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Techno Studies
Vom Club in den Hörsaal

Vom Rausch der Tanzfläche bis zum Soundtrack für das frisch wiedervereinigte Berlin - was ist dran am Kult der Clubkultur? Auf einer Tagung in Berlin will die Universität der Künste den Techno wissenschaftlich ergründen.

Von Ina Plodroch | 12.12.2014
    Die Schauspieler und Musiker Jaques Palminger (l-r), Alicia Aumüller, Rocko Schamoni, Franziska Hartmann und Heinz Strunk spielen am 29.04.2014 in Hamburg auf der Fotoprobe von "Tonight:Fraktus".
    Der Film "Fraktus" parodiert den Techno-Historisierungs-Hype. (dpa/ picture alliance / Markus Scholz)
    "Man kann Techno im engen Rahmen sehen als Genre elektronischer Tanzmusik - dieses relativ simple 'four-to-the-floor', kein Gesang."
    Matthias Pasdzierny. Musikwissenschaftler und Initiator der Tagung "Techno Studies. Ästhetik und Geschichtsschreibung elektronischer Musik".
    "Aber man kann es natürlich genau so als einen Überbegriff sehen."
    Für House, Acid, Minimal. Spielarten elektronischer Musik. Techno ist aber auch die erste deutsche Popkultur, die zum "Soundtrack der Wende" wurde. Ein reizvolles Thema für Filmemacher und Autoren:
    "Diese Flut an Publikationen und Filmen aus den letzten Jahren: 'Der Klang der Familie' oder 'Die ersten Jahre von Berlin', 'We call it Techno' oder der Film zum Tresor 'Tanz auf dem Todesstreifen'."
    "Fraktus. / Sie waren Deutschlands wichtige Band. / Erst Jahre später bemerkt man, was für einen Impact die hatten. / Sie waren die musikalischen Vorbilder der 80er. Und die Urväter des Technos."
    Und in der Mockumentary "Fraktus" inszenieren sich die Studio-Braun-Komiker als Techno-Erfinder und parodieren damit den Techno-Historisierungs-Hype.
    "Wo man immer so eine Verknüpfung hat von Technogeschichte mit deutscher Geschichte. Wo dann immer die These ist, dass auf dem Dancefloor der Clubs die Wiedervereinigung vorweggenommen oder diese mentale Wiedervereinigung."
    Techno: plötzlich ein Stück deutsche Identität
    Techno? Plötzlich nicht mehr dieses Genre, das zu Massenpartys mit Drogen verführt und sich kommerzialisiert. Sondern ein Stück deutsche Identität, für die sich die Universität der Künste Berlin interessiert. Und mit ihrer Tagung fragt: War wirklich alles so toll und friedlich, wie all die Zeitzeugen über 20 Jahre später vor der Kamera schwärmen?
    "Wenn heute jemand sagt: 'Wir haben damals gedacht, ja wir können die Nazizeit wegtanzen.' Dann ist halt die Frage: 'Ist diese Idee jetzt von heute oder ist die von 1991?'. Es gibt so ein paar Profi-Zeitzeugen der Techno Geschichte. Die Treffen sie in allen diese Filmen und Publikationen. Die erzählen dann meistens allen Leuten das gleiche und dadurch verfestigt sich diese Geschichte extrem."
    Also doch alles nur die Überinszenierung einer großen Party vor dem Hintergrund der Wende? Mit 25 Jahren Abstand - schwierig zu beantworten. Die Tagung sucht nach Artefakten: Dem Nachlass der Loveparade und Fanzines, die im Archiv der Jugendkulturen Regale füllen. Oder fragt Alexander Weheliye, Professor für African American Studies, der meint: Es handele sich vor allem um ein Techno-Märchen. Vom Rassismus in den Technoclubs der 90er Jahre spreche schließlich keiner. Und Matthias Pasdzierny selbst hat geschaut, was die Feuilletons und Popmagazine in den 90ern zum Techno zu sagen hatten.
    Ist Techno musikalisch interessant?
    "In der 'Zeit' zum Beispiel gibt es dann Leute, die schreiben: 'Ja das ist schon irgendwie was Positives. Da gibt es mal im Ausland ein Bild von einem positiven, lebenszugewandten Deutschland.' In der Szene selber, in der Spex, sind die mit ganz anderen Fragen beschäftigt. Da geht es eher um die Sache, ist Techno musikalisch vielleicht doch interessant?"
    "Was willst Du darüber sagen? Es ist einfach 'Pum Pum Pum Pum'."
    Mark Butler ist Musikwissenschaftler und zu Gast auf der Tagung. Er untersucht das, was all die Bücher und Filme nicht thematisieren: die Musik.
    "Ein Techno Track ist komplexer als eine Komposition. Er ist nicht einfach fertig, wenn er mal aufgenommen wurde - DJs sollen mit ihm arbeiten, ihn weiterentwickeln."
    Das Techno-Märchen erzählt von der Deutschen Einheit und den grenzenlosen Möglichkeiten im Berlin der 90er Jahre. Die Tagung versucht das Märchen mal wissenschaftlich zu betrachten. Desillusionierend, aber spannend.