Seit Jahren hat der Iran an Macht und Einfluss im Nahen Osten gewonnen. Häufig genügte es dazu, die Fehler der USA in der Region auszunutzen. Bestes Beispiel: Unter dem Langzeitherrscher Saddam Hussein war der Irak ein Bollwerk gegen den Iran. Doch als die Amerikaner Saddam vor 17 Jahren stürzten, öffneten sie den Iranern damit Tür und Tor im Irak.
Einige der irakischen Milizen, die gegen den IS kämpften, sind nicht etwa gegenüber Bagdad loyal, sondern gegenüber Teheran. Eine Furcht der USA wurde während der vergangenen Monate bereits Wirklichkeit: Der Iran stachelte diese Milizen zu Angriffen auf von Amerikanern genutzte Militärbasen im Irak an.
Konsequenzen der US-Nahostpolitik
Egal, wohin die sunnitisch geprägten Eliten in der arabischen Welt schauen: Vielerorts sehen sie den mehrheitlich schiitischen Iran am Werk.
Riad Kahwaji von der Denkfabrik INEGMA in Dubai beschrieb das mal so: "Wir haben iranische Regierungsvertreter gehört, wie sie sich damit brüsteten, dass sie nun vier arabische Hauptstädte kontrollieren: Sanaa, Beirut, Damaskus und Bagdad. Das ist so, als wenn die Russen sagen würden: Okay, wir weiten unseren Einfluss auf Lissabon oder Madrid aus, im Herzen Europas - und als würde man dann erwarten, dass die Europäer das einfach so hinnehmen."
Noch ein Beispiel für die unbeabsichtigten Konsequenzen der US-Nahostpolitik: Die Hisbollah, Miliz und politische Partei im Libanon. Dass sie schwerbewaffnet ist, kritisieren viele Libanesen - aber wenige bestreiten, dass nur die Hisbollah in der Lage ist, Israel von einem Angriff auf den Libanon abzuschrecken. Offiziell unterstützen die USA zwar die libanesische Armee, verweigern ihr jedoch das Militärgerät, das sie für eine wirksame Verteidigung des Landes bräuchte. Wegen der langjährigen Unterstützung durch den Iran wäre die Hisbollah wohl gezwungen, Israel massiv anzugreifen, sollte eine gemeinsame Attacke von Israelis und Amerikanern das Überleben der iranischen Führung gefährden.
Und noch einen Hebel kann Teheran betätigen: die Houthi-Rebellen im Jemen. Der unabhängige jemenitische Experte Hafez Albukari zählt auf, was die Houthis in den vergangenen Jahren vom Iran erhielten: "Berater, technische, politische und auch militärische Unterstützung. Etliche Male wurden Waffen entdeckt, die aus dem Iran stammen. Hauptsächlich bekommen sie diese Unterstützung über die Hisbollah. Auch beim strategischen Denken dient die Hisbollah den Houthis als Vorbild."
Von Jemen bis Palästina
Auch die Houthis dürften dem Iran im Fall der Fälle zur Hilfe eilen - indem sie zahllose Raketen auf Saudi-Arabien abfeuern oder die Meerenge Bab al-Mandab sperren, den Zugang zum Roten Meer und damit auch zum Suezkanal.
In Syrien spielten die iranischen Al-Quds-Brigaden unter dem mittlerweile von den USA getöteten General Ghassem Soleimani ebenfalls eine wichtige Rolle. So leiteten sie ausländische schiitische Söldner im Kampf gegen Aufständische an; die syrische Armee ist nach gut acht Jahren Bürgerkrieg personell ausgezehrt.
Und schließlich der Gaza-Streifen: Während der vergangenen Jahre hat der Iran seine Zahlungen an die Hamas dort erhöht. Teheran sieht dies als Hilfe für die unterdrückten Palästinenser und als Möglichkeit, den Erzfeind Israel zu piesacken. Nach dem Abzug der jüdischen Siedler aus dem Gaza-Streifen 2005 verzichteten die Amerikaner darauf, eine Öffnung des Küstengebiets gegen den Willen Israels durchzusetzen. Seitdem gewannen dort Extremisten die Oberhand. Die Befürchtung des mittlerweile verstorbenen israelischen Politikers Shimon Peres, Gaza könnte zu einem "Somalia am Mittelmeer" werden, wurde so wahr.