Archiv

Tarifkonflikt
Öffentlicher Dienst geht auf die Barrikaden

An den großen deutschen Flughäfen ist die Lage trotz vieler Annullierungen einigermaßen entspannt. Viele Passagiere haben sich offenbar auf die Warnstreiks im öffentlichen Dienst eingestellt. In Nordrhein-Westfalen traf es neben den Flughäfen auch wieder den Nahverkehr.

27.03.2014
    Warnstreik der Gewerkschaft Verdi am Flughafen Stuttgart
    Warnstreik der Gewerkschaft Verdi am Flughafen Stuttgart (dpa / Sebastian Kahnert)
    "Jetzt reicht's", hieß es auf vielen Demonstrationen. Um Druck zu machen, hat die Gewerkschaft die Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr auf die sieben großen deutschen Flughäfen ausgedehnt. Passagiere müssen sich auf Hunderte Flugausfälle einrichten. Am Frankfurter Flughafen haben Mitarbeiter der Betreibergesellschaft Fraport mit Beginn der Frühschicht um 3.30 Uhr ihre Arbeit niedergelegt. Seit Beginn des Flugbetriebs um 5.00 Uhr seien knapp 550 Starts und Landungen annulliert worden, sagte eine Sprecherin des Flughafenbetreibers. Flugreisende sollten sich schon vor Antritt der Reise von zuhause aus auf den Internetportalen der Fluggesellschaften über den Status ihres Flugs informieren, hieß es.
    Am Frankfurter Flughafen sei die Stimmung eher entspannt, berichtet Anke Petermann im DLF, obwohl sich dort mehr als 90 Prozent der betroffenen Mitarbeiter im Ausstand befinden. Aus Sicht eines Sprechers von Fraport sei man aber gut auf die Situation vorbereitet gewesen. Der reguläre Flugbetrieb könne trotzdem wohl erst im Laufe des morgigen Tages wieder eingehalten werden.
    Tausende bei Kundgebungen
    Neben dem Flughafen in Frankfurt war vor allem auch der Standort München betroffen, an dem 130 Flüge annulliert wurden. Etwa 30 Prozent der zum Warnstreik aufgerufenen Mitarbeiter haben sich dort laut Gewerkschaft Verdi an der Arbeitsniederlegung beteiligt. Ebenfalls, aber in deutlich geringerem Umfang, sind die Flughäfen in Hamburg, Berlin, Köln-Bonn und Düsseldorf betroffen.
    Bei den Nahverkehrsbetrieben ging der Ausstand den zweiten Tag in Folge weiter. In einigen Teilen Niedersachsens, sowie in den sächsischen Städten Dresden, Chemnitz und Zwickau fuhren heute zeitweise Busse und Bahnen nicht. Die größten Auswirkungen auf den Nahverkehr gab es aber in Nordrhein-Westfalen. Auf den Autobahnen gab es nach Angaben des WDR längere Staus, aber kein Chaos. Laut Verdi haben sich insgesamt 60.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes an den Warnstreiks beteiligt. In Köln, Duisburg, Bielefeld und Dortmund trafen sich Tausende zu Kundgebungen.
    Auch in Kindertagesstätten, bei Stadtverwaltungen, Jobcentern, Sparkassen und der Müllabfuhr wurde heute über ganz Deutschland verteilt gestreikt.
    Kritik kommt sowohl von den Arbeitgebern als auch vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Der Tarifexperte des Instituts, Hagen Lesch, sagte im Deutschlandfunk, erfolgreiche Tarifverhandlungen seien auch ohne Streiks möglich.
    Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, kritisierte die bundesweiten Aktionen in der "Rheinischen Post". "Die Warnstreiks sind vor dem Hintergrund der Annäherung zwischen den Tarifparteien ein überflüssiges Ritual", sagte Landsberg. Die Kommunen wüssten, dass ihre Beschäftigten Anspruch auf eine angemessene Lohnerhöhung hätten. "Dies darf aber die Finanzkraft der Städte und Gemeinden nicht überfordern, sonst besteht die Gefahr, dass wir Arbeitsplätze abbauen oder in die Privatwirtschaft verlagern müssen."
    Bsirske: Abstand bei der Lohnentwicklung verringern
    Die Warnstreiks "sollen deutlich machen, wie die Stimmungslage in den Betrieben ist", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Frank Bsirske im Deutschlandfunk. Die Beschäftigten "wollen teilhaben am wirtschaftlichen Aufschwung, es soll eine soziale Komponente geben und ich hoffe sehr, dass das auch von den Arbeitgebern verstanden worden ist". Verdi fordert eine Erhöhung der Löhne um 3,5 Prozent plus 100 Euro mehr monatlich für jeden Beschäftigten.
    Verdi-Chef Frank Bsirske bei einer Kundgebung in Potsdam am 13.03.2014
    Verdi-Chef Manfred Bsirske tourt zurzeit durch Deutschland, um für mehr Lohn für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu werben. (picture alliance / dpa / Bernd Settnik)
    Die Betroffenen hätten in den vergangenen 13 Jahren Einbußen hinnehmen müssen, sagte Bsirske. Verdi wolle erreichen, "diesen Abstand auf die durchschnittliche Tariflohnentwicklung in der Gesamtwirtschaft zu reduzieren und in absehbarer Zeit auch auszugleichen, nicht zuletzt auch im Interesse eines öffentlichen Dienstes, der attraktiv bleiben muss in der Konkurrenz um gute Arbeitskräfte". Die Gewerkschaft wolle "am Ende ein gutes Ergebnis für die Beschäftigten und dann auch wieder einen Konsens herbeiführen, der Frieden stiftet für die Laufzeit des Tarifvertrages".
    Einigung für Sicherheitskontrolleure
    Rückenwind erhielten die Beschäftigten vom Abschluss eines neuen Tarifvertrags für die privaten Sicherheitsleute an Flughäfen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gestern Abend. Auch wegen des Nachholbedarfs gegenüber anderen Tarifgebieten hat Verdi dort Lohnerhöhungen von bis zu 27 Prozent durchgesetzt. Die häufigen Streiks im deutschen Luftverkehr sind nach Meinung der Gewerkschaft Verdi eine direkte Folge der Privatisierungen in diesem Wirtschaftszweig. Als die Flughäfen noch komplett öffentlich betrieben wurden, seien für alle Beschäftigten Tarife ausgehandelt worden, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Nachdem unter anderem auf Druck der Airlines immer mehr Leistungen ausgegliedert und privatisiert worden seien, müssten viele Beschäftigte etwa im Sicherheitsgewerbe nun zu schlechteren Bedingungen arbeiten. "Dass die sich ein Stück ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen zurückholen wollen, ist klar."
    Behle kritisierte zudem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scharf. "Die größte Frechheit ist, dass de Maizière gesagt hat: "Im öffentlichen Dienst gibt es keinen Nachholbedarf." Das sehen wir komplett anders." Dass bei einem Streik auch Unbeteiligte betroffen seien, sei zwar nicht schön, aber auch nicht zu vermeiden.