Die Taube gilt als erster Vogel, den der Mensch domestiziert hat. Heute klagen Städte über zu viele Tauben an bestimmten Orten – wie zum Beispiel an Bahnhöfen. Manche Menschen sprechen von „Ratten der Lüfte“, die viel Dreck verursachen.
Die hessische Stadt Limburg machte Schlagzeilen, weil sie ihre Taubenpopulation per Genickbruch verringern wollte.
Als wesentlich tierfreundlicher und effektiver gelten Taubenschläge, in denen die Tiere artgerecht versorgt werden. Wieso betreiben nicht alle Städte ein sogenanntes Taubenmanagement? Und ist das miese Image der Stadttaube eigentlich gerechtfertigt?
Warum gibt es so viele Tauben in den Städten?
Dass so viele Tauben in unseren Städten leben, haben wir Menschen vor allem uns selbst zuzuschreiben: Denn die heutigen Stadttauben sind die Nachkommen ehemals ausgesetzter Haustiere. Sie wurden als Brieftauben genutzt oder als Delikatesse gezüchtet und gehalten. Deswegen suchen die Tiere auch heute noch die Nähe von Menschen, selbst wenn sie schon seit Generationen eigenständig und in Freiheit leben.
Nun ernähren die Tiere sich von Speiseresten und Abfall und suchen sich in Straßen ihre Brutplätze: Fenstersimse etwa kommen ihrem ursprünglichen Habitat am nächsten. Laut NABU gibt es in Deutschland geschätzt zwischen 190.000 und 310.000 Brutpaaren.
Nach Angaben der Biologin Hanieh Razawi, die sich als Freiwillige in Berlin um Tauben kümmert, legen die Tiere immer zwei Eier – etwa vier Mal im Jahr. Sie wurden so gezüchtet, dass sie sich möglichst oft vermehren.
Damit hätten sich die Menschen ein Problem geschaffen, von dem sie jetzt „genervt“ seien, betont Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund. „Und die Taube ist die, die am meisten darunter leidet.“
Muss die Anzahl von Tauben überhaupt reduziert werden?
Dass Taubenpopulationen unter Kontrolle gehalten und auch verkleinert werden müssen, bestreiten gerade Tierschützer nicht. Denn Stadttauben leben nicht nur unter schwierigen Bedingungen, was Nahrung und Brutmöglichkeiten betrifft. Es wächst auch das Risiko, dass Krankheiten von Tier zu Tier weitergegeben werden, wenn zu viele auf begrenztem Raum leben.
Zwar können Bakterien, Pilze oder Parasiten bei direktem Kontakt mit Hinterlassenschaften von Tauben auch auf Menschen übergehen. Tauben übertragen allerdings nicht mehr Krankheiten als andere Haustiere, Ziervögel oder Wildvögel, sagt Tierschützerin Hester Pommerening.
Seltene Übertragung von Krankheiten auf Menschen
So kommt es selten zur sogenannten Ornithose, die von einem Bakterium hervorgerufen wird. Das Robert Koch-Institut stellte 2019 bis 2023 pro Jahr durchschnittlich 15 Fälle fest. Allerdings können neben Tauben auch Hühner oder Papageien Überträger sein.
Ein Problem macht Städten unbestritten zu schaffen: Taubenkot. Dessen Säure greift den Stein an. Das umso mehr, wenn es sich um sogenannten Hungerkot handelt – der wiederum durch nicht artgerechte Nahrung entsteht.
Was tun Städte gegen zu viele Tauben?
Städte gehen unterschiedlich mit dem Problem zu vieler Tauben um. Sie erlassen mitunter Fütterverbote. Spikes und Netze sollen zudem die Tiere davon abhalten, an Gebäuden zu nisten. Tierschützer warnen allerdings, dass sich Tauben daran verletzen oder qualvoll sterben können.
Nach einem Bürgerentscheid in der hessischen Stadt Limburg im Juni 2024 sollte ein Falkner Tauben fachmännisch per Genickbruch töten. Das hatte deutschlandweit für Empörung gesorgt. Die Stadt will nach eigenen Angaben die auf 700 Tiere hochgerechnete Population auf rund 300 Tauben reduzieren.
Gnade für Tauben in Limburg
Mittlerweile hat sich ein Gnadenhof in Bayern bereit erklärt, 200 Tiere aufzunehmen. Nun setzt Limburg darauf, dass sich noch weitere, ähnliche Lösungen ergeben. Die Stadt argumentiert, dass während der Coronapandemie die Population zu schnell gewachsen sei – in einer wenig frequentierten Fußgängerzone voller Reste von Fast Food.
Demnach gehe es auch darum, die Innenstadt belebt zu halten, die Interessen von Menschen zu beachten und Rücksicht auf den Handel zu nehmen.
Tauben zu töten bringt nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes letztlich nichts. Die in der Stadt verbleibenden Tauben brüteten weiter. So rückten immer Neue nach.
Taubenschlag statt Tötungen
Als nachhaltig und tierfreundlich gilt dagegen ein richtiges Taubenmanagement. Dazu werden Taubenschläge aufgestellt, in denen die Tiere sicher nisten können, und in denen sie betreut und artgerecht versorgt werden.
Um die Population einzudämmen, werden Taubeneier durch Attrappen ersetzt, zum Beispiel aus Gips.
Auf diese Methode schwört auch die Berliner Biologin und Taubenschützerin Hanieh Razawi. Allerdings bekommt sie wie auch andere, die sich ähnlich engagieren, die Sparpolitik zu spüren: Berlin kürzte die für das Taubenmanagement versprochenen 200.000 Euro für 2024 weg.
Zu teuer: Das war auch das Argument der Stadt Limburg. Das Töten von Tauben ist mit rund 20.000 Euro im Jahr veranschlagt.
Städte wie Köln, Solingen, Wuppertal und Hagen testen eine weitere Möglichkeit: die Pille für Tauben. Allerdings ist die Methode wegen noch nicht ausreichend erforschter möglicher Nebenwirkungen umstritten.
Welche Erfolge erzielen Städte mit Taubenmanagement?
Basel hat dank eines Taubenmanagements die Zahl der Tiere vor einigen Jahren von 25.000 auf 8.000 senken können.
Auch Städte in Deutschland setzen auf die Methode Taubenschlag und Eiertausch. Aachen zum Beispiel ist seit Mitte der 1990er-Jahre dabei und wendet jährlich 56.000 Euro dafür auf. Die Taubenpopulation wächst nach Angaben der Stadt nicht mehr unkontrolliert, es gibt weniger Tauben im öffentlichen Raum – und die Stadt ist weniger mit dem sogenannten Hungerkot verschmutzt, der durch nicht-artgerechtes Futter zustande kommt.
Gibt es auch Nachteile des Taubenmanagements?
Wenn man Taubeneier durch Attrappen ersetzt, wirkt sich das nicht sofort aus, sondern erst in kommenden Taubengenerationen. Außerdem legt nicht jede Taube ihre Eier in Taubenschlägen ab. Diese müssen auch noch an der richtigen Stelle stehen und von den Tieren angenommen werden. Das gelingt nicht immer.
Bleibt noch das Problem der vergleichsweise höheren Kosten. Geld für das notwendige Personal fehlt oft. Selbst Aachen könnte mehr tun, finden Tierschützer dort. Die Stadt setzt auf freiwilliges Engagement. Doch es gibt ein Nachwuchsproblem unter den ehrenamtlich Helfenden: Sie kommen an ihre Belastungsgrenze.
bth