Beim Wort Sex sollen alle Schüler auf den Stühlen sitzen. Für die rund 20 Bukarester Gymnasiasten ist das ein ungewöhnlicher Unterricht. Auf spielerische Weise werden sie von einer Nichtregierungsorganisation aufgeklärt – über Themen wie Verhütung oder Geschlechtskrankheiten. Schülerin Mara besucht das Wahlfach, weil sie im Biologieunterricht nur auf Schweigen gestoßen ist:
"Ich wollte von meiner Lehrerin wissen, was Jungfräulichkeit ist. Sie hat nur gesagt, ich würde das schon noch erfahren, wenn ich älter bin. Ich bin jetzt 15 Jahre und dachte, ich sei alt genug. Doch jetzt habe ich alles Wichtige in diesem Kurs erfahren."
Im Wahlfach "Gesundheitserziehung" geht es in einigen Unterrichtsstunden auch um Sexualkunde. Doch wird das Fach nur an einem Bruchteil aller Schulen angeboten. Lediglich sieben Prozent aller rumänischen Schüler nehmen daran teil.
Alle Jugendlichen sollen erreicht werden
Viel zu wenig, findet die Abgeordnete Cristina Iurișniți von der Oppositionspartei "Union Rettet Rumänien". Seit zwei Jahren ist die frühere Französischlehrerin in der Politik. Mit ihrem jüngsten Gesetzesprojekt will sie, dass die Gesundheits- und Sexualerziehung altersgerecht alle Schüler erreicht. Doch Iurișniți weiß, dafür eine Mehrheit im Parlament zu finden, wird schwer:
"Ein Teil der Parlamentarier schämt sich für das Thema Sexualkunde. Sie wollen auch nicht ihre traditionell gestimmte Wählerschaft verprellen. Sie würden nie laut sagen: Wir sind für eine Sexualerziehung an allen Schulen."
Noch vor einem Jahrzehnt war Rumänien mustergültig in Sachen Sexualerziehung. Mit internationalen Hilfsgeldern wurden Lehrer für das Wahlfach ausgebildet. Sozial benachteiligte Gruppen bekamen die Verhütungsmittel gratis. Die hohe Zahl der Teenie-Mütter konnte mehr als halbiert werden.
In den Schulen wird kaum aufgeklärt
Als die Förderung auslief, zog sich der Staat weitestgehend aus den Programmen zurück – sehr zum Wohlwollen der orthodoxen Kirche und religiös-konservativer Gruppen, wie der Bukarester Eltern-Allianz. Die Organisation zählt gerade mal rund 70 Mitglieder. Gleichwohl gibt sich ihr Chef Cristian Filip selbstbewusst. Er glaubt Hunderttausende Eltern hinter sich, die eine Sexualkunde an Schulen angeblich für überflüssig halten: "Gott sei Dank hat sich die Bevölkerung doch seit Tausenden von Jahren fortgepflanzt, ohne dass es eine spezielle Erziehung dafür gab. Ich glaube, wenn es so weit ist, weiß doch jeder, was zu tun ist."
Die Zahlen beweisen das Gegenteil: Rumänien hat EU-weit die meisten Teenie-Mütter. Trotz der alarmierenden Zahlen will die Eltern-Allianz die Sexualkunde aus den Schulen gänzlich verbannen. Gelungen ist ihr das bislang nicht. Im Mai lehnte das Parlament eine entsprechende Gesetzesinitiative ab.
Kein politisches Bekenntnis zur Sexualerziehung
Doch aus Angst vor einem möglichen Widerstand der Eltern, meiden Regierung und Parlament ein klares Bekenntnis zur Sexualerziehung. An vielen Schulen werde das Thema wie ein Tabu behandelt, sagt Adina Manea. Ihre Bukarester Nichtregierungsorganisation "Jugendliche für Jugendliche" konzipiert Aufklärungskurse.
Die derzeitige Atmosphäre erinnert Manea an die Zeit vor 1989. Damals hatte Diktator Nicolae Ceaușescu ein Abtreibungsverbot erlassen und Verhütungsmittel vom Markt genommen, damit sich sein Volk schnell vermehre. Viele Frauen hätten sich dagegen gewehrt und illegal abgetrieben, sagt Aktivistin Manea:
"Die Frauen, die diese Zeit erlebten, können das doch nicht vergessen haben. Einige von ihnen sind heutzutage Parlamentarier und Entscheidungsträger. Sie müssten doch noch wissen, was es heißt, wenn sexuelle Aufklärung und Verhütungsmittel fehlen. Wollen diese Frauen all das wie einen schlechten Traum vergessen? Damit schaden sie doch den Generationen, die nach ihnen kommen."