In welchem Zustand befindet sich der Permafrostboden zurzeit?
Permafrost ist nicht gleich Permafrost. Er kann im Fels auftreten, in lockeren Sedimenten oder in Böden. Er kann Hunderte Meter tief in den Untergrund hineinreichen und ist dann Tausende Jahre alt, aber er kann auch ganz flach sein. Die Temperaturen können nahe Null liegen oder aber bei minus 15 oder 16 Grad. Doch gleichgültig, wie er beschaffen ist: Überall, wo die Forscher gemessen haben, erwärmt sich der Permafrost durch den Klimawandel. Und wo er seine Temperatur nahe Null Grad liegt, dort kann er auch schon tauen. Wie schnell sich der Permafrost verändert, das hängt nicht nur von der Lufttemperatur ab, sondern auch davon, ob es durch den Klimawandel beispielsweise mehr regnet, von der Vegetation, ob es Brände gibt oder Siedlungen und Straßen.
Warum interessieren sich die Forscher für den tauenden Permafrostboden?
Permafrost steht nicht nur wegen seines Einflusses auf die Erderwärmung im Fokus, sondern aus verschiedenen anderen Gründen. Wenn der gefrorene Untergrund auftaut, könnten in den kommenden Jahrzehnten auch zahlreiche Schadstoffe freigesetzt werden, ebenso uralte Krankheitserreger. Und schließlich hat das Tauen auch Folgen für die Infrastruktur, die finnische Forscher jetzt erstmals genauer untersucht haben.
Welche Schäden sind zu erwarten?
Wo die stabilisierende Wirkung des Permafrosts wegfällt, schätzen die Forscher, dass bis 2050 rund 30 bis 50 Prozent der Gebäude und Infrastruktur-Einrichtungen bedroht sein werden. Die erwarteten Schäden sind breit gefächert: Es können harmlose Risse auftreten, aber Gebäude beispielsweise auch kollabieren. Dazu kommt noch die Gefahr von Hangrutschungen.
Und es geht nicht nur um Gebäude, sondern auch um Straßen, Eisenbahnstrecken, Landepisten und Pipelines. Besonders betroffen sind Alaska, Kanada und auch Russland. So gibt es in mehr als zwei Drittel des russischen Staatsgebiets Permafrostböden. In manchen russischen Orten wie Workuta am Nordende des Urals sind bereits bis zu 80 Prozent aller Bauten beschädigt.
Welche Kosten könnten dadurch entstehen?
Diese Studie ist für Russland durchgeführt worden, weil dieses Land am stärksten betroffen ist. Allein für die Reparatur der Schäden in Russland rechnen sie damit, dass zwischen 2020 und 2050 6,2 Milliarden Euro aufgebracht werden müssen. Die Kosten für den Ersatz von Wohnhäusern schätzen sie auf 400 bis 550 Millionen Euro pro Jahr.
Gibt es Gegenmaßnahmen, um den Schaden zu begrenzen?
Es gibt technische Maßnahmen, mit denen Schäden an Straßen verringert oder vermieden werden können. Etwa durch lockere Gesteinsschüttungen unter Straßen oder Eisenbahntrassen. Das ermöglicht eine Luftzirkulation, die dann Wärme aus dem Untergrund abführt. Auch eine stark reflektierende Asphaltdecke kann helfen oder Wärmetauscher. Diesen Maßnahmen ist eines gemeinsam: Sie sind teuer und angesichts des Ausmaßes dieses Problems nur punktuell umsetzbar, aber nicht im großen Stil.
Deshalb empfehlen die Autoren praktische Lösungen wie eine genaue Kartierung der Gefahr durch tauenden Permafrost und eine darauf abgestimmte Flächennutzungsplanung, um das Risiko zu verringern. Und die Ingenieure müssten bei der Planung von Bauwerken die Erwärmung mit einbeziehen, die Veränderungen in der Festigkeit des Untergrundes, die in den 50 oder 60 Jahren eintreten werden, in denen ein Gebäude dort genutzt wird.
Lässt sich das Problem mit diesen Maßnahmen alleine lösen?
Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von technischen Lösungen – und deshalb müssen Millionen Menschen einfach mit dem wachsenden Risiko leben, oder die Siedlungen müssen aufgegeben werden. Das passiert bereits an den Küsten, aber es dürfte auch im Landesinneren so weit kommen. Da der Permafrost ein Fünftel aller Landmassen in der nördlichen Hemisphäre bedeckt, dürften die wirtschaftlichen und sozialen Kosten enorm sein.
Was da auf die Menschen zukommt, dafür gibt es bereits Beispiele: 2017 stürzte in einer Siedlung in Nordgrönland ein großer Teil eines Berghangs ins Meer, der aufgrund der Erwärmung instabil geworden war. Vier Menschen starben. Die überlebenden Dorfbewohner wurden daraufhin zwangsumgesiedelt.