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Telefone von Journalisten dürfen überwacht werden

Die Polizei darf zur Aufklärung von Straftaten die Telefone von Journalisten überwachen. Die Pressefreiheit und das Fernmeldegeheimnis untersagten den Zugriff auf die Verbindungsdaten von Festnetz- und mobilen Anschlüssen nicht grundsätzlich, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Ein solcher Eingriff sei dann zulässig, wenn er zum Aufenthaltsort eines gesuchten Straftäters führe. Mit diesem Beschluss wurden die Klagen von zwei Journalisten zurückgewiesen. Ihre Telefone waren bei der Fahndung nach dem früheren Terroristen Hans-Joachim Klein und dem untergetauchten Bau-Unternehmer Jürgen Schneider abgehört worden.

12.03.2003
    Durak: Einzelfallprüfung also, die Handyüberwachung von Journalisten ist bedingt erlaubt. Ein überraschendes Urteil aus Sicht der Laien, wenn wir an die Pressefreiheit denken. Für Sie auch?

    Backes: Zum Teil auch, ja. Was mich überrascht hat, war, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht auseinandergesetzt hat mit dem erweiterten Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, das ja auch in der Strafprozessordnung vorgesehen ist, um den Informantenschutz zu gewährleisten und damit die Tätigkeit von Journalisten zu erleichtern. Entsprechende Privilegien, sage ich einmal, gibt es auch im Zusammenhang mit dem Beschlagnahmerecht gegenüber journalistischen Unterlagen, und da wird immer gesagt, wenn der Journalist bei seiner Aussage oder aufgrund seiner Materialien Hinweise geben sollte auf den Informanten selber, auf Straftaten, dann kann er trotzdem sagen, ich verweigere die Zeugenaussage beziehungsweise das kann nicht beschlagnahmt werden, auch nicht bei solchen Straftaten. Es verwundert mich, wenn das jetzt einfach sozusagen weggedrückt wird im Zusammenhang mit der Handyüberwachung, aber ich kann zu dieser Entscheidung des Bundesverfassungsrichters deswegen wenig sagen, weil ich es nicht näher kenne, außer das, was Sie eben in Ihrem Beitrag genannt haben. Möglicherweise gibt es in der schriftlichen Fassung dazu eben noch einige Ausführungen.

    Durak: Da wird man dann darauf eingehen können. Wir haben aber einige Punkte, die sozusagen übereinstimmen mit dem, was Sie sonst beobachtet haben, die Frage der Ermittler, was ja Herr Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, eben noch gesagt hat. Sie haben ja festgestellt, dass zu schnell Genehmigungen erteilt werden, jetzt unabhängig von Journalisten, zu schnell, also dass gerade eben nicht kontrolliert wird. Sehen Sie da jetzt hier auch ein Manko?

    Backes: Nein. Das kann ich ja nicht beurteilen, weil ich ja die Unterlagen, die Akten nicht kenne, aber das hat mich schon gefreut, was Herr Papier dazu gesagt hat, denn er hat ja ausdrücklich erwähnt, der Ermittlungsrichter muss prüfen, er hat die Pflicht und die Aufgabe, eingehend den Fall zu prüfen, das heißt, er darf nicht einfach nur den Antrag der Staatsanwaltschaft übernehmen und abnicken, sondern er muss detailliert den konkreten Tatverdacht und auch vor allem prüfen, ob denn die Überwachungsmaßnahme der einzige Weg wäre, um hier den Sachverhalt zu ermitteln beziehungsweise den Aufenthaltsort eines Täters festzustellen. Wir hatten in unserer Bielefelder Untersuchung genau dies aber als ein ganz großes Manko angesehen. Wir haben festgestellt, dass die Richter in 99,9 Prozent der Fälle die Anträge der Staatsanwälte im Ergebnis übernommen haben. In der Begründung sind sie auch fast immer den Staatsanwälten gefolgt. Wir haben vor allem festgestellt, dass die Richter bei ihrer Prüfung die Voraussetzungen, die das Gesetz aufstellt für die Prüfung, nicht wirklich beachtet haben. Sie haben sie nur sehr oberflächlich behandelt. Wir haben Beschlüsse von Richtern gefunden, in denen nicht ein Einziges der drei geforderten Kriterien überhaupt nur genannt war. Wir haben in 50 Prozent der Fälle festgestellt, dass die Beschlüsse nicht vollständig waren. Das zeigt nicht unbedingt, dass die Beschlüsse im Ergebnis falsch waren, aber wohl dass sie oberflächlich und sorglos abgefasst wurden.

    Durak: Das ist ja eigentlich ein verheerendes Bild, was Sie hier malen. Wie hat man denn in den Richterkreisen und juristischen Kreisen auf diese Studie reagiert, die ja eine deutliche Kritik beinhaltet?

    Backes: Also wir haben sie noch nicht veröffentlicht. Wir haben eine Kurzfassung davon nur ins Internet gestellt. Wir werden erst in zwei Monaten in Buchform die Studie herausbringen können. Wir haben sie nur diskutiert mit den Richtern, Staatsanwälten und mit den Kripobeamten, die wir auch interviewt hatten zu unseren Ergebnissen. Wir hatten eine Abschlussveranstaltung, wo wir mit ihnen diese Ergebnisse besprochen haben. Ja, sie haben die Ergebnisse als Befund nicht in Frage gestellt, im Gegenteil, sie haben noch viel deutlicher und drastischer uns Beispiele dafür gegeben, wie wenig sie eigentlich von der richterlichen Kontrolle halten. Beispiel: Uns haben Staatsanwälte gesagt, wenn wir in unserer Untersuchung festgestellt hätten, dass ja die Richter in 99,9 Prozent der Fälle ihnen den Antrag so bewilligt hätten oder so beschlossen hätten, wie beantragt, dann wäre das doch ein Indiz dafür, wie gut ihre Anträge seien. Sie haben also das Gegenteil daraus gemacht und auch den Schluss gezogen, wir brauchen eigentlich gar nicht den Ermittlungsrichter und den Richtervorbehalt, wir könnten auf den verzichten.

    Durak: Wie erklären Sie sich diese Handlungsweisen?

    Backes: Von den Richtern?

    Durak: Ja.

    Backes: Das hängt mit Vielem zusammen. Es kann damit zu tun haben, dass die Richter überfordert sind, weil sie in der Schnelligkeit, in der diese manchmal unter großem Zeitdruck stehenden Entscheidungen ergehen müssen, überhaupt nicht hinreichend und sorgfältig prüfen können. Sie sind auch mit der Materie nicht vertraut. Es kann sein, dass beispielsweise ein Staatsanwalt monatelang in einer Sache ermittelt hat und dann dem Ermittlungsrichter sagt, bringen Sie in drei, vier Tagen einen entsprechenden Beschluss. Wie soll sich dieser arme Richter durch 25 Leitzordner in der Kürze der Zeit durcharbeiten? Der ist angewiesen auf das, was ihm der Staatsanwalt plausibel erzählt, und wer er ihn noch kennt und für seriös hält, was Juristen gemeinhin auch tun, dann wird er selbstverständlich dem Antrag entsprechen.

    Durak: Immerhin geht es hier um Recht und Gesetz.

    Backes: Natürlich. Uns haben Staatsanwälte gesagt, wenn wir mal auf einen Richter stoßen, der sich querstellt und sagt, das muss ich jetzt sorgfältig prüfen, kommen Sie mal in 14 Tagen wieder, dann schleppen wir ihm alle Leitzordner hin, dann geht er so klein, dass er uns nach zwei Stunden anruft und sagt, Sie können Ihren Beschluss abholen.

    Durak: Vielen Dank für das Gespräch.