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Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst
Kollatz (SPD): "Ein Abschluss ist möglich"

Der Verhandlungsführer der Länder, Matthias Kollatz (SPD), ist optimistisch, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeber bei den nächsten Tarifverhandlungen einig werden. Die aktuellen Forderungen nach mehr Lohn und strukturellen Verbesserungen könnten die Länder allerdings nicht finanzieren, sagte er im Dlf.

Matthias Kollatz im Gespräch mit Silvia Engels |
Matthias Kollatz (SPD), Finanzsenator von Berlin und Verhandlungsführer für die Bundesländer beim Auftakt der Tarifverhandlungen Öffentlicher Dienst am 21.01.2019 in Berlin
Um alle Interessen auszubalancieren, seien mehrere Verhandlungsrunden nötig, sagte der Verhandlungsführer der Länder, Kollatz, im Dlf. Warnstreiks seien darum eigentlich "nicht erforderlich". (dpa / Kay Nietfeld)
Silvia Engels: In vielen Bundesländern sind wieder Warnstreiks angelaufen. Kliniken, Verwaltungen, Schulen, Kitas sind betroffen. Die Gewerkschaften im Öffentlichen Dienst wollen so vor der nächsten Verhandlungsrunde Druck auf die Arbeitgeber aufbauen. Am Telefon begrüßen wir den Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Er gehört der SPD an. Er ist Finanzsenator von Berlin und wir erreichen ihn am Flughafen. Guten Morgen, Herr Kollatz!
Matthias Kollatz: Ich grüße Sie.
Engels: Warum gehört es eigentlich zum Ritual von Tarifverhandlungen, dass Arbeitgeber erst nach einigen Verhandlungsrunden ein konkretes Angebot vorlegen? Denn darauf stützt sich ja im Moment diese Streikwelle, weil die andere Seite von Ihnen endlich ein Angebot will.
Kollatz: Es ist eigentlich eine Tradition in den Verhandlungen zwischen den Bundesländern und den Gewerkschaften, dass man nicht mit dem Thema Forderungen-Angebot, mit dem Ritual arbeitet, sondern dass man durch alle Punkte durchgeht und dann versucht, am Schluss ein Paket zu schnüren.
Engels: Aber muss das denn sein?
Kollatz: Deswegen machen wir immer eine Reihe von Verhandlungsrunden bereits vor Beginn der Verhandlungen aus, so auch dieses Jahr. Und diese Verhandlungsrunde, wo wir versuchen, das Paket zu schnüren, ist für den 28. Februar und die Folgetage vorgesehen. Insofern ist es so, es handelt sich um keine Abweichung von irgendeinem Plan, sondern das ist die Vereinbarung, nach der die Verhandlungen laufen.
"Aus meiner Sicht sind Warnstreiks nicht wirklich erforderlich"
Engels: Und da ist nicht zu verhindern, dass es dann auch zu Warnstreiks kommt, unter denen ja schon die Bevölkerung leidet, ohne dass irgendwas überhaupt inhaltlich passiert ist?
Kollatz: Wenn wir sagen, dass wir in den Verhandlungsrunden davor durch die themenkomplexe durchdiskutieren, passiert natürlich etwas in den Verhandlungen. Aber es ist so: Warum Warnstreiks stattfinden, fragen Sie, glaube ich, besser die andere Seite. Da wir von vornherein gesagt haben, wir sind an einer Verhandlungslösung interessiert und wollen auch auf dem Verhandlungsweg zu einem solchen Paket kommen, sind aus meiner Sicht Warnstreiks nicht wirklich erforderlich.
Engels: Dann schauen wir auf die Forderungen, die bislang bekannt sind. Die Gewerkschaften fordern ja sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro mehr pro Monat. Können Sie schon sagen, wie weit Sie davon abweichen?
Kollatz: Die Gewerkschaften haben auch in der Vergangenheit – es gibt ja durchaus immer einen gewissen Hinweis – sechs Prozent gefordert, und man hat sich dann durchaus ja irgendwo in der Mitte getroffen. Es ist dieses Mal so, zu den sogenannten linearen Forderungen haben die Gewerkschaften Forderungen über weitere strukturelle Verbesserungen, die einen Wert von vier Prozent ausmachen, erhoben. Das führt, wenn man das zusammenzählt – und die Forderungen beziehen sich ja auf ein Jahr -, zu zehn Prozent für ein Jahr. Das ist sicherlich für die Länder nicht finanzierbar und deswegen verhandeln wir.
"Am Schluss muss das Paket balanciert sein"
Engels: Strukturelle Veränderungen fordern auch die Gewerkschaften. Haben Sie da für die Hörerinnen und Hörer vielleicht einen kleinen Blick, was da im Einzelnen gefordert ist?
Kollatz: Das ist eine große Liste. Aber im Kern geht es dabei darum, dass man für bestimmte Beschäftigtengruppen – ich nehme jetzt mal den Sozial- und Erziehungsdienst – eine andere Eingruppierung oder eine deutliche Zulage erreichen will mit dem Ziel, dass es dafür dann auch eine bessere Entlohnung gibt und natürlich auch dadurch der Beruf insgesamt attraktiver wird. Wir haben von der Arbeitgeberseite auch gesagt, dass wir uns das für bestimmte Berufsgruppen vorstellen können. Insofern ist es so, dass es dem Grunde nach dort eine Gesprächsbereitschaft gibt, aber es gibt das Ringen um das Maß und das Volumen, weil am Schluss muss das Paket balanciert sein aus Sicht der Länder, weil die Länder ja nicht nur das Thema haben, dass sie ihre bisherigen Beschäftigten besser bezahlen wollen, sondern sie wollen auch neue Stellen schaffen, Leute einstellen. Sie wollen den Investitionsrückstau schrittweise abbauen und in guten Zeiten auch einen Beitrag dazu leisten, von einem sehr hohen Schuldenstand schrittweise runterzukommen. Das muss alles zusammengebracht werden.
Engels: Wenn ich es richtig verstehe, sind die strukturellen Forderungen ja vor allem auf die Besserstellung einiger bestimmter Berufsgruppen ausgerichtet, während natürlich das große Gehaltsplus, was auch zu bedienen gefordert ist, dann alle Beschäftigten betrifft. Wo wären Sie denn eher bereit nachzugeben, für einige Gruppen, die jetzt schlechter dastehen, oder soll es doch eher das ganz große Bild geben, um auch als öffentlicher Arbeitgeber wieder attraktiv zu sein?
Kollatz: Die öffentlichen Arbeitgeber sind durchaus attraktiver, als es häufig öffentlich wahrgenommen wird, weil sie ja nicht nur im quantitativen Bereich etwas bieten, sondern auch im qualitativen Bereich. Dazu zählt insbesondere eine extrem hohe Arbeitsplatzsicherheit. Aber das ist, glaube ich, auch allgemein bekannt.
Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass es, glaube ich, darum geht, eine Balance zwischen beidem zu finden. Da ist es so, deswegen sind auch die Verhandlungen durchaus schwierig. Es geht nicht darum zu sagen, entweder das eine oder das andere, sondern es geht darum, von beidem das richtige Maß zu finden, damit es ein Abschluss sein kann, der für beide Seiten tragbar ist.
Engels: Die Gewerkschaften verweisen ja auf gute Tarifabschlüsse in anderen Branchen und auf die gut gefüllten Kassen der Länder aufgrund der guten Konjunktur der letzten Jahre. Lassen Sie das gelten?
Kollatz: Ich habe ja eben schon ein bisschen was dazu gesagt. Den Ländern geht es besser, als es vor vielen Jahren der Fall war. Das ist richtig. Und die Beschäftigten sollen auch einen Anteil davon bekommen. Das ist auch richtig und das ist auch fair. Es ist aber so, dass die Länder natürlich eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben noch bewältigen müssen. Dazu gehört auch neue Stellen schaffen. Das heißt nicht nur bestehendes Personal besser bezahlen, sondern zusätzliches Personal einstellen.
Es gehört auch dazu, mehr zu investieren in die Infrastruktur des Landes, und es gehört auch dazu, in gerade guten Zeiten von den doch sehr hohen Schulden – in dem Bundesland, das ich vertrete, in Berlin sind das zum Beispiel 58 Milliarden Euro – ein Stück weit runterzukommen.
Engels: Damit haben Sie es schon anklingen lassen: Es gibt ja wohlhabende Bundesländer und Länder mit deutlich weniger Geld in der Kasse, zum Beispiel Berlin. Wie bekommen Sie eigentlich intern unter den Ländern hier einen Ausgleich hin?
Länder haben Interesse daran, "Tarifgemeinschaft zu sein"
Kollatz: Die Länder sind durchaus daran interessiert, dass es eine Tarifgemeinschaft der Länder gibt. Die Tarifgemeinschaft der Länder vertritt zum gegenwärtigen Zeitpunkt 15 Länder. Hessen ist nicht in dieser Tarifgemeinschaft der Länder. Es ist aber interessant, dass auch in der Koalitionsvereinbarung, die jetzt in Hessen neu gilt, vereinbart worden ist zu versuchen, wieder in die Tarifgemeinschaft der Länder reinzukommen.
Es gibt ein Interesse der Länder daran, Tarifgemeinschaft zu sein. Der Vorteil des Flächentarifvertrags liegt darin, dass dadurch auch die Konkurrenzsituation zwischen den Bundesländern zumindest verringert wird. Das heißt, es gibt dann weniger Anreize zu versuchen, sich gegenseitig Leute abzuwerben. Dieser Wert des Flächentarifvertrages erscheint, glaube ich, allen Ländern durchaus größer als die Nachteile, die sich aus einer heterogenen Struktur ergeben. Aber na klar: Es gibt dort eine Vielfalt und diese Vielfalt wirkt sich ja auch im deutschen Föderalismus aus. Das müssen wir in dem Flächentarifvertrag auch ausbalancieren.
Engels: Kurz zum Schluss: Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, ein Abschluss am kommenden Wochenende sei möglich. Sind Sie auch so optimistisch?
Kollatz: Das ist auf jeden Fall das Ziel, mit dem ich in diese Gespräche reingehe, und da ich ein Optimist bin, würde ich auch sagen: Jawohl, ein Abschluss ist möglich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.