Am Nordrand des Geländes, direkt neben dem viel befahrenen Columbiadamm, liegt die Sehitlik-Moschee, das größte islamische Gotteshaus in Berlin. Über einen eigenen Friedhof verfügt die muslimische Gemeinde nicht. Beim Volksentscheid vor zehn Tagen hatte ihr Vorstandsvorsitzender Ender Cetin deshalb ganz auf den Masterplan des Senats gesetzt.
"Die Planungen vom Senat sahen vor, dass ein Hektar am Columbiadamm auch für die Muslime für die Nutzung bereitgestellt werden kann. Das würde dann trotzdem dem Land Berlin gehören, aber die Muslime könnten selbst den Friedhof verwalten."
Den Traum vom eigenen Friedhof müssen die Muslime vorerst begraben. Denn das Land Berlin ist seit dem Volksentscheid gesetzlich verpflichtet, auf eine Veräußerung, Bebauung und Teilprivatisierung des Tempelhofer Feldes zu verzichten. Nirgendwo auf dem Gelände darf gebaut werden. Auch keine Friedhofsmauer. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung prüft nun, ob vielleicht eine Variante ohne feste Einzäunung geht.
"Das wäre auch möglich, wir hätten da nur die Befürchtung wegen Vandalismus, aber dass ein offener Friedhof existiert, ist zumindest besser als dass kein Friedhof existiert."
Auch die Frage, ob ein Biergarten auf dem Gelände fest installiert werden darf, prüft die Verwaltung. Vom Volksentscheid sehr viel stärker betroffen ist die zukünftige Wohnungsbaupolitik des Senats. Denn die 4.700 geplanten Wohnungen am Rande des Tempelhofer Flugfeldes waren der zentrale Baustein in den Planungen von Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Er bedauert, dass nun vor allem günstige Wohnungen nicht gebaut werden können.
"Das Besondere an Tempelhof war ja, dass ich da eine städtische Fläche habe, wo ich mit städtischen Wohnungsbaugesellschaften bauen konnte. Und das habe ich nicht beliebig oft in der Innenstadt, in diesem begehrten S-Bahn-Bereich gibt es eben sehr viele private Flächen, wo dann Eigentum gebaut wird, Eigentumswohnungen oder Luxuswohnungen."
"Stadtgesellschaft muss auch schon Veränderung zulassen"
Innerhalb der Regierungskoalition streitet man nun wieder über die künftige Liegenschaftspolitik. Nur in einem sind sich alle einig: es wird nach dem Volksentscheid schwieriger, die wohnungspolitischen Ziele zu erreichen. Senator Müller erwartet in Zukunft "beinharte Auseinandersetzungen" um einzelne Bauvorhaben.
"Bei jeder Fläche, jeder Brache, jeder Baulücke gibt es irgendjemanden, der sagt: Na, das ist doch schön, ich gucke da gerade auf die Baulücke, da möchte ich keine Baustelle haben, aber: Stadtgesellschaft muss auch schon Veränderung zulassen, dazu gehört auch, dass wir Wohnungen bauen."
Während öffentlich geförderter Wohnungsbau in Berlin zukünftig immer komplizierter wird, muss das Projekt, die Zentrale Landesbibliothek neu zu bauen, nach dem Volksentscheid beerdigt werden. Diese Niederlage gestand der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auch gleich ein.
"Der Wettbewerb, der dort ja noch läuft, der muss gestoppt werden, weil jetzt die Grundlage entfallen ist, ich denke, man sollte ein Moratorium machen, ich bin nach wie vor der Meinung, dass natürlich die Situation der Landesbibliothek sich verbessern muss, deshalb wollten wir einen neuen Bau dafür haben, es ist eine Bildungseinrichtung, mich wundert, dass das so diskriminiert worden ist, aber wir müssen sicherlich noch mal neu nachdenken."
"Neu nachdenken" – das bedeutet im Moment, dass alte Ideen aus den Schubladen der Stadt gekramt werden. So heißt es, das ICC wäre doch ein prima Standort für die Zentrale Landesbibliothek. Oder gar das alt-ehrwürdige Flughafengebäude Tempelhof. Völlig abwegig, sagt Gerhard Steindorf, Geschäftsführer der Tempelhof-Projekt GmbH, die sich um die Vermarktung des Gebäudes kümmert. Die logistischen Voraussetzungen dafür existierten gar nicht.
"Bei 1,2 Kilometer Länge ist das mit dem Buchtransport und mit schneller Verfügbarkeit eigentlich sehr schwierig. Und das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Und wenn Sie aus einem Flugzeughangar eine Bibliothek mit all der Aufenthaltsqualität machen wollen, die eine Bibliothek braucht, dann haben Sie das Denkmal eigentlich nicht mehr. Zumindest innen drin ist der Denkmalschutz passé. Man muss es klug entscheiden, damit das entstehen soll, was wir für die Stadtgesellschaft in der Zukunft auch brauchen. Und nicht: wir machen eine Resteverwertung eines Gebäudes, das jetzt ohnehin schon da ist."
Aber auch die Zukunft der landeseigenen Tempelhof-Projekt GmbH selbst steht in den Sternen. Ihre zentrale Aufgabe war es, am Rande des Flugfelds Baugrundstücke zu erschließen und zu vertreiben und Baurecht zu schaffen. Das entfällt nun. Und das Management des alten Flughafengebäudes könnten auch andere übernehmen.