"Schwarzer Schnee", eine Regiearbeit von Łukasz Twarkowski, zu sehen am Wochenende im Teatr Polski in Breslau. Es geht um die Urangst des Menschen im Märchen und um die widerspruchsvolle Beziehung der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Am Ende der Aufführung nehmen die Schauspieler den Beifall entgegen. Ihre Münder sind mit Klebeband verschlossen. Im Polnischen Theater herrscht Ausnahmezustand. Niemand weiß, wie lange die Twarkowskis –Grimm-Inszenierung noch zu sehen sein wird. Vor ein paar Tagen wurden sieben Stücke aus dem Repertoire gestrichen. Łukasz Twarkowski:
Kreative Arbeit nicht mehr möglich
"Der Konflikt und die Stimmung eskalieren derart, dass eine alltägliche kreative Arbeit der Schauspieler praktisch nicht mehr möglich ist. Das Theater wird künstlerisch völlig gelähmt. Wenn man sich in seinem eigenen Theater fremd vorkommt wie ein Eindringling, weil man so behandelt wird, dann wird es sehr schwer, ein Werk, das einem wichtig ist, auf die Bretter zu bringen."
Der Streit um die Zukunft des Teatr Polski brach Anfang September offen aus, als der Schauspieler Cezary Morawski die Leitung übernahm. Morawski ist vor allem aus Fernsehserien bekannt und im Boulevard-Theater geschätzt. Als Nachfolger des international bekannten und experimentierfreudigen Krzysztof Mieszkowski, gilt Morawski als durch und durch politische Wahl. Für ihn setzten sich Politiker der nationalkonservativen Regierung, aber auch der Bürgerplattform und Bauernpartei ein.
"Ich habe das Ausschreibungsverfahren gewonnen. Ich sehe keinen Grund, mich jetzt zurückzuziehen," sagte Cezary Morawski angesichts allen Unmuts gegen ihn aus Künstlerkreisen. Die Vorwürfe: Er sei den Politikern willfährig, künstlerisch unzulänglich und organisatorisch unfähig, obendrein gerichtlich verurteilt wegen Missbrauchs öffentlicher Gelder.
Morawski trotzt dem Unmut gegen seine Person
Gegen Morawski protestieren nicht nur Regisseure wie Krystian Lupa oder Agnieszka Holland, sondern auch viele Schauspieler seines Hauses und eine Publikumsinitiative. Morawski wehrt sich:
"Das Teatr Polski hat sich seit einiger Zeit darauf auf eine bestimmte Linie im Repertoire beschränkt. Ich will diese Linie weiterführen, aber ich will das Theater auch für andere Formen öffnen."
Am Wochenende erhielt man einen Vorgeschmack, welche Bühnenkunst am Teatr Polski künftig stärker vertreten sein soll. Gastiert hat eine Theatertruppe aus dem südpolnischen Tarnów. Das Stück "Die Rückkehr Norwids" widmet sich Cyprian Norwid, einem bedeutenden Vertreter der polnischen Romantik, seinen nationalen Ideen und seiner Einsamkeit im Exil des 19. Jahrhunderts. Das Credo von Regisseur Tomasz Żak:
"Ich liebe Polen als solches. Ich liebe ein Polen, das keine Probleme mit dem polnischen Wappen hat, den Nationalfarben. Ich habe auch kein Problem mit dem Symbol des christlichen Kreuzes. An eine globale Erziehung, eine globale Kultur glaube ich nicht, denn sie macht den Menschen kaputt, nimmt ihm die Individualität. Diese Individualität bildet für Polen das Nationalwappen und eine Identität im Zeichen des Kreuzes."
Christlich-europäische Kultur
Auf der Internetseite seines Theaters aus Tarnów spricht er von der christlichen europäischen Kultur und der Kunst des weißen Mannes. Sein Auftritt in Breslau hatte ein kleines Publikum, löste aber ein beträchtliches Echo in der öffentlichen Debatte ein. Die Theaterwissenschaftlerin Magdalena Chlasta-Dzięciołowska organisiert den Publikumsprotest gegen das Teatr Polski unter der Leitung von Cezary Morawski:
"Wir haben viel Energie, denn das Theater ist für Polen ein sehr wichtiges Medium gesellschaftlicher Aktivität. Es ist für uns eine Zone der Freiheit. Wenn man uns ein Theater nimmt, haben wir das Gefühl, man nimmt uns die Freiheit."