Musik wie diese mit dem Namen "Baba Karam": Darauf tanzen viele Iraner sehr, sehr gerne berichtet Modjgan Hashemian. Die Berliner Tänzerin und Choreografin hält per Mail und Facebook engen Kontakt zur Heimat ihrer Eltern, mindestens ein oder zwei Mal im Jahr ist sie dort, vor allem in Teheran.
"Es wird unheimlich viel getanzt, auf Hochzeiten oder auch Privatpartys, nicht nur im Untergrund, sondern auch auf öffentlichen Bühnen."
Doch Tanzen ist im Iran ein riskantes Vergnügen. Offiziell sei Tanzen zwar nicht verboten sagt Modjgan Hashemian, doch regelmäßig gebe es deswegen Konflikte mit den Behörden:
"Es ist ganz unterschiedlich, es ist eigentlich unberechenbar, man weiß nie so richtig – es ist ja auch nicht wirklich ausgesprochen – das sind jetzt so diese Gesetze und daran müsst ihr euch halten, sondern es ist je nach dem."
Eine Tanztheateraufführung von "Othello" sei beispielsweise mehrfach unbeanstandet im Teheraner Stadttheater gelaufen, bis die BBC darüber berichtete, dann schritten die Behörden ein, so Modjgan Hashemian. Sehr oft werde Tänzerinnen vorgeworfen, dass sie die Bekleidungsvorschriften nicht korrekt einhielten, beobachtet Hashemian, weniger Schwierigkeiten hätten dagegen Tanzgruppen, die nur Folklore-Tänze aufführten oder in denen sich Frauen und Männer nicht mischten. Jüngster Höhepunkt der staatlichen Tanzphobie waren im Mai Verhaftungen nach einem Tanzvideo, das im Internet zu sehen war.
Verstoß gegen die Sittlichkeits- und Moralgesetze
Zu diesem Hit von Pharell Williams hatten ein paar junge Iraner und Iranerinnen gemeinsam getanzt und ein vierminütiges Video davon online gestellt. Sechs von ihnen wurden verhaftet. Der Vorwurf: Verstoß gegen die Sittlichkeits- und Moralgesetze. Alle kamen auf Kaution frei und bedauerten ihr Verhalten öffentlich im staatlichen Fernsehen. Trotzdem müssen sie mit juristischen Verfahren rechnen.
"Sicher muss man das verurteilen, das war eine idiotische Entscheidung diese jungen Leute festzunehmen, wer immer von den iranischen Behörden die getroffen haben mag und sie wurden ja auch nach wenigen Stunden wieder frei gelassen. Aber die Art wie man dieses Thema in den westlichen Medien behandelt, das trägt ja auch zur Diabolisierung des Irans bei. Man sieht nur die dunklen Seiten, das, was nicht geht", kommentiert Afshin Ghaffarian.
Er gehört zu den Iranern, die unter der eingeschränkten Möglichkeit im Iran zu tanzen besonders leiden. Denn der 27-Jährige stellte während seines Studiums in Teheran fest, dass er professioneller Tänzer werden möchte. Der Film "Wüstentänzer" erzählt seine Geschichte, wie er sich mit Hilfe von Internetvideos selbst das Tanzen beibringt, heimlich eine Tanzkompagnie gründet und mit ihr vor ausgewähltem Publikum in der Wüste auftritt. Doch als authentischen Film, der seine Lebensgesichte eins zu eins abbildet, sieht er den "Wüstentänzer" ganz und gar nicht:
"Nein, Wüstentänzer' ist ganz sicher kein Dokumentarfilm über mein Leben. Das bleibt eine Fiktion, selbst wenn sie auf einer wahren Geschichte basiert: Mein Leben basiert nicht auf dem Film. Ich kann mein Leben und meine Erfahrung im Iran nicht auf das reduzieren, was der Film darstellt."
Tanz ist im Iran ganz automatisch ein Politikum
Besonders bei den Umständen seiner Flucht geht die Darstellung auseinander. Während der Film sie als mutigen Akt des politischen Widerstands und des persönlichen Freiheitswillens auf offener Bühne zeigt, erklärt Afshin Ghaffarian im Interview eher prosaisch, warum er sich bei einem Gastspiel seiner Theatergruppe in Deutschland ins Exil nach Frankreich abgesetzt habe.
"Pour voyager."
Er wollte reisen, sagt Ghaffarian. Tatsächlich lebt der Iraner nun seit 2009 in Paris und hat dort eine neue Tanzkompagnie gegründet. Dass Tanzen im Iran verpönt ist, mit Prostitution, Nacktheit und Vulgärem in Verbindung gebracht wird, sei nicht auf das schiitische Mullah-Regime zurückzuführen. Das sei auch keine religiöse oder politische, sondern eine gesellschaftliche Frage:
"Da spiegelt die politische Ebene einfach nur die iranische Gesellschaft wider. Früher war es andersrum: Da sollte eine Tanzform etabliert werden, die hier nicht verwurzelt ist. Es gab zwar ein Nationalballett vor der islamischen Revolution, aber das bedeutet nicht, dass Tanz hier besonders geschätzt wurde."
Die Berliner Tänzerin Modjgan Hashemian sieht das ganz anders. Im Iran sei Tanz ganz automatisch ein Politikum, selbst wenn die Tänzer das gar nicht wollten. Sie kennt viele Varianten der Unterdrückung von staatlicher Seite: etwa die Zensur, die jede Inszenierung genehmigen muss. Oder eine Choreografin, der sämtliche Fördergelder gestrichen wurden, was einem Berufsverbot gleichkomme. Oder ein Tänzer, der nach Deutschland ins Exil floh, nachdem er Strafen für eine nicht genehmigte Gastspielreise ins Ausland fürchten musste. Meist seien die Sanktionen psychischer Art, Schikanen, Einschüchterung eher als Folter oder Inhaftierung, so Modjgan Hashemian.
Improvisierte Tanzszene
Dennoch gebe es eine lebendige Tanzszene im Iran, die durch die schwierigen Umstände und die notwendige Improvisation auch ganz eigene Tanzformen hervorbringe. Sie selbst gibt in Teheran immer wieder inoffizielle Tanz-Workshops.
"In dem Moment, wo wir im Raum stehen und anfangen zu tanzen, vergisst du alles, da denkst du nicht an das Tanzverbot, sondern ans Tanzen!"
Doch davor und danach, gibt es sie schon, die subtile Angst, dass die Behörden das mitbekommen.
"Ich habe es Gott sei Dank noch nicht erlebt, aber sicherlich würde es Schwierigkeiten geben. Dass ich vielleicht nicht mehr ausreisen kann. Das ist so meine größte Sorge, dass sie mir den Pass abnehmen."
Trotzdem kann Modjgan Hashemian sich vorstellen, im Iran zu leben und zu arbeiten. Vor allem würde sie gerne ihre Stücke dort zeigen, die das iranische Tanzverbot teilweise sogar thematisieren. Und auch Afshin Ghaffarian träumt inzwischen davon, bald in seine Heimat zurückzukehren:
"Ich würde mit meiner Arbeit gerne eine ernsthafte Debatte darüber anstoßen, was Tanz eigentlich genau bedeutet, jenseits der üblichen Polemik und Klischees, welchen Platz der Tanz im Rahmen der iranischen Gesetze haben kann."