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Tanzberserker inszeniert Maler

Im Juni 1944 wurde der Maler Felix Nussbaum nach Auschwitz deportiert und ermordet. Das ist ein erzählerischer Stoff für den Tanzberserker Johan Kresznik - sinnenstark und gut mitvollziehbar bringt das Stück den Menschen Felix Nussbaum nahe.

Von Andreas Berger |
    Gleich das erste Bild zeigt die Duschen von Auschwitz. Hier wurden der Maler Felix Nussbaum und seine Frau Felka 1944 umgebracht. In Johann Kresniks Inszenierung kommt zunächst tatsächlich Wasser aus der Brause. Hier entkleiden sich die eben durch den Zuschauerraum gezogenen Juden, dargestellt von einem Bewegungschor aus Osnabrücker Bürgern. Als still duldende Masse geben sie dem Stück die menschlich konkrete Atmosphäre. Als Reihe nackter Kreaturen, die im Hintergrund einer dem anderen trostsuchend den Kopf in den Nacken legen. Als amorpher Leichenberg, aus dem der Nazi-Scherge steigt und die verängstigte Felka zwingt, ihren Namen und Herkunft immer noch lauter zu wiederholen. Und lange lässt er das S im Wort Gas nachzischen.
    Mit so kleinen perfiden Ideen charakterisiert Kresnik das selbstherrliche, menschenverachtende Wesen der Nazis. Sie gehen fast mehr unter die Haut als die großen Tableaux, die Kresnik natürlich auch wieder liefert: Um die Dekadenz der Nazis zu zeigen, schminkt sich mal wieder ein Scherge auf schwul, die Bedienung muss sich mit dem nackten Hintern in die Torte setzen, die Häftlinge werden mit Kot und Urin gedemütigt.

    Autor Christoph Klimke folgt mit seinem Text weitgehend den Bildern und überlieferten Aussagen Nussbaums. Das gibt einerseits einen dringlichen Einblick in dessen Lebensverzagtheit und apokalyptische Gedankenwelt. Andererseits wird seine Biografie so eher erzählt als in dramatischen Szenen erschlossen. Ein Rückblick aus der Todesbaracke im Zeitraffer. Seine Kindheit in Osnabrück, die Maler-Erfolge in Berlin, seine Flucht nach Ostende und Brüssel, die Internierung in Südfrankreich und Auschwitz.

    Kommt ein neuer Weggefährte ins Spiel, muss er mit Namen begrüßt werden. Da lässt einer einen Strick zur Flucht über die Mauer des französischen Lagers, und Nussbaum erklärt, ach das sei ja Georg Meyer, sein Banknachbar aus der Elementarschule.

    Doch Kresnik verdichtet Klimkes Textgerüst immer wieder in packenden Bildern. Wenn aus dem schwarzen Schreibtischberg, der schon einige nackte Leichen unter sich birgt, plötzlich die Nazis in weißer Unterwäsche hervorspringen und mit harten Stockschlägen und Schreien ihren Takt der Gewalt in die Welt hämmern. Oft stellt er dabei Bilder Felix Nussbaums nach. So sein letztes Gemälde, "Triumph des Todes", einen Totentanz aus Masken und ausgemergelten Körpern.

    Das entspricht zugleich den Bildbeschreibungen, die Matthias Walter als Nussbaum wie Visionen herausschleudern soll. Sie sind düstere Analysen seiner Zeit, durchsetzt mit Prophezeiungen, die leider allzu wirklich wurden. Walter dürfte der Stimme des Rufers in der Wüste noch expressivere Töne hinzufügen. Und doch soll er wohl so strahlend schön und unsterblich aus dem Chaos glänzen.

    Zwei Obsessionen beherrschen ihn: Todesangst, verkörpert in Frau Niemand, die Julia Köhn im grünen Wolleschal leider ganz undämonisch spielt. Und Sexualität, verkörpert in seiner Gefährtin Felka. Die zarte Andrea Casabianchi weiß ihn so immer wieder rettend auf die Erde zu ringen. Aber irgendwann hilft auch Sex nicht mehr. In Nussbaums Doppelbildnis steht ihr Fuß blockierend auf seinem. Ihretwegen unterbleibt die letzte Flucht. Aus den Brausen von Auschwitz kommt nun Gas, und Rauch und Brandgeruch erfüllt den Osnabrücker Zuschauerraum.

    "Wenn ich auch gehe, lasst meine Bilder nicht sterben", bat Nussbaum. Osnabrücks Felix-Nussbaum-Museum bewahrt sie. Dank Johann Kresniks atmosphärischer Umsetzungen sind sie auf der Bühne lebendig geworden.

    Als Zeitgeschichte und als Obsessionen viel grundsätzlicherer Art. Sinnenstark und gut mitvollziehbar bringt das Stück so auch den Menschen Felix Nussbaum nahe.