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Teilen tut weh

In Belgien denkt man über eine Spaltung des Landes nach. Die Tschechoslowakei hat den Schritt schon 1993 vollzogen. Der slowakischen Schriftsteller und Journalist Michal Hvorecký fühlt sich durch die Teilung des Landes bis heute um seine Heimat betrogen.

Von Michal Hvorecky |
    Immer, wenn ich Nachricht aus Brüssel erhalte über ein gespaltenes Belgien ohne Regierung, denke ich an die Tschechoslowakei Anfang der 90er-Jahre. Das belgische politische Patt erinnert mich viel zu sehr an die Krise in meinem Land, das sich am 1. Januar 1993, nach 74 Jahren Koexistenz halbiert hat, in zwei neue selbstständige Staaten, die Tschechische und die Slowakische Republik.

    Wenn ich mir die damaligen Ereignisse ins Gedächtnis rufe, nehme ich sie immer noch traumatisch wahr. Ich fühle mich um meine Heimat betrogen. Ich bin mit der tschechoslowakischen Identität aufgewachsen – die Geschichte, die Literatur, genauso wie der Freundeskreis oder die gemeinsame Mannschaft im Nationalsport Eishockey – und auf einmal existierte dieses Land nicht mehr. Stattdessen wurde ich in Bratislava zum Einwohner des neuen Staates, der von unglaubwürdigen Exkommunisten – jetzt auf einmal radikalen Nationalisten und Populisten – regiert wurde. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass über eine derart prinzipielle Angelegenheit in einem Referendum entschieden werden sollte. Es fand aber keine Volksabstimmung statt, weil es klar war, die Mehrheit der Bevölkerung wäre gegen die Teilung des Landes. Die Politiker bevorzugten eine schnelle Lösung und haben ohne die Bürger das Endurteil unterzeichnet.

    Als ich vier Monate in Belgien gelebt habe, fühlte ich mich oft wie in der Slowakei. Beide Länder sind klein und von keiner besonderen internationalen Bedeutung. Oft merkte ich die ähnlichen Minderwertigkeitskomplexe. In beiden Staaten leben mehrere Nationen mit unterschiedlichen Religionen und Traditionen und viele Bezirke sind zweisprachig. Sogar in der belgischen Literaturszene herrschte ähnlich deprimierte Stimmung wie in der slowakischen – keiner kennt uns, die Welt vergisst uns oder verwechselt uns mit den anderen größeren Literaten.

    Auch ohne eine geschäftsführende Regierung funktioniert Belgien im Alltag gut. Doch die Krise dauert schon zu lange und spitzt sich zu. Das verschuldete Land braucht dringend Reformen, ähnlich wie in der Slowakei. Reformen, die zu einem rasanten Strukturwandel und zum Wirtschaftserfolg verholfen haben.

    Der europäische Integrationsprozess hat Tschechien und die Slowakei wieder zusammen geführt und mittlerweile sind die gegenseitigen Beziehungen sehr gut. Doch kulturell haben sich beide Länder voneinander entfernt. Absurderweise müssen jetzt auch meine Bücher aus dem Slowakischen ins Tschechische übersetzt werden, also in fast die gleiche Sprache…

    Ich finde Belgien großartig und wäre traurig, wenn die Hauptstadt Brüssel, eines der Hauptsymbole der europäischen Einigung, bald zum Wahrzeichen der neuen staatlichen Teilung würde.

    Was man vielleicht im Westen Europas von der Mitte lernen kann? Die Gründung eines Staates ist nicht das Ende, sondern der Anfang und eine große Verantwortung, auf die man sich sehr gut vorbereiten soll – danach ist nämlich jeder für die Fehler selbst verantwortlich.