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Targeting mit "nugg-add"
Den Verbraucherwünschen auf der Spur

Smartphones, Restaurants, Sexspielzeug: Im Internet wird für alles geworben. Um die Werbung zielführend an den Kunden zu bringen, beauftragen viele Unternehmen sogenannte Targeting-Firmen. Europas größte Targeting-Plattform ist derzeit nugg.ad. Ihr Erfolgsrezept: Daten sammeln, ohne den Datenschutz zu verletzen.

Von Simone Miller |
    Eine Hand bedient eine Computermaus.
    Nutzerdaten sind goldwert: Nugg.ad aus Berlin weiß, was Kunden wollen. (AFP / Robyn Beck)
    Keine Produktionshalle, keine Ladenfläche, kein Servicepoint, noch nicht einmal ein Serverturm ist zu sehen. Wer durch die Kölner Firmen-Räume von nugg.ad wandelt, wird kaum erraten können, was hier produziert wird: Zu sehen sind nur weiße Büros vor großzügigen Fenstern – sparsam, aber bewusst bestückt.
    So ungreifbar modern wie seine Räume sind auch seine Produkte, denn: Nugg.ad ist ein durch und durch virtuelles Unternehmen. Ein bisschen nebulös kommt es sogar seinem Gründer Stefan Noller vor:
    "Was meine Firma macht, ist ja im Prinzip eine Dienstleistung in der Wolke, in der Rechnerwolke. Das heißt, irgendwelche Rechner berechnen Werte und Kennwerte von Usern, die im Internet rumsurfen und helfen, dass passendere Werbung eingeblendet wird."
    Passgenaue Werbung
    Nugg.ad ist Europas größte Targeting-Plattform. Und Targeting heißt im Grunde nichts anderes als "Zielbestimung". Was nugg.ad macht, lässt sich ganz gut an seinem Namen verdeutlichen. Im wortwörtlichen Sinn referiert nugg.ad auf den englischen Goldklumpen, den Nugget. Nugg.ad, die Firma, bietet eine Technologie, die es einem Hersteller erlaubt, diejenigen Internetnutzer aufzuspüren, die mit großer Wahrscheinlichkeit an seinem Produkt interessiert sind. Und die sind für einen Anbieter natürlich Gold wert.
    Um die potenziellen Käufer im Netz also ausfindig zu machen, erhebt, speichert und gruppiert nugg.ad das Verhalten von Internetnutzern und entwickelt so zielgruppenspezifische Online-Werbestrategien für seine Kunden – ganz gleich ob es sich dabei um Nudeln, Autos, Styling-Produkte oder Spendenkampagnen handelt.
    Goldgräber und Prophet
    Nugg.ad stellt aber nicht nur fest, nugg.ad prophezeit auch – das Unternehmen ist nämlich Spezialist auf dem Feld des sogenannten vorhersagenden Targeting:
    "Das ist die Idee, dass man nicht nur misst, was jemand konkret macht, also war ich auf einer Schuhwebseite oder auf einer Reisewebseite und so weiter, sondern dass man versucht mit intelligenteren Verfahren rauszufinden, was man in Zukunft vielleicht machen wird oder wofür man sich interessieren könnte, obwohl es nicht offensichtlich ist."
    Wer sich zum Beispiel häufig auf Kulturwebseiten herumtreibt, wird statistisch gesehen mit großer Wahrscheinlichkeit einen hohen Bildungs- und Einkommensgrad haben, wer gleichzeitig für seinen Urlaub nach einem Familienferienhaus sucht und dann noch an Aftershave für Männer interessiert ist, dieser jemand könnte dann auch an einem Familienauto interessiert sein – wahrscheinlich eher an einem in blau.
    Das rauszufinden, ist mehr als virtuelle Spielerei, denn:
    "Bestimmte Autos können sich nur Leute mit einem bestimmten Einkommen leisten, dann ist es schlicht Verschwendung, wenn sie die Werbung jemandem zeigen, der es sich sowieso nicht leisten kann oder Haarcoloration jemandem anbieten, der keine Haare auf dem Kopf hat, lauter solche Geschichten. Da braucht man gar nicht Werbetheorie studieren – das ist ein relativ offensichtlicher Bedarf."
    Ein lohnendes Geschäft
    Ein Bedarf, der die Firma innerhalb von neun Jahren von vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf heute 80 hat wachsen lassen. Seinen Hauptsitz hat nugg.ad in Berlin, kleinere Standorte sind über ganz Europa verteilt.
    Stefan Noller war in seinen 30ern, als er nugg.ad 2006 gegründet hat. Von Haus aus ist er Diplompsychologe, hat im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion geforscht, bevor er sich für die Unternehmensgründung entschieden hat.
    In welchem Bereich sich der Umsatz von nugg.ad heute bewegt, darüber bewahrt Stefan Noller lieber Schweigen, nur so viel: "Wildes Wachstum, lange Jahre."
    "Auch wenn ein Geheimdienst zu uns käme, haben wir keine verwertbaren Daten"
    Was aber bedeutet das Targeting von nugg.ad aus Sicht der Internetnutzer? Die Technologie von nugg.ad funktioniert über ein Cookie – und dieses nugg.ad-Cookie befindet sich auf mehreren Tausend Webseiten. Über die IP-Adresse eines PCs vollzieht es nach, wie sich eine Person auf diesen Webseiten bewegt. Daraus wird ein ein Profil mit bis zu 300 Merkmalen erstellt, allerdings eines, das keinen Rückschluss auf die konkrete Person zulässt, beteuert Noller:
    "Das Ziel ist, dass die Information nie so genau ist, so feingranular, dass ich über die Kombination der Merkmale sagen kann: Das kann nur diese eine Person sein. Das wäre ein sogenannter indirekter Personenbezug, den wir dann herstellen könnten."
    Und den verbieten die Datenschutzbehörden. Die untersagen es auch, als sensibel geltende Merkmale überhaupt zu erheben:
    "Schwangerschaftsmode zum Beispiel. Wir hatten mal einen Kunden, der wollte das haben, und dann haben die Datenschutzbehörden gesagt, das geht auf gar keinen Fall. Gesundheitsdaten gelten als besonders schützenswertes Datenmerkmal, dürfen wir nicht machen. "
    Und eine Art virtuelle Gewaltenteilung sorgt dafür, dass die User nicht doch enttarnt werden. Eine dritte Firma entfernt die echten IP-Adressen, so dass die Daten, mit denen nugg.ad arbeitet, nicht auf die Person rückführbar sind, von der sie stammen:
    "Auch wenn ein Geheimdienst zu uns käme, haben wir keine verwertbaren Daten, weil sie sozusagen gar nicht erst erhoben werden, die IP-Adresse darf auch nicht gespeichert werden, auch nicht bei der anderen Partei. Die andere Partei darf wiederum die Daten nicht speichern, so dass nie an einer Stelle die getrackten Daten und die IP-Adressen zusammen auch nur gespeichert werden können, ergo kann auch kein Missbrauch damit passieren."
    Positives Beispiel im Bereich des Daten-Trackings
    Damit ist nugg.ad aus Nutzer-Sicht ein positives Beispiel auf dem Feld des Daten-Trackings. Denn nicht alle Unternehmen, die tracken, anonymisieren die erfassten Daten auch. Google zum Beispiel setzt teilweise Cookies ein, die den Nutzer eindeutig identifizieren können. Für Tracking-Firmen und darunter auch nugg.ad jedenfalls kommt die NSA-Diskussion da gar nicht so ungelegen:
    "Wenn man sich heute anguckt, was die NSA und Nachrichtendienste speichern und auslesen und zugreifen, selbst die nicht so weißen Schafe in der Industrie haben kleinste Bruchteile von Informationen, dessen was die NSA aufzeichnet. Das rückt das sozusagen in eine andere Dimension."
    Und so wendet sich Stefan Noller erst mal ganz beruhigt seinem nächstem Kunden zu – ein Anbieter von veganen Lebensmitteln. Wofür dessen Kunden sich wohl noch so interessieren? Vielleicht für Eiweiß-Shakes, Stoffschuhe, Naturkosmetik und Zugreisen?