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Tarifkonflikt bei der Bahn
"Völlig überflüssig, wieder von Streik zu reden"

Für ihn sei die Streikandrohung eine Attitüde der GDL, sagte der Personalvorstand der Bahn, Ulrich Weber, im DLF. Dass sich die Bahn auf getrennte Gespräche mit den beiden konkurrierenden Gewerkschaften EVG und GDL eingelassen habe, sei nur die zweitbeste Lösung und extrem mühsam - er appellierte an die beiden, sich wieder an einen Tisch zu setzen.

Ulrich Weber im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutsche Bahn AG.
    Ulrich Weber, Personalvorstand der Deutsche Bahn AG. (Imago / Sven Simon)
    Dass die beiden maßgeblichen Gewerkschaften sich schwer miteinander tun, sei das Problem, sagte Ulrich Weber. So käme nun dem Arbeitgeber die Rolle zu, einheitliche Tarifbedingungen für alle Mitarbeiter - zu denen sich auch die GDL bekannt habe - herauszuarbeiten. Vernünftige, zielgerichtete, respektvolle Verhandlungen und eine Anerkennung dieser komplexen Situation, erwartet Ulrich Weber deshalb auch von der GDL in den weiteren Verhandlungen.
    Deshalb empfindet Weber eine Streikandrohung durch die GDL für wenig hilfreich. Er fände es völlig überflüssig, wieder von Streik zu reden. Für ihn sei das eine Attitude der GDL, die sich immer schwer damit tue, am Verhandlungstisch Kompromisse auszuloten, und die glaube, auf anderen Wege erfolgreicher zu sein. Dies sei allerdings nicht belegbar.
    Weber hofft, dass die beiden Gewerkschaften in Zukunft zumindest parallel koordinierte Verhandlungen führen. Die Bahn habe an beiden Fronten zu kämpfen, die EVG sei zum Beispiel auf die durch die GDL ausgehandelte Einmalzahlung von 510 Euro für ihre Mitglieder, die die Bahn natürlich auch der EVG angeboten hätten, nicht eingegangen. Die EVG habe auch ihre eigenen Positionen und sei nicht unbedingt ein leichterer Verhandlungspartner.
    Zwar hatte der Chef der Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, für Ende Januar weitere Streiks angedroht. Er zeigte sich zuvor in einem Beitrag im Deutschlandfunk aber zuversichtlich: "Es wird sicherlich an der einen oder anderen Stelle im Verhandlungswege noch klemmen. Aber wir haben die unsäglichen Diskussionen um Vorbedingungen vom Tisch und das ist die entscheidende Botschaft." Die GDL und die Bahn hatten sich vor Weihnachten darauf geeinigt, dass die GDL auch für andere Berufsgruppen als den Lokführern verhandeln dürfe - und sie schloss einen Tarifvertrag ab.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Tobias Armbrüster: Heute gehen die Gespräche zwischen Bahn und GDL also weiter. Für die Bahn ist wie immer Personalvorstand Ulrich Weber mit dabei. Schönen guten Morgen, Herr Weber.
    Ulrich Weber: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Weber, Ihr Unternehmen ist der GDL - wir haben es gerade gehört - schon sehr entgegengekommen mit dem Zugeständnis, dass die Gewerkschaft für alle Bahnangestellten verhandeln darf. Muss jetzt die GDL endlich mal ein Zugeständnis machen?
    Weber: Na ja, die Verabredung zu akzeptieren, dass die GDL auch für andere Mitarbeitergruppen als die Lokomotivführer verhandelt, war ja verbunden mit dem Anerkenntnis der GDL, dass unser Ziel bleibt, einheitliche Regelungen für diese Berufsgruppen zwischen beiden Gewerkschaften zu erreichen. Und da erwarte ich schon, dass die GDL uns in dieser Absicht unterstützt, weil sie letztlich selbst sagt, es kann nicht sein, dass für ein und dieselbe Arbeitnehmergruppe beispielsweise unterschiedliche Arbeitszeiten gelten.
    Armbrüster: Was muss die GDL denn da tun? Sie ist ja offenbar sehr zerstritten mit der anderen Eisenbahngewerkschaft, mit der EVG.
    Weber: Ja, das ist das Problem, dass die beiden maßgeblichen Gewerkschaften sich schwer miteinander tun. Und wir gesagt haben, wir versuchen, dann als Arbeitgeber die jeweiligen Forderungen so zusammenzubringen, dass im Ergebnis und unterm Strich vernünftige Regelungen rauskommen, ein Verfahren, wie es ja auch im Öffentlichen Dienst durchaus erfolgreich praktiziert wird. Wir werden gegenüberstellen, was an materiellen Forderungen in der Welt ist, um dann herauszuarbeiten, auch vor dem Hintergrund unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten, der Wettbewerbssituation, in der wir uns befinden, was dann unter dem Strich für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen herauskommen kann.
    Armbrüster: Was erwarten Sie von der GDL?
    Weber: Vernünftige, zielgerichtete, respektvolle Verhandlungen und eine Anerkennung dieser komplexen Situation.
    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, dass die GDL die betriebswirtschaftliche Lage der Bahn im Auge hat bei diesen Gesprächen?
    Weber: Das wird sich heute erweisen. Das was ich im Vorfeld höre, deutet nicht unbedingt darauf hin, aber das werden wir auch an Zahlen, Daten, Fakten belegen können.
    Armbrüster: Claus Weselsky, der GDL-Chef, der hat ja vergangene Woche schon mal klargestellt, dass die GDL Ende Januar auch ganz schnell wieder in den Streikmodus zurückkehren kann. Ist so eine Ankündigung für Sie ein zusätzlicher Ansporn?
    Weber: Streikandrohung "wenig hilfreich"
    Weber: Ich finde eine solche Ankündigung erst mal wenig hilfreich. Wir haben am 17.12. in der Sprache der GDL einen Durchbruch erzielt, nach unserer Interpretation ein Teilergebnis, haben uns für heute und für den 28. Januar zu weiteren Verhandlungen verabredet. Ich finde es völlig überflüssig, da jetzt schon wieder auch gegenüber der Öffentlichkeit von Streiks zu reden. Das macht die Leute nur unruhig und hilft in den Verhandlungen keinen Millimeter weiter. Wir brauchen Sachlichkeit und Ruhe und Vernunft und eine gewisse Diskretion.
    Armbrüster: Was, glauben Sie denn, steckt hinter dieser Drohung?
    Weber: Das ist für mich eine Attitüde der GDL, die sich immer damit schwer tut, am Verhandlungstisch Kompromisse auszuloten, die glaubt, über einen solchen Weg erfolgreicher zu sein, was sich bisher aber nicht belegen lässt.
    Armbrüster: Wie lange, glauben Sie eigentlich, kann so ein System noch funktionieren, in dem Sie es als Bahn zu tun haben mit zwei Gewerkschaften, die aus welchen Gründen auch immer partout nicht miteinander reden wollen?
    Weber: Das kann dauerhaft nicht erfolgreich sein. Wir müssen früher oder später an einem Tisch zusammenkommen. Wir müssen es schaffen, dass bei unterschiedlichen Erwartungen und Forderungen und Positionen der Gewerkschaften das gemeinsame Ziel deutlich wird. Da ist Verantwortung auf allen Seiten für das Unternehmen, für die Mitarbeiter, für die Kunden. Und das bringt uns dazu, dann auch vernünftig miteinander zu reden.
    Armbrüster: Aber Sie als Bahn haben sich ja nun mal darauf eingelassen, mit beiden zu sprechen, auch wenn beide jeweils gleiche Berufsgruppen vertreten. Sehen wir da nicht jetzt schon, dass das ein bisschen kompliziert ist?
    Weber: Na klar ist das kompliziert. Es ist ja auch die zweitbeste Lösung. Wir haben ja lange mit beiden und zum Teil ja auch miteinander darüber geredet, wie wir unsere Priorität eines Miteinanders, ich sage mal, organisieren können. Das ist ja letztendlich gescheitert an mangelnder Bereitschaft - ich glaube, ich darf sagen - insbesondere aufseiten der GDL. Die derzeitigen Diskussionen im Dezember und im Vorfeld des heutigen Tages und in der letzten Woche mit der EVG zeigen aber, dass es extrem mühsam sein wird, jetzt sozusagen jeweils unabhängige Verhandlungen mit einem gemeinsamen Ziel zu führen. Deshalb hoffe ich, dass die Überzeugung auf beiden Seiten, EVG und GDL, wächst, dass es früher oder später zu gemeinsamen, mindestens mal parallelen, koordinierten Verhandlungen kommen muss.
    Armbrüster: Höre ich da jetzt richtig heraus, Herr Weber, dass die EVG, also die größere Gewerkschaft, für Sie der durchaus angenehmere Gesprächspartner ist?
    Weber: "EVG hat ihre eigenen Positionen"
    Weber: Nein, das wollte ich nicht sagen. Die EVG hat ihre eigenen Positionen und wir ringen ja auch mit der EVG um dieses Ziel. Vielleicht haben Sie verfolgt: Wir haben mit der GDL ja eine Einmalzahlung von 510 Euro verabredet, die wir natürlich im Sinne unserer Zielsetzung auch der EVG angeboten haben, in der Erwartung, weil das ein attraktives Angebot ist, dass es relativ zügig auch mit der EVG zu einem Ergebnis kommt. Das ist in der letzten Woche noch nicht aufgegangen. Also wir haben an beiden Fronten zu kämpfen um dieses gemeinsame Ziel.
    Armbrüster: Und da sind wir genau schon beim Kern des Problems. Was machen Sie denn, wenn sich nun mal die Forderungen beider Gewerkschaften nicht in einen einheitlichen Tarifvertrag gießen lassen, wenn jetzt die EVG sagt, 510 Euro als Einmalzahlung, das hat die GDL vielleicht akzeptiert, aber für uns ist das zu wenig?
    Weber: Wir werden argumentieren. Wir werden argumentieren in der Sache und wir werden versuchen, Politik und Polemik außen vor zu lassen. Das ist mühsam, aber das muss uns gelingen.
    Armbrüster: Was würde denn passieren, wenn künftig zwei Lokführer unterschiedliche Tarifverträge hätten?
    Weber: Sie werden ja unterschiedliche Tarifverträge haben, aber es darf nichts Unterschiedliches drinstehen.
    Armbrüster: Ich meine, wenn unterschiedliche Inhalte drin wären.
    Weber: Bei unterschiedlichen Tarifverträgen droht "Spaltung der Belegschaft"
    Weber: Wenn Inhalte drin wären, die unterschiedlich sind, kann das ja nur bedeuten, dass Unfrieden entsteht, dass eine Spaltung der Belegschaft droht, weil eine einheitliche Leistung, eine gute Leistung unterschiedlich bezahlt. Das wird niemand nachvollziehen können, gerade dann nicht, wenn es davon abhängig ist, ob die eine oder andere Gewerkschaft unterwegs ist und ob er in der einen oder anderen Gewerkschaft Mitglied ist. Im Gegenteil: Ich habe eher die Sorge, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sich zurückziehen und sagen, ich guck mir das Spiel an, ich werde nicht Mitglied der einen oder anderen Gewerkschaft, sondern suche mir perspektivisch, wenn das die Zukunft wäre, das heraus, was mir am besten passt.
    Armbrüster: Herr Weber, im Laufe des Frühjahrs kommt nun wahrscheinlich das Tarifeinheitsgesetz. Das könnte der GDL ziemlich viel Wind aus den Segeln nehmen. Lohnt es sich für die Bahn, hier ein bisschen auf Zeit zu spielen, bis dieses Gesetz kommt?
    Weber: Wir haben immer gesagt, wir wollen eine einvernehmliche Lösung mit den beiden Gewerkschaften am Verhandlungstisch. Es ist immer die bessere Lösung gegenüber einem Gesetz, von dem wir nicht wissen, ob es kommt, wann es kommt, was letztendlich darin steht, ob es vor dem Verfassungsgericht angegriffen wird. Wir brauchen ja eine belastbare, zukunftsfeste Partnerschaft und die ist immer besser, wenn sie auf einem Vertrag beruht und nicht abgeleitet wird aus einem Gesetz.
    Armbrüster: Die Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL verhandeln ab heute wieder in Berlin. Wir sprachen mit Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Vielen Dank, Herr Weber, dass Sie sich die Zeit genommen haben heute Morgen.
    Weber: Gerne! Einen guten Morgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.