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Tarifverhandlungen bei der Bahn
"Wir sind nicht auf Krawall gebürstet"

Bei den bevorstehenden Tarifverhandlungen bei der Bahn bestünden gute Chancen, dass es nicht wieder zu ausgedehnten Streiks komme, sagte Klemens Kindermann aus der Dlf-Wirtschaftsredaktion. Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, habe sich im Dlf-Interview kompromissbereit gezeigt.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Ein ICE erreicht am 05.05.2015 zur morgentlichen blauen Stunde den Hauptbahnhof von Frankfurt/Main
    Vor den Tarifverhandlungen bei der Bahn herrscht Zuversicht: Die Züge sollen weiter rollen. (dpa/picture-alliance/Christoph Schmidt)
    Jörg Münchenberg: Heute beginnen bei der Deutschen Bahn die Tarifverhandlungen für rund 160.000 Beschäftigte. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG macht den Anfang, morgen folgt dann die erste Verhandlungsrunde mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL. Was fordern denn die Gewerkschaften?
    Klemens Kindermann: Erst einmal fordern beide Gewerkschaften 7,5 Prozent mehr Geld. Das ist – verglichen mit Tarifrunden in anderen Branchen – doch eine, sagen wir, robuste Forderung. Hinzu kommen eine ganze Menge von Einzelforderungen, da geht es vielfach um die Arbeitszeit. Die EVG will zum Beispiel wieder die Wahlmöglichkeit: statt Lohnerhöhung eine kürzere Wochenarbeitszeit oder zusätzliche Urlaubstage. Die GDL will etwa, dass eine Verkürzung der Ruhezeit zwischen zwei Schichten auf weniger als zehn Stunden nicht mehr möglich ist.
    "Die Bahn macht eine große Anzahl von Fehlern"
    Münchenberg: Finanziell steht die Bahn ja nicht so gut da. Bahn-Vorstandschef Richard Lutz hat in einem Brandbrief vor zurückgehenden Gewinnen gewarnt. Wie passt dazu die Forderung der Gewerkschaften in Höhe von 7,5 Prozent?
    Kindermann: Diese Frage habe ich Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Lokomotivführer, gestellt, und er hat da eine klare Meinung:
    "Der Vorstand der Bahn wird mit Schlechtreden nie bewirken, dass wir unsere Tarifforderung zurücknehmen. Die Bahn ist auch nicht arm. Die Bahn macht wahrscheinlich eine große Anzahl von Fehlern und wiederholt sie ständig. Das müssen wir denen abgewöhnen."
    Das hört sich zunächst mal nach einer harten Verhandlungsposition an. Die Bahn hat einen Gewinnrückgang von sage und schreibe 28 Prozent im ersten Halbjahr verbucht. Wenn das im zweiten Halbjahr so weitergeht, würde das die Verhandlungen bestimmt nicht leichter machen.
    Münchenberg: Worauf müssen sich Bahnreisende einstellen?
    "Gute Voraussetzungen für unsere Kunden"
    Kindermann: Ja, das ist jetzt die gute Nachricht: Möglicherweise wird es nicht so schlimm kommen wie im Winter 2014/2015, wo viele Passagiere während der Streiks der GDL auf überfüllten Bahnsteigen bei ziemlich kühlen Temperaturen ausharren mussten. Denn: Hier im Deutschlandfunk gibt GDL-Chef Weselsky einen kompromissbereiten Ton vor:
    "Ich hoffe, dass sich Bahnreisende in diesem Winter auf eine zuverlässigere und pünktlichere Bahn verlassen können. Wir gehen als Gewerkschaft der Lokomotivführer in die Tarifverhandlungen mit dem Ziel, auf dem Verhandlungswege Erfolg zu haben. Das Ziel ist erreichbar, weil die andere Seite auch nicht auf Konfrontation aus ist, sondern auf Verhandlungsergebnisse, die im Kompromiss landen werden. Von daher würde ich zum jetzigen Zeitpunkt sagen: Wir sind nicht auf Krawall gebürstet und die Arbeitgeberseite ist es auch nicht. Also ganz gute Voraussetzungen für unsere Kunden."
    Bei der letzten Tarif-Runde gab es immerhin auch keine solche Streikwelle, sondern einen Kompromiss, zwar erst in der Schlichtung, aber immerhin. Weihnachten würde wohl der Zielpunkt für eine Einigung sein.
    Das ganze Interview mit dem Chef der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky dann hier bei uns im Deutschlandfunk in der Sendung "Wirtschaft am Mittag" ab 13.35 Uhr.