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Tehrangeles
Exil-Iraner zum Ende der Atom-Sanktionen

Mit dem Atom-Abkommen und der Aufhebung der Sanktionen bekommt der Iran eine neue Chance nach jahrelanger Isolation. Unbehagen gegenüber der Annäherung zwischen den USA und dem Iran haben nicht nur Barack Obamas politische Konkurrenten, die Republikaner, sondern auch Exil-Iraner in den USA. Auch im persisch geprägten Teil von Los Angeles: Tehrangeles.

Von Wolfgang Stuflesser |
    Auf den Straßen rund um den Persian Square, den persischen Platz am Westwood Boulevard, wirkt Los Angeles anders als im Rest der Stadt: Die Läden sind auf in Farsi beschriftet, in den Bistros gibt es Kabab und die traditionelle Āsch-e-Dscho-Suppe - und die Kundschaft besteht aus den Rechtsanwälten, Bankern und Geschäftsleuten, die typisch sind für die Gemeinschaft der Exil-Iraner in Los Angeles.
    "Ich traue niemandem in dieser Regierung"
    Wie Bijan Khalili, 64 Jahre alt und Eigentürmer des Buchladens Ketab, der damit wirbt, die größte Sammlung persischer Bücher weltweit zu führen - größer als es in Iran selbst möglich wäre, denn dort sind viele Titel von der Zensur verboten, die es hier zu kaufen gibt. Das Ende der internationalen Sanktionen gegen Iran sieht Khalili durchaus kritisch - auch wenn Präsident Ruhani sich moderater gibt als seine Vorgänger.
    "Ich traue niemandem in dieser Regierung - solange sie weiter die Menschenrechte verletzen. Auch unter Ruhani werden weiter Journalisten verhaftet und politisch Andersdenkende hingerichtet. Ruhani ist ganz ähnlich wie die anderen die in der Pyramide der Macht im Iran ganz oben stehen."
    Als Leidtragende des gesamten Atomstreits sieht der Exil-Iraner das iranische Volk.
    "Die iranische Regierung hat das Atomprogramm ohne Legitimation durch das Volk gestartet - denn dort herrscht eine Diktatur. Die Regierung hat Milliarden ausgegeben, und nun fahren sie alles wieder zurück, weil der internationale Druck so groß ist. Dieses ganze Programm ist Unsinn."
    Er selbst ist nach der islamischen Revolution aus dem Iran geflohen, kam 1980 in die USA und hat ein Jahr später den Buchladen eröffnet - genau in dem Jahr, als die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran zu Ende ging. Es war keine leichte Zeit damals für einen Iraner, der in den USA eine Existenz aufbauen wollte.
    "Das iranische Volk hat nichts gegen die USA - aber die Leute, die seit der islamischen Revolution dort an der Macht sind, das sind die, die vor 35 Jahren die Geiseln in der amerikanischen Botschaft genommen und für 444 Tage festgehalten haben - deshalb sind die USA misstrauischer als die europäischen Länder gegenüber Iran."
    Kritik der Republikaner im US-Congress an der Atom-Einigung
    Bijan Khalili begrüßt die Kritik der Republikaner im US-Congress an der Atom-Einigung. Er sagt, die IAEA müsse nun sehr genau prüfen, ob die iranische Regierung sich auch wirklich an die Vorgaben halte und die Atomanlagen weiter zurückbaue.
    Es ist nicht ganz einfach, mit den Anwohnern in Tehrangeles ins Gespräch zu kommen - vor allem viele Frauen winken ab, sobald man sie anspricht. Aydin aber, 35 Jahre alt und Angestellter im Buchladen Ketab, erkennt unser blaues ARD-Mikrofon.
    Er hat eine Weile in Deutschland gelebt, bevor er vor zehn Jahren in den USA eine neue Heimat gefunden hat. Den Rest des Gesprächs möchte er aber lieber auf Englisch führen.
    "Es gibt im Iran eine neue Generation, die große Hoffnung auf Ruhani setzt. Er ist moderner - natürlich weiß man nicht, was passieren wird - aber wir hoffen."
    Das Ende der Sanktionen sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt er. Doch dabei dürfe es nun nicht bleiben.
    "Wir wollen Freiheit für den Iran, Menschenrechte - und dass die Leute sagen dürfen, was sie wollen - echte Redefreiheit."
    Bis zu 800.000 Exil-Iraner leben Schätzungen zufolge in Tehrangeles. Viele von ihnen fühlten sich in ihrer Heimat unterdrückt und bedroht, sonst hätten sie nicht alles hinter sich gelassen und sich in die USA aufgemacht. Entsprechend zögerlich reagieren sie nun auf alle Anzeichen einer Annäherung zwischen beiden Ländern. Zu tief sitzen die Erfahrungen der Vergangenheit, als dass eine zumindest vorläufige Einigung im Atomstreit an der Haltung vieler amerikanischer Exil-Iraner etwas ändern könnte.