Christoph Heinemann: Christian Weisner, Mitglied der Führung der katholischen Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Guten Tag!
Christian Weisner: Guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Weisner, ist es denkbar, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst dauerhaft als Bischof nach Limburg zurückkehren wird?
Weisner: Das ist die Gretchenfrage, die es im Augenblick sehr schwerfällt zu beantworten. Wenn ich ganz ehrlich das sage und wenn ich einfach höre, was im Kirchenvolk und wirklich auch bei den Priestern im Bistum Limburg, was da verlautbart wird: Es kann sich wohl keiner richtig vorstellen. Aber ich warne davor, jetzt eine Vorverurteilung zu machen, denn das ist genau das, glaube ich, was ja auch eben genannt worden ist: Die Würdenträger aus Rom versuchen, den Tebartz-van Elst zu reinstallieren, ihm wieder den Weg nach Limburg zurückzuebnen. Und das ist insofern schlecht, weil Papst Franziskus ja genau das Verfahren gewählt hat. Es gibt eine Untersuchungskommission, die ist auch hier in der Ortskirche ein ganz wichtiges neues Zeichen, durch eine Verfahrensgerechtigkeit und nicht per Daumen hoch oder per Daumen runter zu entscheiden, und diese sollten wir jetzt abwarten. Aber ich kann verstehen, dass natürlich gerade den Gläubigen und den Priestern im Bistum Limburg das schon sehr unter den Nägeln brennt, und es darf, denke ich, nicht so gedeutet werden, diese Zeit, die der Untersuchungsbericht braucht, und die Entscheidung, die Rom braucht, darf nicht so gedeutet werden, ja lasst mal ein bisschen warten, dann wächst Gras über die Sache und dann kommt der schon wieder zurück.
Heinemann: Stichwort "Gras über die Sache". Muss nicht gerade eine christliche Kirche einem verlorenen Sohn eine zweite Chance einräumen?
Weisner: Ja auf jeden Fall. Aber ich denke, man muss, glaube ich, jetzt sehr unterscheiden zwischen der Person und auch allem, was gutes oder schlechtes über diesen Bischof gesagt worden ist, und wirklich der Amtsführung. Das Verständnis auch des Bischofsamtes ist, er ist der Hirte der Gemeinde, der Hirte der Diözese und er muss das im Vertrauen mit der Diözese machen. Es gibt sicher immer Konflikte darin, aber das grundlegende Vertrauen muss da sein. Das war doch ganz eindrucksvoll, wie Papst Franziskus nach der Wahl auf dem Petersplatz vom Balkon gewissermaßen sich den Gläubigen, die auf dem Petersplatz in Rom waren, gestellt hat und sagt, betet für mich. Er hat im Grunde um das Vertrauen der Gläubigen gebeten. Das ist, denke ich, die ganz wichtige Botschaft und das scheint doch nach allem, was man auch hier in München von Limburg liest, im Grunde verloren gegangen zu sein.
Heinemann: Aber Vertrauensschutz gilt doch auch für Bischof Tebartz-van Elst. Ist er nicht auch Opfer von Medien, die ihm alles mögliche unterstellt haben?
Weisner: Da kann ich nur darauf verweisen, dass auch Erzbischof Zollitsch und andere gesagt haben, das ist keine Medienkampagne. Denn man muss sagen: Eine Medienkampagne, die ist dann möglich, wenn auch irgendwo etwas dran ist. Insofern ist Transparenz wichtig und diese Transparenz, die es um das Geld dort lange nicht gegeben hat, das ist natürlich das Ungute, weil dann natürlich die Zeit ist, wo die Medien immer nachfragen, immer wieder darüber berichten. Wenn man das ganze von Anfang an viel transparenter angelegt hätte, ich denke, dann wäre diese ganze Zerklüftung im Bistum nicht möglich gewesen. Das ist, glaube ich, jetzt die Hauptaufgabe. Ich hoffe sehr, dass dieser Untersuchungsbericht wirklich bald, sehr bald nach Rom kommt, alle anderen sich zurückhalten, auch Bischof Tebartz-van Elst, und dass dann eine Entscheidung durch den Papst getroffen wird, die natürlich sehr, sehr salomonisch sein muss, dass wirklich wieder ein Frieden im Bistum einkehrt, dass wirklich wieder die Kirche die eigentliche Aufgabe machen kann und wir nicht uns immer nur mit uns selber beschäftigen und negativ in den Schlagzeilen stehen.
Heinemann: Ist die Entscheidung in der Causa Tebartz für Sie auch ein Omen für weitere wichtige Bischofsernennungen in nächster Zeit? In Deutschland werden ja einige Positionen frei, zum Beispiel die des Kölner Erzbischofs.
Weisner: Ich möchte das jetzt nicht zu einer Grundsatzentscheidung machen, oder auch zu fragen, welcher Flügel in Rom jetzt sich mehr durchsetzt oder sich weniger durchsetzt. Ich glaube, dieses entweder oder oder so eine Kampfeseinstellung oder wir müssen unseren Bischof Tebartz-van Elst auf alle Fälle durchdrücken, sonst haben wir keine Chance mehr, andere Bischöfe hier in Deutschland einzusetzen, das möchte ich eigentlich vermeiden. Aber das ist natürlich schon klar: Franziskus hat ganz deutlich gesagt, er möchte Hirten als Bischöfe, die den Geruch der Schafe haben, die mitten im Volk stehen, er möchte keine Flughafenbischöfe haben, keine Staatsfunktionäre, er möchte wirklich Pastoren haben, also Hirten im guten Sinne.
Heinemann: Herr Weisner, das ist doch interessant. Der Vatikan hat ja jetzt die Katholiken befragt, und siehe da: Die Gläubigen kümmern sich nicht um die Vorgaben, oder jedenfalls nicht um einige Vorgaben aus Rom. Die weitaus meisten Katholiken in Deutschland scheren sich zum Beispiel nicht um die Sexualmoral ihrer Kirche. Frage: Werden die Bischöfe nur noch als Manager und einfach nicht mehr als Hirten wahrgenommen?
Weisner: Das ist jetzt noch eine ziemlich komplizierte Frage. Ich sehe auch das erst mal als positive Sache. Franziskus sucht, indem er auch die Gläubigen hat befragen lassen, diesen Kontakt. Es zeigt, wie wichtig ihm es ist, dass die Katholiken und Katholikinnen wirklich in den Gemeinden mit einbezogen werden. Und dass jetzt im Augenblick die Umfrageergebnisse ein großer Widerspruch und eine große Kluft ist zwischen dem, was im Augenblick die kirchliche Lehre ist, das würde ich nicht alles den Gläubigen in die Schuhe schieben, sondern das ist einfach die Frage. Die katholische Kirche hat nach der Enzyklika Humanae Vitae mit dieser abrupten Haltung den Kontakt zu den Menschen verloren. Aber ich glaube, Franziskus sucht wieder diesen Kontakt zu den Menschen. Er sucht, die einzubinden. Das ist eine positive Meinung. Und ich denke, wenn Franziskus gesagt hat, es schmerzt ihn, hat er, glaube ich, gesagt, wenn Ordensleute und Priester ein neues Auto und neue Dinge haben, ich glaube, unter diesem Gesichtspunkt wird – das ist ein bisschen, muss ich sagen, auch meine Hoffnung – die Entscheidung von Franziskus ausgehen, auch im Fall Tebartz-van Elst.
Heinemann: Wer wird, um im Duktus des Papstes zu bleiben, die künftige Richtung der Kirche vorgeben, die Hirten oder die Schafe?
Weisner: Das geht doch nur gemeinsam. Es bringt doch nichts, wenn der Hirte links herum läuft und die Schafe laufen rechts herum. Das bringt doch nichts. Es muss zusammenbleiben. Das ist, denke ich, aber auch eine Katholizität, die aber jetzt nicht mehr die Enge vielleicht ist, sondern ich erlebe das so und wir als "Wir sind Kirche" erleben das auch so, dass Papst Franziskus durch unendlich viele Zeichen, aber auch Entscheidungen schon in den zehn Monaten gezeigt hat, wie weit doch der katholische Glaube ist, dass es einen Freiraum gibt, auch wieder nachzudenken, zu diskutieren, immer in Treue zum Evangelium, immer in Treue zu Jesus Christus, aber dass es viel mehr Weite geben muss als nur engen Autoritätsgehorsam. Ich denke, das ist natürlich ein neuer Weg, den wir alle lernen müssen, dass das nicht nur jetzt "par Ordre du Mufti" von oben befohlen wird, sondern dass es transparente Verfahren gibt, dass es Beteiligung gibt, dass es Diskussion und Dialog gibt. Ich denke, das ist die große Chance der katholischen Kirche, aber dieser Weg muss gegangen werden.
Heinemann: Christian Weisner, Mitglied der Führung der katholischen Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Weisner: Auf Wiederhören.
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