Es muss sich etwas ändern im deutschen Profifußball. Das hat die Corona-Pandemie mit ihren zum Teil existenzbedrohenden Auswirkungen für die Clubs gezeigt. Doch nicht nur ligaintern gibt es Gesprächsbedarf, auch die Öffentlichkeit begleitet den Fußballbetrieb zunehmend kritisch. "Das Zeigen von Luxus-Uhren, toller Autos oder das goldene Steak, dass das so Debatten sind, die für Kopfschütteln sorgen in der Gesellschaft", meint Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD. Er ist einer von fünf Politikern und insgesamt 35 Personen, die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in eine Taskforce zur Zukunft des Profifußballs berufen wurden.
Obwohl die Liga Jahr für Jahr Rekordumsätze erzielt, gibt sich Liga-Chef Seifert im Vorfeld der Beratungen reformwillig. "Der grundsätzliche Ansatz dieser Taskforce wird es sein, einige Entwicklungen im Profifußball zu reflektieren, interdisziplinär mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen diese zu diskutieren und mögliche gangbare Wege in die Zukunft zu entwerfen."
Auch Fans vertreten
Zu diesem Expertenkreis gehören auch Vertreterinnen und Vertreter der Fans. Eine von ihnen ist Anna-Maria Hass vom Bündnis "Zukunft Profifußball", das immer wieder auf die Missstände hinweist und Veränderungen fordert. Die Corona-Krise ist der richtige Anlass dafür. "Ich glaube tatsächlich auch und das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass ein starkes Interesse für Veränderungen da ist und das ist jetzt eine Möglichkeit das zu tun."
Hass erhofft sich, dass viel von dem, was in den ersten Wochen der Corona-Zeit versprochen wurde, auch gelebt wird. Immer wieder war von Demut zu hören: Gehaltsverzicht der Profis, ein Umdenken im Alltagsgeschäft, Solidaritätsaktionen von Branchenriesen. "Wenn ich jetzt mitbekomme, wie wieder agiert wird, sobald die Stadien einigermaßen gefüllt werden können, erkenne ich diese Demut noch nicht in allen Bereichen."
Demut heißt für Anna-Maria Hass, dass der Fußball basisnah und nachhaltig agiert und nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtet ist. Das sei auch keineswegs eine utopische oder fußball-romantisierende Vorstellung. Sie ist überzeugt, "dass das der Weg ist, den Fußball, wie wir ihn in Deutschland lieben. Ich bekomme das auch immer bei Fans aus anderen Ländern mit, wo die Uhr noch fünf Minuten weitergedreht ist im Sinne der Kommerzialisierung des Sports, wie groß für die der Wert eines basisnahen Fußballs ist, gerade für Leute, die das in ihren Heimatländern nicht mehr erfahren."
Fragen zur Vorbildrolle und gesellschaftlicher Verantwortung
Natürlich wird es bei den Beratungen um viele Fragen der Kommerzialisierung und der Wirtschaftlichkeit gehen. Braucht die Liga einen Gehaltsdeckel? Wie werden die Fernsehgelder verteilt? Aber zu den insgesamt sieben Aufträgen der Taskforce gehören auch die Fragen nach der Vorbildrolle und gesellschaftlichen Verantwortung des Fußballs.
"Ich glaube nicht, dass man grundlegend etwas ändern muss, aber ich glaube, dass man grundlegend anders auf Potentiale und Herausforderungen gucken muss", sagt Tanja Ferkau. Sie wurde als Expertin für systemische Beratung eingeladen, die mit ihrer Firma für einen nachhaltigen, gesellschaftlichen Wandel eintritt. Deshalb fragt sie ganz grundlegend: "Warum essen wir immer noch Currywurst in allen Stadien? Warum wird immer noch so wenig über Mobilitätskonzepte nachgedacht? Ich glaube, da ist noch Luft nach oben."
Nachhaltigkeit, Fannähe, gesellschaftliche Verantwortung. Forderungen wie diese werden nicht nur in den Medien fleißig diskutiert, sondern auch von den Teilnehmern der Taskforce immer wieder ins Spiel gebracht. Ferkau glaubt immer noch an die enorme Vorbildfunktion des Profifußballs für die Gesellschaft, beklagt aber, dass der Fußball "das vielleicht nie so gesehen hat, dass man auch über das reine Sein und Vorleben und an zweiter Stelle durch das Verändern von Stellschrauben wirklich systemische Veränderungen hervorbringen kann."
"Ich glaube auch, dass der Fußball in Deutschland eine so grundlegende Debatte braucht", ist auch SPD-Generalsekretär Klingbeil, selbst bekennender FC Bayern-Fan, überzeugt. Auch seine Zunft werde im Verlauf der Beratungen gefragt sein, glaubt er. "Auch die Frage zum Beispiel von ausufernden Beraterhonoraren und der Rolle von Beratern im Profifußball überhaupt. Wie kann man das eigentlich regulieren? Da kommt dann irgendwann die Politik mit ins Spiel. Passiert so etwas im nationalen Alleingang? Braucht man eine europäische Lösung? Muss das innerhalb der Fußballverbände gelöst werden?"
Grundsätzliche Bereitschaft für Reformen
Doch bis die Taskforce erste konkrete Vorschläge machen kann für den gesellschaftlichen, sportlichen und wirtschaftlichen Bereich, wird es noch etwas dauern. Dass es eine grundsätzliche Bereitschaft für Reformen gibt, davon sind die Mitglieder der Taskforce überzeugt. "Ich glaube, man hätte das deutlich weniger divers besetzen wollen und mit deutlich weniger kritischen Stimmen besetzen können, wenn man überhaupt keine Reformen wollte", sagt St. Pauli-Fan Anna-Maria Hass, die vor Beginn der Arbeitstreffen aber noch skeptisch ist, wie ernst es die DFL am Ende wirklich meint. Dass sechs Fans in die Taskforce berufen wurden, sieht sie aber als positives Signal im nicht selten angespannten Verhältnis zur Liga.
Noch deutlich optimistischer blickt Beraterin Tanja Ferkau auf die anstehende Arbeit: "Ich erhoffe mir, dass diese Taskforce wirklich anders ist. Und wenn ich mir angucke, wie sie vorbereitet ist und welche Teilnehmer sie hat, glaube ich, hat diese Taskforce wirklich das Potential, echte Veränderung zu schaffen und ein bisschen mehr zu produzieren als hinterher ein Papier."
Die Entscheidung haben aber letztlich die 36 DFL-Mitgliedsvereine. Sie werden die vorgeschlagenen Maßnahmen prüfen und über mögliche weitere Schritte beraten, so DFL-Chef Christian Seifert. "Das können Statutenänderungen, das können Selbstverpflichtungen, das kann der Beschluss über mögliche Initiativen auch im europäischen Kontext sein."
Erst dann, nach diesem Abstimmungsprozess wird klar sein, ob die Taskforce "Zukunft Profifußball" mehr als ein Papiertiger ist.