1992, olympische Sommerspiele in Barcelona: Franziska van Almsick schwimmt zu vier olympischen Medaillen für Deutschland – und das mit 14-Jahren! Als ein Reporter vom WDR sie vor Ort nach ihren Maskottchen fragt, hört man ihr das junge Alter auch noch deutlich an:
Van Almsick: "Ich hab so ein Schwein mit und so eine Maus, ne große – Günther!
Reporter: "Warum heißt die denn Günther?"
Van Almsick: "Ich weiß nicht, der Name ist irgendwie lustig"
Teenager dominieren Skateboard-Wettbewerbe in Tokio
Mit 14 Jahren war Franziska von Almsick bei Weitem nicht die jüngste Athletin in der olympischen Geschichte. Schon bei den ersten Spielen der Neuzeit 1896 tritt ein zehnjähriger Turner an. Auch jetzt in Tokio sind in einigen Sportarten Athletinnen und Athleten vertreten, die gerade im Teenager-Alter sind. Im Skateboarding der Frauen dominieren sie sogar die Wettkämpfe.
Wie aus Kindern und Jugendlichen Hochleistungsathleten werden - das erforscht der Sportwissenschaftler Dr. Jeffrey Sallen: "Zehn Jahre etwa braucht man, bis man so eine Expertise erreicht hat im Leistungssport, dass man da international sich bewähren kann. Das passiert oft mit drei, vier, fünf Jahren und es wird ja nicht gleich leistungssportlich trainiert, das ist erst ein Heranführen an den Sport. Das Kind entdeckt: Ist das was für mich? Das heißt, es fängt nicht gleich mit fünf Jahren leistungssportlich an, sondern das wächst nach und nach. Und das kann im Kindesalter sehr schnell dann auf fünf, sechsmal Training in der Woche hinausauslaufen - à 60 bis 90 Minuten plus Wettkämpfe"
25 Wettkampf-Wochenenden pro Jahr sind keine Seltenheit. Ein Jahr hat aber nur 52 Wochen. Jedes zweite Wochenende also auf Wettbewerben unterwegs zu sein: Das kann bei den Heranwachsenden natürlich für Stress sorgen.
Kindheit und Hochleistungssport hält Jeffrey Sallen aber prinzipiell für gut vereinbar. "Wir reden jetzt hier über eine Tätigkeit, die sich die Kinder in der Regel selbst ausgesucht haben, sehr freiwillig machen und für die sie alles geben. Das heißt, sie ziehen aus dem, was sie da tun, unheimlich viel Energie für sich und haben da offenbar einen starken Nutzen von, dies so intensiv zu tun. Sie erleben sich da als erfolgreich. Sie erleben sich dort als Menschen, die die Gelegenheit bekommen, sich selbst zu entwickeln, zu entfalten, selbstbestimmt an die Sache ranzugehen."
Keine Nachteile in der Schule
Hochleistung im Sport steht laut den Forschungsergebnissen von Jeffrey Sallen auch in keinem Gegensatz zu normalen Leistungen in der Schule. Das gilt auch für Sportlerinnen und Sportler, die sich für Olympia qualifizieren wollen. "Es zeigt sich, dass die gar nicht so viel Nachteile haben. Sie sind jetzt nicht grundsätzlich und systematisch schlechter in der Schule. Sie haben auch nicht schlechtere oder geringere Bildungswege eingeschlagen, sondern sind da in der Regel auch Richtung gymnasiales Niveau unterwegs."
Hochleistungssport bietet für Kinder und Jugendliche also viele Entwicklungsmöglichkeiten. Um junge Athletinnen und Athleten vor zu viel psychischen und körperlichen Stress zu schützen, gibt es in einigen olympischen Sportarten trotzdem eine Altersbeschränkung. Im Turnen beträgt sie zum Beispiel 16 Jahre.
Die Entscheidung darüber treffen die Fachverbände. Im Skateboarden zum Beispiel gibt es eine solche Altersbeschränkung nicht – zumindest noch nicht. Für die nächsten Sommerspiele in Paris wird eine Altersgrenze ab 16 Jahren diskutiert.
Der Grund: Vor einem Jahr verletzt sich die damals zwölfjährige Sky Brown bei der Vorbereitung auf die Spiele in Tokio bei einem Trick in der Rampe schwer. Sie bricht sich den Schädel, schwebt in Lebensgefahr. Sie überlebt zwar und startet in Tokio als eine der Titelfavoritinnen, nach ihrem Unfall wurden trotzdem Vorwürfe an ihre Sponsoren und Eltern laut: Nämlich, dass sie das Mädchen zu früh unter sportlichen Leistungsdruck setzen.
Keine Karriere ohne Support der Eltern
Jeffrey Sallen erkennt zwar an, dass das in Einzelfällen ein Problem sein kann – verweist aber auf die positive Rolle, die die Eltern in der überwiegenden Anzahl der Fälle spielen. "Ohne elterlichen Support kann man sich eine leistungssportliche Karriere nicht vorstellen. Gerade wenn es um diese Sportarten geht, wo man ganz früh auch in die internationale Ebene hineintaucht, braucht man Eltern, die einen zu den Trainingslagern, zu den Wettkämpfen begleiten. Die auch finanziell bereit sind, einiges zu investieren. Sonst ist eigentlich solch eine Leistungssportlerkarriere schon von Anfang an relativ schnell wieder beendet. Da kommt man nicht sehr weit."
Auch wenn viele jugendliche Athletinnen ihre Karriere vor allem auch ihren Eltern zu verdanken haben: Als Elternteil muss man sich darauf einstellen, dass die Kinder einen irgendwann beim Wettbewerb nicht mehr brauchen. Zumindest mussten die Eltern der damals vierzehnjährigen Franziska van Almsick diese Erfahrung bei den Olympischen Spielen in Barcelona machen:
Reporter: "Deine Eltern hast du zuhause gelassen - warum?"
Van Almsick: "Ne, die habe ich lieber vorm Fernseher bei so Wettkämpfen. Wenn die dabei sind, das lenkt nur ab. Ne, mag ich nicht."