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Technologisch fragwürdig und diplomatisch umstritten

Vor zweieinhalb Monaten haben US-Militärs in Kalifornien eine jener Abfangraketen getestet, die vor Atomraketen schützen sollen. Die in Washington ansässige Behörde für nationale Raketenabwehr wertete das Experiment als 37. erfolgreichen Abschussversucht seit 2001. Unabhängige Analysen sehen die Raketenabwehr kritischer.

Von Ralf Krauter | 22.02.2009
    Vor zweieinhalb Monaten, am 5. Dezember 2008, haben US-Militärs in Kalifornien erneut eine jener Abfangraketen getestet, die die Amerikaner und ihre Verbündeten künftig vor feindlichen Atomraketen schützen sollen.

    MDA-Video: "Five, four, three, two, one, zero… Feuerstrahl wird hörbar… status is launched … Feuerstrahl entfernt sich."

    Nach Angaben des Pentagon verlief der Test planmäßig. Die in Washington ansässige Behörde für die nationale Raketenabwehr wertete das Experiment als den 37. erfolgreichen Abschussversuch seit 2001. Kritiker halten das für Schönfärberei. Unabhängigen Analysen zufolge ist die US-Raketenabwehr kaum erprobt und technisch unausgegoren.

    Und das gilt auch für die geplanten Komponenten auf europäischem Boden: eine Radarstation in Tschechien und ein Raketensilo in Polen. Die Weichen für deren Aufbau hatte Ex-Präsident George W. Bush gestellt. Trotz lautstarken Vetos aus Russland haben die Regierungen in Prag und Warschau im vergangenen Jahr die entsprechenden Verträge unterzeichnet – in der Hoffnung auf handfeste Vorteile in Form militärischer Schützenhilfe aus den USA.

    "”While the US today has its own missile defense system in Alaska and California to defend North America against long-range ballistic missiles the European continent remains vulnerable to such threats. With similar defenses however, most of Europe could be protected ...”"

    "Der Werbefilm, mit dem die US-Militärstrategen die Europäer für ihren Raketenschutzschild begeistern wollen, erinnert an den Trailer für einen Hollywood-Streifen. Kernige Männer in Uniform treten darin auf. Menschen, die kompetent und entschlossen dreinblicken, weil sie wissen, es liegt in ihren Händen, zigtausende unschuldige Bürger vor dem sicheren Tod zu bewahren."

    "”The US missile defense system is comprised of a network of sensors and interceptors designed to detect, track and shoot down ballistic missiles carrying weapons of mass destruction ...”"

    Das US-Raketenabwehrsystem bestehe aus einem Netzwerk von Sensoren und Abfangraketen, heißt es in dem fünfminütigen PR-Film. Seine Handlung macht einem Kassenschlager alle Ehre. Ein Schurkenstaat im Mittleren Osten feuert eine Atomrakete ab, die Kurs auf eine amerikanische Großstadt nimmt. Das Desaster scheint unvermeidlich.

    Doch die Verteidigungsstrategen der US-Behörde für Raketenabwehr haben vorgesorgt. Frühwarnsatelliten melden die drohende Gefahr, Radarstationen verfolgen den Flug des Nuklearsprengkopfes mit Argusaugen, Abfangraketen pulverisieren die tödliche Fracht noch im Weltraum, lange bevor sie Schaden anrichten konnte. In den USA, so die Botschaft, haben solche Alptraum-Szenarien ihren Schrecken verloren.

    "Da der Iran atomare Langstreckenraketen entwickle, wolle man das Verteidigungssystem jetzt erweitern, um künftig auch die Europäer vor möglichen Angriffen schützen zu können."

    Klingt überzeugend. Und hätte es in Washington keinen Regierungswechsel gegeben, wäre die noch ausstehende Ratifizierung der Stationierungs-Verträge durch die Parlamente Tschechiens und Polens wohl nur eine Frage der Zeit gewesen. Doch Barack Obama, der neue Mann im Weißen Haus, steht dem europäischen Raketenschild nicht so vorbehaltlos gegenüber wie sein Vorgänger. Offizielle Entscheidungen gibt es zwar noch nicht, aber die diplomatischen Zwischentöne verraten, dass die Zukunft des Projektes hinterfragt wird. Für den Abrüstungsexperten Professor Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg war das überfällig.

    Neuneck:
    "Jeder wird sagen: Na ja, es ist vielleicht gut, wenn da so ein Sprengkopf auf mich angeflogen kommt, dann bin ich geschützt. Aber es ist erst einmal nicht sicher, ob man geschützt ist, aufgrund der teilweise sehr fragwürdigen und sehr unreifen Technologie."

    Von den US-Raketenabwehr-Komponenten für Europa hält Götz Neuneck wenig. Zum Einen, weil der von den USA gefürchtete Schurkenstaat Iran bislang gar keine Langstreckenraketen bauen kann, die Europa, geschweige denn Nordamerika erreichen könnten. Zum Anderen, weil er den Verdacht hat, dass Washington beim Versuch, die Europäer für das Vorhaben zu begeistern, in der Vergangenheit nicht immer mit offenen Karten gespielt hat. Der US-Physiker Ted Postol sieht das genauso.

    "Ich bin kein prinzipielle Gegner der Raketenabwehr. Aber ich bin dagegen, ein Waffensystem zu bauen, das den Menschen einen Schutz verspricht, den es im Ernstfall nicht bieten kann."

    Der Professor für Sicherheitspolitik am Massachussetts-Institute of Technology bei Boston hat in mehreren Studien die Schwachstellen der geplanten Raketenabwehr benannt und im Kongress in Washington darüber berichtet. Sein Fazit: Es ist technisch unmöglich, dass das System jemals so zuverlässig funktioniert, wie seine Befürworter glauben machen wollen. Den europäischen Regierungen wirft Ted Postol vor, die offensichtlichen technischen Defizite ignoriert zu haben - aus Vasallentreue zur Weltmacht USA.

    "Ich habe mit Vertretern europäischer Regierungen gesprochen, die wissen, dass die USA ihnen nicht die Wahrheit über die begrenzten Fähigkeiten ihrer Raketenabwehr gesagt haben. Diese Leute haben mit den Schultern gezuckt und gesagt: Wir wollen uns den Plänen trotzdem nicht widersetzen, weil die Amerikaner unsere Verbündeten sind.

    Auch die NATO hat eine unrühmliche Rolle gespielt. Sie hat die Sicherheitsinteressen der Europäer gefährdet, indem sie unter Berufung auf eine Geheimstudie falsche Informationen verbreitet hat. Eine geheime technische Analyse, die niemand gesehen hat und über die keiner reden darf – wenn sie mich fragen, stinkt das."

    Außerdem drohen diplomatische Nebenwirkungen. Am 5. November 2008, einen Tag nach Barack Obamas Wahl zum US-Präsidenten, erklärte der russische Präsident Medwedjew in seiner Rede zur Lage der Nation, man werde nahe der polnischen Grenze Kurzstreckenraketen stationieren, die auf die osteuropäischen Teile des US-Raketenschildes zielen.

    Barack Obamas Amtsvorgänger George W. Bush hatten solche Drohungen stets kalt gelassen. Unter seiner Ägide wurden in Alaska und Kalifornien insgesamt 24 Abfangraketen stationiert, die in der Lage sein sollen, anfliegende Nuklearsprengköpfe aus dem Mittleren Osten zu zerstören. 2004 erklärte Bush den kaum erprobten Schutzschild für einsatzbereit - und trieb seinen Ausbau mit viel Geld und gegen alle Widerstände voran.

    "”Working with its european partners, the US is proposing to extend its defense coverage to Europe in order to protect from longer-range ballistic missile threats launched out of the middle east ...”"

    In Nordpolen, so sehen es die bisherigen Pläne vor, sollen bis 2013 weitere zehn Abfangraketen in Stellung gebracht werden. Ihre Zielkoordinaten soll ihnen unter anderem die geplante Radarstation in Tschechien liefern.

    "”... for mid-course tracking of missiles launched from the middle east is proposed for deployment in the Tschech Republic.”"

    Das Herzstück dieser Radarstation, deren Aufbau dieses Jahr beginnen soll, steht derzeit noch auf den Marshall-Inseln: Eine riesige Kuppel mit 17.000 Sende- und Empfangsantennen. Bei Raketenabwehrtests im Pazifik nutzen US-Militärs dieses Radar seit über zehn Jahren. 2011 wollen sie es nach Tschechien versetzen, erklärt Ted Postol.

    "Das Problem mit diesem Radar: Es ist ungeeignet für seine neue Aufgabe. Es kann anfliegende Sprengköpfe nur bis zu einer Entfernung von 600 Kilometern ausmachen. Dabei müsste es eine Reichweite von 2000 bis 2500 Kilometern haben, um atomare Gefechtsköpfe zuverlässig zu erkennen. Die Raketenabwehrbehörde behauptet, das Radar werde diese Reichweite haben. Technischen Analysen zufolge kann das aber nicht stimmen. Es ist zu kurzsichtig, um Sprengköpfe, die vom Iran in Richtung Washington fliegen, überhaupt zu sehen."

    Ein Ziel, das man nicht sieht, kann man nicht abschießen. Dass die US-Militärs das nicht wissen, kann sich Ted Postol nicht vorstellen. Für ihn gibt es deshalb nur eine plausible Erklärung: Das Radar in Tschechien soll nach ein paar Jahren auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. Nach dieser Nachrüstung wäre es wohl tatsächlich scharfsichtig genug, um feindliche Sprengköpfe zuverlässig zu erfassen, sagt Götz Neuneck – vorausgesetzt, sie sind allein unterwegs.

    Neuneck: "Man sieht, dass auch die Politik der Bush-Administration hier so eine Fuß-in-der-Tür-Politik ist. Man will erst einmal den Vertrag haben. Und dann will man das Radar nach den Gegebenheiten weiter ausbauen. Das stört natürlich die Russen, die in einem ehemaligen Warschauer-Pakt-Land plötzlich ein Radar haben, was übrigens ja auch für andere Zwecke verwendet werden kann. Angefangen von der Messung von Weltraumschrott bis hin zu Messungen von russischen Raketentests. Das ist schon störend. Das wäre genauso, als wenn Russland in Kuba ein Radar vor der amerikanischen Küste installieren würde. Das ist auch der Grund, warum Wladimir Putin gesagt hat, das sei so ein bisschen wie die Kubakrise, die ganze Angelegenheit."

    Ein Horchposten vor der Haustür - das ist eine der russischen Befürchtungen. Aber es gibt noch einen anderen Grund, weshalb der Kreml die Pläne Washingtons kategorisch ablehnt. Die zehn Abfangraketen, die bis 2013 in Polen stehen sollen, könnten im Prinzip auch einmal russische Langstreckenraketen vom Himmel holen. Die US-Raketenabwehrbehörde bestreitet das, doch den Berechnungen Ted Postols zufolge ist ihre Argumentation nicht stichhaltig.

    Postol: "”General Obering, der frühere Chef der Raketenabwehrbehörde, hat offiziell immer behauptet, die Abfangraketen in Polen wären nicht schnell genug, um Interkontinentalraketen aus dem europäischen Teil Russlands aufhalten zu können. Das stimmt aber nicht. Die Abfangraketen basieren auf der Pegasus-Trägerrakete für kleine Satelliten. Deren technische Daten sind bestens bekannt. Eine simple Analyse zeigt, dass diese Abfangraketen – sofern sie funktionieren – rund 30 Prozent schneller sind, als die Raketenabwehrbehörde vorgibt. Sie werden schnell genug fliegen, um russische Interkontinentalraketen abschießen zu können. Und natürlich wissen die Russen das.""

    Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum Wladimir Putin die politische Kontroverse um den US-Raketenschild in Europa am 10. Februar 2008 medienwirksam zuspitzte. Bei der Münchener Sicherheitskonferenz warnte der damalige Präsident Russlands die USA ziemlich unverblümt vor der drohenden Konsequenz ihrer Politik: einem neuen Rüstungswettlauf.

    Wladimir Putin, Münchner Sicherheitskonferenz: "Heute sind wir Zeugen einer fast unbegrenzten Anwendung militärischer Mittel. Diese Gewaltanwendung zieht die Welt in die Tiefe militärischer Konflikte. Es fehlt an Kraft, eine gemeinsame Lösung zu finden."

    Der Westen reagierte aufgeschreckt - und Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich genötigt, die diplomatischen Wogen zu glätten.

    Angela Merkel: "Wir leben heute in einer Zeit, in der man, glaube ich, sagen kann, dass keiner alleine die neuen Herausforderungen wird bewältigen können."

    Doch statt Gemeinsamkeiten zu suchen, erklärte die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice die russischen Einwände gegen die geplante Raketenabwehr einmal mehr für unbegründet.

    Condoleezza Rice: "”Wir sind absolut bereit, soviel Zeit wie nötig damit zuzubringen, gegenüber Russland unser Tun zu demystifizieren. Aber lassen Sie uns realistisch sein: Die Idee, dass zehn Raketen und ein paar Radarstationen in Osteuropa das russische Abschreckungspotenzial bedrohen, ist schlichtweg albern. Und das weiß auch jeder. Die Russen haben tausende Gefechtsköpfe. Die Vorstellung, man könne die russische Abschreckung mit ein paar Abfangraketen ausschalten, macht einfach keinen Sinn.""

    Unabhängige Sicherheitsexperten finden aber auch dieses in der Vergangenheit oft gehörte Argument fadenscheinig. Laut Satzung der US-Raketenabwehrbehörde sollen die Verteidigungssysteme kontinuierlich erweitert und technisch verfeinert werden. Zu glauben, es bliebe bei den einmal installierten zehn Abfangraketen in Polen, wäre deshalb naiv, sagt Götz Neuneck.

    Neuneck: "Die Gefahr ist eben, dass die Russen tatsächlich glauben, dass ihr Abschreckungspotenzial irgendwann einmal irrelevant werden könnte. Sicherlich nicht in fünf Jahren. Sicherlich nicht in zehn Jahren. Aber längerfristig. Dasselbe gilt übrigens für China."

    Doch inzwischen dreht sich der Wind. Die neue Außenministerin der USA, Hillary Clinton, hat angedeutet, in Sachen Raketenschild könne es zu einer, Zitat, "neuen Bewertung" durch Washington kommen. Dann nämlich, wenn die Verhandlungen zum Atomstreit mit dem Iran vorankommen sollten. Bis auf weiteres stecken die USA allerdings immer noch zehn Milliarden Dollar pro Jahr in Entwicklung und Aufbau ihres Raketenschutzschildes. Die technischen Ergebnisse blieben bislang dürftig. Unter realistischen Einsatzbedingungen wurden die bodengestützten Abfangraketen noch nie erprobt. Bei einfachsten Flugtests schossen sie reihenweise am Ziel vorbei. Selbst wenn in fünf bis zehn Jahren einmal alle Komponenten wie geplant funktionieren sollten, wenn das Radar in Tschechien den nötigen Weitblick hätte und wenn die Abfangraketen auf Herz und Nieren getestet worden wären: Selbst dann bliebe der Hightech-Schutzwall extrem löchrig. Mit simplen Tricks ließe er sich leicht überwinden, warnt Götz Neuneck. Zum Beispiel mit Täuschkörpern, die den Kamikaze-Roboter, der den Sprengkopf pulverisieren soll, in die Irre führen.

    Neuneck: "Wenn jetzt mehrere Ziele zu sehen sind im Weltraum durch das Radar, zum Beispiel Ballons, Störsender, man kann auch daran denken, die oberste Raketenstufe zu sprengen, dadurch vermehrfachen sich die Radarreflexe, dann hat dieses Kill Vehicle ausgesprochene Schwierigkeiten zu entscheiden: Was soll ich denn jetzt eigentlich treffen?"

    Metallisch beschichtete Ballons fliegen in der dünnen Luft hoch über der Erde genauso schnell wie der Gefechtskopf – und bieten diesem damit die perfekte Tarnung.

    Neuneck: "Nun sagen die Befürworter: Iran kann solche Gegenmaßnahmen gar nicht verwenden. Das ist zu kompliziert, das können die Russen, die Chinesen und natürlich die Amerikaner - aber nicht die Iraner. Nun ist das natürlich ein Widerspruch zu der Aussage, die Iraner seien in der Lage, eine Interkontinentalrakete zu bauen, die aus zehntausenden Teilen besteht, die alle funktionieren sollen.

    Also sie sind einerseits in der Lage, eine Bedrohung für die USA darzustellen, andererseits sollen sie nicht in der Lage sein, Ballone, die mit Metall beschichtet sind, im Weltraum aufzublasen. Das ist tatsächlich ein Widerspruch, der auch im Grunde genommen ignoriert wird."

    Vielleicht aber nicht mehr lange. Denn jenseits der diplomatischen Signale aus Washington gibt es nun auch solche, die auf die technischen Mängel Bezug nehmen. So erklärte Vize-Präsident Joe Biden kürzlich, man werde die US-Raketenabwehrpläne in Europa nur dann weiter vorantreiben, wenn sich das System als technisch zuverlässig erweise. Der Abrüstungsexperte Ted Postol hofft deshalb, dass der amerikanische Traum von der Unverwundbarkeit bald vom Tisch ist.

    Postol: "”Präsident Obama hat angekündigt, er werde die Wirksamkeit des Raketenschildes prüfen lassen und dann entscheiden, ob es weiter ausgebaut werden soll. Wenn diese Analyse ehrlich ausfällt – und ich denke, das wird sie – wird dabei folgendes herauskommen: Das System bietet keinen verlässlichen Schutz, es verschlingt Unsummen und es blockiert konstruktive Beziehungen zu Russland, die wir dringend brauchen, um drängende Probleme wie Irans Bestreben, eine Atombombe zu bauen, zu lösen. Ich gehe davon aus, dass das ganze Raketenabwehr-Projekt nach Abschluss dieser Analyse eingestellt wird. Und das wäre gut so.”"

    Unreif, kontraproduktiv und provozierend: So beurteilt auch der Physiker Götz Neuneck von der Universität Hamburg die bestehenden Raketenabwehr-Pläne des Pentagon – und begrüßt, dass die diplomatischen Signale nun auf Tauwetter hindeuten. Denn auch Moskau setzt mittlerweile auf Deeskalation: Ende Januar verkündete der Kreml, bis auf weiteres keine Kurzstreckenraketen auf die geplanten US-Einrichtungen in Polen und Tschechien zu richten.

    So keimt Hoffnung auf, dass sich bei der Kontroverse um den US-Raketenschild in Europa vielleicht doch noch ein für alle Seiten tragbarer Kompromiss findet. Für die Sicherheit in Europa wäre das wünschenswert. Nicht zuletzt auch, weil Moskau dann ein wohlfeiles Argument für die laufende Modernisierung seiner strategischen Atomraketen abhanden käme. Der Rüstungsexperte Oliver Thränert von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.

    Thränert: "Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass Russland enorme Anstrengungen unternimmt, um sein eigenes strategisches Kernwaffendispositif zu modernisieren. Und diese Modernisierungen, die ohnehin auf dem Weg sind, können nun wunderbar legitimiert werden, mit den amerikanischen Abwehrplänen."

    So gerät der US-Raketenschild für Europa derzeit von verschiedenen Seiten unter Beschuss: Die Zweifel an seiner technischen Machbarkeit werden nicht nur lauter, sie werden endlich auch in Washington ernst genommen. Und zeitgleich wachsen die Bedenken, ob das Projekt politisch Sinn macht. Entsprechend ist in Polen wie in Tschechien zu hören, dass wohl das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist.