstellen reißen auf, vereinen sich zu einem Ring, Asche und Gas schießen heraus. Die Erdkruste über der Magmakammer verliert den Zusammenhalt, stürzt ein. Der Kollaps presst noch mehr Lava und Gas heraus. Zurück bleibt ein gigantischer Einsturzkrater. Bob Smith:
"Bei Yellowstone denken die Leute an diese drei gewaltigen Eruptionen vor 2,1 Millionen Jahren, vor 1,3 Millionen und vor 640.000 Jahren, die zu den schwersten Vulkanausbrüchen überhaupt gehören. Sie vergessen, dass es allein seit dem jüngsten Superausbruch 50 oder 60 kleinere Eruptionen gegeben hat, die so heftig werden konnten wie die des Pinatubo 1991."
Diese Zwischeneruptionen können mit der Zeit die riesigen Calderen wieder füllen.
"Diese kleineren Ausbrüche sind sehr viel häufiger, ereignen sich alle paar tausend Jahre. Der letzte von dieser Art war vor 70.000 Jahren, so dass manche sagen würden, dass wir überfällig sind. Aber ich möchte diesen Ausdruck nicht verwenden."
Weil Supervulkanausbrüche so selten sind, steht Yellowstone eher wegen dieser vergleichsweise kleinen Ausbrüche unter Observation. Die sind nämlich keineswegs harmlos, können weite Landstriche verwüsten: In der Summe gesehen setzen sie über wenige zehntausend Jahre hinweg ähnliche Volumina an Magma frei wie die großen. Smith:
"Wir nehmen an, dass die Rieseneruptionen aus einer 40 Kilometer langen Magmakammer geschehen, während die kleineren Ausbrüche nur eine wenige hundert oder tausend Meter große Quelle haben."
Um Yellowstone zu verstehen, untersuchen Geochemiker winzige Kristallsplitter aus den vulkanischen Gesteinen: Zirkone. Sie sind wie Zeitkapseln, die die Bedingungen im Moment ihres Entstehens einfrieren. Was sie zeigen: Das Material des jüngsten Supervulkanausbruchs und der vielen kleineren Ausbrüche seitdem stammt von den älteren Supereruptionen. Das Monster verdaut sich derzeit selbst.
Geochemiker hoffen, dass diese Zirkone als Warnzeichen taugen. Ihr Verdacht: Falls irgendwann in Yellowstone Lava flösse und große Mengen an frischen Zirkonen aus dem Erdmantel in ihr steckten, könnte das bedeuten, dass das System neuen Schwung holt. Denn dann müsste frisches Magma in großen Mengen vom Plume in das flache Reservoir gelangen. Peter Cervelli:
"Wir haben hier ein sehr aktives Vulkansystem vor uns, das momentan jedoch keine Lava an der Oberfläche produziert."
Peter Cervelli kommt regelmäßig mit seiner Crew ins Norris-Geysir-Becken, um die Mess-Stationen zu überprüfen. Gerade wird der Vixen-Geysir aktiv. Eine Weile wallt das Wasser wie im Kochtopf, dann schießt eine mannshohe Fontäne empor, die nach ein paar Minuten gurgelnd im Untergrund verschwindet. Heute lässt sich der kleine Geysir gefahrlos beobachten. Zwischen 2002 und 2003 war das anders. Damals schien Norris verrückt zu spielen: Geysire, die seit Jahren ruhig gewesen waren, brachen plötzlich aus, andere waren viel aktiver als zuvor, wieder andere förderten plötzlich Dampf. Im Untergrund musste etwas vor sich gehen:
"Das Norris-Geysir-Becken liegt zwar außerhalb der Caldera des jüngsten Mega-Ausbruchs vor 640.000 Jahren, aber das Gebiet ist höchst interessant: Es senkt sich, wenn sich die Caldera hebt - und umgekehrt. Warum, wissen wir nicht so genau. Wir wissen noch nicht einmal genau, warum sich Norris überhaupt verformt. Jedenfalls setzt Norris sehr viel vulkanischer Hitze frei - aber eigentlich erwarten wir eine so hohe Aktivität nur direkt in der Caldera."
Norris sei schon etwas rätselhaft. Die GPS-Daten verraten, dass Hebungs- und Senkungstrends innerhalb einer Woche wechseln können:
"Manche Forscher spekulieren, dass unter Norris ein kleiner Magmakörper ist, der mit dem Hauptkörper unter der Caldera verbunden ist - allerdings nur episodisch: Die Caldera dehnt sich aus, weil der Druck im Untergrund steigt, etwa wenn Magma eindringt. Das stößt im Untergrund auf eine Barriere, vielleicht einen alten Lavastrom, und weicht horizontal in das Norris-Becken aus. Dadurch wird die Caldera entlastet, sie sinkt, während sich Norris hebt. Norris würde dann auf etwas reagieren, was in der Caldera passiert."
Erdbeben begleiten diese Verformungen. Sie könnten wie eine Schleuse wirken, die den Magma-Fluss öffnet oder schließt. Sprecher: Erdbebenschwärme zählen bei aktiven Vulkanen zu den Warnhinweisen, denn bewegen sich im Untergrund Magmen, Flüssigkeiten oder Gase, dann ändern sich Druck und Stress auf kurze Distanz - und das löst Erdbeben aus. Mehrere Hundert spürbar starker Beben am Tag gelten als beunruhigendes Signal. Bob Smith:
"Die Schwärme tauchen auf, werden stärker und stärker wie bei einem Crescendo im Orchester, dann sterben sie nach Tagen oder Wochen ohne einen Hauptschock ab. So gab es 2008 einen Bebenschwarm am Yellowstone See. Wir betrachten diese Bebenschwärme inzwischen mehr und mehr als Indikatoren, die uns unterirdische Bewegungen von Magma oder Gas anzeigen."
"I coined the term of a living, breathing, shaking caldera."
Eine lebende, atmende, zitternde Caldera – Der "Drache" unter Yellowstone lebt. Doch welche Gefahr geht von ihm aus? Offen ist, ob der "Drache" nicht schon zu alt und kalt ist. Oder alles Verdauliche "gefressen" hat: Nach drei gigantischen Eruptionen könnte die Erdkruste nicht mehr genügend Magma liefern für einen vierten Supervulkanausbruch an gleicher Stelle.
Bricht ein Supervulkan aus, schießt eine überhitzte, schaumartige Masse aus Asche und Gas in die Stratosphäre. Hunderte von Quadratkilometern Land stürzen in die aufreißende Erde. Um sie herum brechen dunkelgraue Glutwolken aus, rasen über Berge und Täler, verbrennen und begraben alles unter sich. Vor zwölf Millionen Jahren, als der Yellowstone Hotspot die Bruneau-Jarbidge-Caldera aufriss, verbrannten und erstickten die glutheißen Aschewolken noch in 150 Kilometern Entfernung alles Leben. In Windrichtung tötete die Asche noch 1600 Kilometer entfernt - so etwa die 200 Nashörner, deren Todeskampf an einem Wasserloch unter einer dicken Ascheschicht überliefert wurde: Sie starben langsam, als die Asche ihre Lungen füllte. Die Asche begrub sie ebenso wie die Landschaft, und sie vergiftete Gras und Wasser. Peter Cervelli:
"Manche sagen: Gut, die erste Eruption von Yellowstone, bei der eine Caldera entstand, war vor 2,1 Millionen Jahren, die zweite vor 1,3 und die dritte vor 640.000 Jahren. Sie scheinen sich also alle 600- bis 700.000 Jahre zu ereignen, wir sind also dran. Aber mit nur drei Datenpunkten ist diese Aussage von der Statistik her ein wenig naiv."
Einem solchen Ausbruch entkommt nichts - nirgends auf der Welt: Der Schleier aus Schwefel-Aerosolen, der sich in der Stratosphäre bildet, lässt für Jahre die globale Durchschnittstemperatur um fünf, zehn, 15 Grad abstürzen. Außerdem greifen die Aerosole die Ozonschicht an, fressen Löcher in den Schutzschirm, machen ihn durchlässig für die harte UV-Strahlung der Sonne. Cervelli:
"Wenn so etwas heute passieren würde? Ausbrüche, bei denen Calderen entstehen, laufen sehr schnell ab: Innerhalb weniger Tage, nicht über Monate oder Jahre."
Die Analyse winziger Luftblasen, die vor 760.000 Jahren in Quarzkristallen der Long-Valley-Eruption in Kalifornien gefangen wurden, verrät, dass dieser Supervulkan seine gewaltigen Tufflagen binnen zehn, höchstens 100 Stunden gefördert hat. In einer Welt mit sieben Milliarden Menschen wäre die Katastrophe unvorstellbar. Cervelli:
"Ist es möglich, dass Yellowstone irgendwann noch einmal ausbricht? Das halte ich sogar für sicher. Allerdings muss das keine große Eruption sein, bei der eine Caldera entsteht. Das Magmasystem unter Yellowstone ist jedoch immer noch aktiv, und es zeigt keine Anzeichen von Schwäche. Es würde mich sicherlich nicht überraschen, wenn wir in der kommenden Million Jahre eine weitere Supereruption erleben."