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Technik für Pflegebedürftige
Das digitale Pflegezimmer

Alte Menschen aus dem Bett heben, sie beim Toilettengang begleiten: In naher Zukunft soll digitale Technologie Pflegekräfte in der Altenpflege unterstützen - und eigenständiges Wohnen bis ins hohe Alter ermöglichen. Menschliche Pflegekräfte werden dennoch unersetzlich bleiben.

Von Tobias Krone |
    Die Hand einer pflegebedürftigen älteren Patientin greift am Dienstag (12.02.2008) im Krankenhaus von Dachau (Oberbayern) nach einem Haltegriff über dem Bett.
    Sich aufsetzen oder aufstehen ist für viele Pflegebedürftige oft unmöglich - künftig könnte gezielt gesteuerte Technik helfen (picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Morgens aus dem Bett zu kommen - mit fortgeschrittenem Alter kann das zum Kraftakt werden. Die Füße, die Knie, das Kreuz. Künftig könnte das Bett beim Aufstehen aktiven Beistand leisten. Erst dreht sich die Matratze um 90 Grad in Richtung Nachttisch, dann winkelt sie sich an, kippt nach vorn - und wirft den Senioren quasi sanft in den Tag.
    "Wir kommen jetzt hier in eine aufrechte Sitzposition, genau in dieser Sitzposition kann ich dann noch nach oben fahren und stehe dann sozusagen schon. Also, das heißt, ich brauche eigentlich keine muskuläre Kraft, um aufzustehen."
    Pflegekräfte und Ehepartner entlasten
    Alexander Karl ist Laboringenieur an der Hochschule Kempten - und steht zufrieden grinsend mit einer Fernbedienung im Schlafzimmer des Living Lab, dem Forschungslabor für die Pflege der Zukunft. Auf das Bett ist er besonders stolz.
    "Wir sind der Meinung, dass das wirklich die Pflegekräfte komplett entlasten könnte, in solchen Tätigkeiten, vor allem wäre das sozusagen das Pendant zu den Hebeliftsystemen, das in ganz vielen Einrichtungen wahrscheinlich in der Ecke steht - und irgendwo verstaubt."
    Schluss damit, den Gepflegten erst umständlich mit einer Hebevorrichtung umzulegen und dann wie einen Container durch die Luft zu bugsieren. Und Schluss auch mit Rückenschmerzen für den Ehepartner oder Pflegekräfte, wenn sie am Bett füttern, wenden oder wickeln - diesen Vorteil betont auch der ausgebildete Krankenpfleger und Altenpflegestudent Dirk Gansmann. Er hat in der Laborwohnung in den vergangenen Monaten für seine Bachelorarbeit geforscht.
    Bedienung per Touchpad
    "Man hat halt nix, man hebt halt nicht mehr aus dem Kreuz, ich meine, das ist einfach super. Und zur Not könnte man jetzt zum Beispiel die Oma, den Opa, Tante, den Bruder ans Bett setzen und er könnte sogar frühstücken. Und ich denke auch, in der Form wird das auch von den Pflegekräften angenommen.
    Gansmann hat einige Senioren zwischen 65 und 92 Jahren hier probewohnen lassen - sie probierten die Technik aus und bewerteten sie. Das meiste lässt sich über ein Touchpad bedienen, mit dem viele der Probanden überraschenderweise gut klarkamen. Anderes, wie der Fußboden mit Sturzsensor funktioniert ganz automatisch. Alexander Karl wirft einen Teppich aus Filz mit den Umrissen eines Menschen auf den Boden - das simuliert einen Senioren, der hingefallen ist.
    "Hier geht sozusagen eine Lampe an. Das zeigt mir als Entwickler, jetzt liegt ein Sturzereignis an. Und wenn die Person dann innerhalb von zehn Sekunden aufsteht, wird sich der Sensor wieder zurücksetzen. Macht die Person das nicht, dann kommt ein zweites, ein anderes Signal, das ist jetzt die rote Birne, die angeht. Und das könnte ich zum Beispiel verwenden, um eine Notruforganisation zu informieren, oder ich kann eine Email oder eine SMS an Angehörige verschicken."
    Digitale Wohnung ersetzt nicht den Menschen
    Das Pflegezimmer der Zukunft ist smart und überwacht dort, wo es nötig ist. Es hat aber auch Schränke, deren Garderobenstange auf Rollstuhlhöhe fahren kann. Die Toilette spritzt den Po sauber und trocknet ihn gleich noch mit einem Föhn. Auch das ist hier im Labor zu besichtigen. Noch kostet so ein Klosett viereinhalbtausend Euro. Doch es könnte die kommende Generation von Pflegekräften entlasten.
    "Das Waschbecken mit dem Spiegel, das ist noch nicht barrierefrei, das übernimmt jetzt im Moment ein Mechatronik-Student - da soll mal ein höhenverstellbares Waschbecken hin und ein höhenverstellbarer Spiegel. Das Ganze soll so aussehen, dass die Person hier ins Bad reinkommt, eine Kamera automatisch erkennt, wer das ist, und dann stellen sich die Parameter automatisch ein."
    Die digitale Wohnung der Zukunft unterstützt den Pflegealltag, sorgt idealerweise für mehr Würde, aber den Menschen ersetzt sie - in absehbarer Zeit - nicht, beruhigt der Altenpflegestudent Dirk Gansmann.
    "Man wird nie die Akzeptanz kriegen, dass sich jemand im Bett von einem Roboter waschen oder spritzen, eincremen, überhaupt behandeln lassen würde. Ich glaube, das funktioniert in unserer Welt nicht. Vielleicht in 100 Jahren, ich weiß es nicht, wie es ausschaut. Die Robotik hat ihren Platz, in der Medizin auch, aber sie wird die Pflegekraft und die Interaktion zwischen Mensch und Mensch nie ersetzen können."