Vladimir Romanovsky ist so etwas wie der „Mister Permafrost“ von Alaska. Seit 30 Jahren betreut der inzwischen emeritierte Geophysik-Professor das Permafrost-Labor der Universität von Alaska in Fairbanks. Mit einem riesigen Netz von Feldstationen, regelmäßigen Messungen und Modellierungen überwachen die Forschenden dort schon seit den 1960er Jahren den Zustand der dauernd gefrorenen Böden des Bundesstaates. So kann Vladimir Romanovsky auf gewaltige Zeitreihen und Datenmengen zurückgreifen. Und die zeigen einen beunruhigenden Trend.
"Im Norden Alaskas ist es heute drei bis vier Grad wärmer als vor 50 Jahren"
„In Alaska begannen die Lufttemperaturen in den 1970er-Jahren zu steigen - und mit ihnen die Temperaturen des Permafrostbodens. Seitdem sehen wir eine fast kontinuierliche Erwärmung - mit einer leichten Pause in den 2000er Jahren. Seit 2014/2015 hat sich die Erwärmung dann noch einmal verstärkt. Im Norden Alaskas ist es heute drei bis vier Grad wärmer als noch vor 50 Jahren.“
Das gilt auch für viele andere Regionen der Arktis und Subarktis. Der Boden ist zwar immer noch gefroren, taut aber jeden Sommer bis in immer größere Tiefen auf. Die Folge sind überall in den nördlichen Breiten starke Schäden an der Infrastruktur: Häuser sacken ein, Ölpipelines brechen, Straßen reißen auf, Ökosysteme verändern sich. Aber das sei erst der Anfang, sagt Vladimir Romanovsky: „Es verändert sich jetzt schon viel, aber ich glaube die Veränderungen werden in der Zukunft noch wesentlich dramatischer werden, da der Permafrost gerade erst beginnt, zu verschwinden.“
Böden könnten abrupt trockener werden
Denn auch wenn es schon wärmer und dünner geworden ist: Noch bildet das Eis im Untergrund in weiten Teilen der Arktis und Subarktis eine Barriere. Sie verhindert dass Wasser von der Oberfläche in tiefere Schichten versickern kann. Dadurch ist der Boden nahe der Oberfläche ständig feucht. Taut der Permafrost aber, verschwindet diese Barriere schlagartig. Was dann passiert, hat der Klimaforscher Axel Timmermann zusammen mit seinen Kolleginnen von der Pusan Universität in Südkorea mit einem Computermodell simuliert, das sehr genau die Vorgänge im Boden beschreibt.
„Für ein Emissionsszenario, das hoffentlich nicht eintreten wird, wo die CO2-Konzentration praktisch ungebremst in die Zukunft weiter projiziert wird, finden wir, dass im Jahr 2050 bis 2080 in Sibirien durch das Abschmelzen des Permafrostes abrupt die Trockenheit in den Böden zunimmt und damit auch die Feuer. Das ist ein neuer Effekt, der bisher noch nicht so gefunden wurde. Diese abrupte Zunahme der Feuer-Wahrscheinlichkeit ist also ganz extrem: Wir finden teilweise Faktor 100 bis Faktor 1000 Zunahme in der Stärke und in der Häufigkeit dieser Feuer.“
Axel Timmermann: Feuergefahr wachse sprunghaft
In Permafrostböden steckt sehr viel organisches Material, das in trockenem Zustand gut brennen und dabei wiederum viel Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben kann. Besonders heftig könnten die Feuer dem Modell zufolge im Westen und Nordwesten Sibiriens sowie in Kanada südlich der Hudson Bay wüten, sagt Axel Timmermann.
„Und dieser abrupte Anstieg entsteht dadurch, dass erst einmal die Feuchtigkeit im Boden relativ schnell abfließen kann, sobald die Eisbarriere im Boden abgeschmolzen ist. Das ist auch nicht wieder rückgängig zu machen. Also, es gibt eine gewisse Irreversibilität dort. Es ist nicht so, dass im nächsten Jahr der Permafrost sich wieder leicht aufbaut und so weiter, sondern das ist ein Prozess, der ist mehr oder weniger unwiderruflich dann in Gang gekommen. Und das bedeutet eben auch, dass man in einem komplett neuen Regime ist, wo diese Feuer, die vorher nicht möglich waren, auf einmal sehr stark auftreten.
Wenig Anlass für Optimismus
Das Klimaszenario, das diesen Computersimulationen zugrunde liegt, geht davon aus, dass die Menschheit weiterhin ungebremst Treibhausgase in die Atmosphäre pumpt. Gelänge es, die Erderwärmung dem Pariser Klimaabkommen entsprechend auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sähe die Zukunft wahrscheinlich weniger dramatisch aus, vermutet Axel Timmermann. Für sonderlich wahrscheinlich hält er einen solchen Erfolg allerdings nicht. Und auch Vladimir Romanovsky ist nicht sehr zuversichtlich.
„Die bisherige Erwärmung des Klimas zumindest in Alaska entspricht genau den Vorhersagen der pessimistischsten Klimamodelle. Wenn wir diese Modelle für die Zukunft weiter laufen lassen, zeigen sie, dass der Permafrost selbst im kalten Norden Alaskas in den nächsten 40 bis 60 Jahren beginnen könnte zu tauen, also definitiv noch in diesem Jahrhundert.“
Das könnte noch stärkere Feuer in noch mehr Regionen der Arktis zur Folge haben.