Eine leer gefegte Gegend, nur drei Kilometer von der Innenstadt entfernt. Hier - rund um die Heidelberg Street - wohnen nur noch wenige - fast alle arm und schwarz. Ausgerechnet hierhin aber, zum Heidelberg Project, pilgern jährlich Zehntausende Besucher aus aller Welt.
"My name is Jennene Whitfield. And I am the Executive Director of the Heidelberg Project in Detroit, Michigan. "
Jennene Whitfield, Geschäftsführerin des Heidelberg Projects, wirkt nicht nur optisch wie die Michelle Obama von Detroit. Sie ist tough, geradlinig und ihr Wort hat Gewicht.
"Dieses Kunstprojekt hat vor 19 Jahren mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich war mal Bankerin - und was ich heute weiter geben möchte: Das ist diese Kraft in uns allen: Wir können uns und die Gesellschaft verändern. Das macht dieses Werk aus, deshalb setze ich mich für das ein, was Tyree Guyton vor 26 Jahren geschaffen hat."
Und zwar am Ort seiner Kindheit. Tyree Guyton ist hier groß geworden - in diesem Viertel in der Heidelberg Street, die dem Projekt den Namen gab. Surreal wirkt sein kunterbuntes Ensemble. Zwischen abgebrannten oder verlassenen Häusern hat er Müll gesammelt - und den Müll zu Kunstobjekten gemacht. An einem Ruinenhaus befestigte er Stofftiere, am nächsten Schallplatten. In einer alten Ulme baumeln Dutzende Schuhe. Aus verlassenen Häusern und Brachflächen wurden bizarre Skulpturen. Ein Freiluft-Panoptikum, das keinen Eintritt kostet. Tyree Guyton lebt zurzeit in Basel. Nach einem Vierteljahrhundert braucht er Abstand.
"Detroit war immer bekannt für seine Visionäre: Leute mit Ideen, die die Welt verändern. Tyree Guyton ist da keine Ausnahme. Das Heidelberg Project hat viele Leben. Wie eine Katze. Es ist zweimal teilweise abgerissen worden - und das ausgerechnet von der Stadt Detroit, die die Botschaft des Künstlers damals nicht verstanden hat. Und heute? Heute reden alle vom "New Art Movement". Verantwortlich für diesen Aufbruch junger Kunst in Detroit ist das Heidelberg Project."
Neue Ordnung ins Chaos bringen, aufräumen, transformieren, mit Kunst eine neue Stadt schaffen - das könnte Tyree Guytons Botschaft sein. Auf jeden Fall provoziert seine Kunst, eckt an.
"Hi, nice to meet you! Come on in. This is the Abreact Performance Space which is a Theatre Company ..."
Ein schriller Ort, zwei Theater teilen sich eine Bühne. Auch das Magenta Giraffe Theatre wird demnächst hier spielen.
"It's a very quirky space but we like it."
Der Putz bröckelt. Rund 40 alte Sessel, Sofas und Stühle stehen rum - fürs Publikum. Einer der Schauspieler wohnt in diesem Loft, das zugleich ein Theater ist. Geld verdient hier niemand, sagt die künstlerische Leiterin Frannie Shepherd-Bates. Dabei war Detroit mal eine echte Theaterstadt.
"Wir haben all diese Theater, die leer stehen und verfallen. Eine Schande: Niemand nutzt sie."
Die Magenta Giraffe Theatre Company spielt immer wieder auch in Gefängnissen, erzählt Frannie Shepherd-Bates:
"Theater ist ein Katalysator für soziale Veränderung. Als mir klar wurde, Detroit braucht seine Künstler, ich war da 24 - da habe ich diese Theater-Kompanie gegründet."
Gary Schwartz, der Filmemacher, Lehrer, Lebenskünstler:
"Die Tatsache, dass in Detroit nichts funktioniert, dass wir hier geradezu einen rechtsfreien Raum haben - das ist die perfekte Situation für Künstler. Hier ist alles möglich. Aber es gibt auch keine Ausrede!"
Detroit ist ein fruchtbares Pflaster für Künstler und Kreative. Sie verändern das Klima der Stadt. Das ist zu spüren. Aber sind sie auch die Rettung für die Stadt? Nein, sagt Toby Barlow. Er ist Kreativdirektor einer Werbeagentur und Autor. Künstler seien schon deshalb nicht die Lösung der Probleme Detroits, weil es nicht die eine Lösung gebe.
"Genau, das ist es ja, was Detroit massiv geschadet hat, dieses Warten auf die große Lösung. Die Stadt hat sich immer auf zwei, drei große Firmen verlassen statt auf viele kleine. Der gleiche Fehler wäre es, jetzt allein auf Kunst und Künstler zu bauen."
Doch die wachsende Künstlergemeinde wird inzwischen als Symbol für einen neuen Aufbruch wahrgenommen: Hier geht was. Das ist das Verdienst von Leuten wie Tyree Guyton, dessen Heidelberg Project nach wie vor von Spenden und Sponsoren lebt. Hipster besuchen es ebenso wie arrivierte Bürger aus der Vorstadt, die hier im Auto ihre Runden drehen. Wer auch immer anreist aus aller Welt - Jennene Whitfield will mehr: Sie plant ein Kunstzentrum, das den Geist dieses Ortes an Kinder und Besucher vermitteln soll.
"Was wir mit diesem Kunstprojekt versuchen: Wir wollen den Menschen Mut machen. Die alte Welt gibt es nicht mehr. Jetzt schaffen wir eine neue. Es geht uns um ein Recycling des Geistes. Wir leben an einem einzigartigen Ort. Wir bauen hier ein neues Detroit. Kunst und Kultur werden dabei eine Rolle spielen."
Mehr Kunst
Auf YouTube stellt Tyree Guyton sein Heidelberg Project selbst vor.
Wer nach dem Hören dieser Sendung nach Detroit ziehen will und ein Atelier sucht, der Trend geht zur Zeit zum Russell Industrial Center.
Wichtige Anlaufstelle für Kunst-Affine: das Museum of Contemporary Art Detroit, kurz MOCAD
"My name is Jennene Whitfield. And I am the Executive Director of the Heidelberg Project in Detroit, Michigan. "
Jennene Whitfield, Geschäftsführerin des Heidelberg Projects, wirkt nicht nur optisch wie die Michelle Obama von Detroit. Sie ist tough, geradlinig und ihr Wort hat Gewicht.
"Dieses Kunstprojekt hat vor 19 Jahren mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich war mal Bankerin - und was ich heute weiter geben möchte: Das ist diese Kraft in uns allen: Wir können uns und die Gesellschaft verändern. Das macht dieses Werk aus, deshalb setze ich mich für das ein, was Tyree Guyton vor 26 Jahren geschaffen hat."
Und zwar am Ort seiner Kindheit. Tyree Guyton ist hier groß geworden - in diesem Viertel in der Heidelberg Street, die dem Projekt den Namen gab. Surreal wirkt sein kunterbuntes Ensemble. Zwischen abgebrannten oder verlassenen Häusern hat er Müll gesammelt - und den Müll zu Kunstobjekten gemacht. An einem Ruinenhaus befestigte er Stofftiere, am nächsten Schallplatten. In einer alten Ulme baumeln Dutzende Schuhe. Aus verlassenen Häusern und Brachflächen wurden bizarre Skulpturen. Ein Freiluft-Panoptikum, das keinen Eintritt kostet. Tyree Guyton lebt zurzeit in Basel. Nach einem Vierteljahrhundert braucht er Abstand.
"Detroit war immer bekannt für seine Visionäre: Leute mit Ideen, die die Welt verändern. Tyree Guyton ist da keine Ausnahme. Das Heidelberg Project hat viele Leben. Wie eine Katze. Es ist zweimal teilweise abgerissen worden - und das ausgerechnet von der Stadt Detroit, die die Botschaft des Künstlers damals nicht verstanden hat. Und heute? Heute reden alle vom "New Art Movement". Verantwortlich für diesen Aufbruch junger Kunst in Detroit ist das Heidelberg Project."
Neue Ordnung ins Chaos bringen, aufräumen, transformieren, mit Kunst eine neue Stadt schaffen - das könnte Tyree Guytons Botschaft sein. Auf jeden Fall provoziert seine Kunst, eckt an.
"Hi, nice to meet you! Come on in. This is the Abreact Performance Space which is a Theatre Company ..."
Ein schriller Ort, zwei Theater teilen sich eine Bühne. Auch das Magenta Giraffe Theatre wird demnächst hier spielen.
"It's a very quirky space but we like it."
Der Putz bröckelt. Rund 40 alte Sessel, Sofas und Stühle stehen rum - fürs Publikum. Einer der Schauspieler wohnt in diesem Loft, das zugleich ein Theater ist. Geld verdient hier niemand, sagt die künstlerische Leiterin Frannie Shepherd-Bates. Dabei war Detroit mal eine echte Theaterstadt.
"Wir haben all diese Theater, die leer stehen und verfallen. Eine Schande: Niemand nutzt sie."
Die Magenta Giraffe Theatre Company spielt immer wieder auch in Gefängnissen, erzählt Frannie Shepherd-Bates:
"Theater ist ein Katalysator für soziale Veränderung. Als mir klar wurde, Detroit braucht seine Künstler, ich war da 24 - da habe ich diese Theater-Kompanie gegründet."
Gary Schwartz, der Filmemacher, Lehrer, Lebenskünstler:
"Die Tatsache, dass in Detroit nichts funktioniert, dass wir hier geradezu einen rechtsfreien Raum haben - das ist die perfekte Situation für Künstler. Hier ist alles möglich. Aber es gibt auch keine Ausrede!"
Detroit ist ein fruchtbares Pflaster für Künstler und Kreative. Sie verändern das Klima der Stadt. Das ist zu spüren. Aber sind sie auch die Rettung für die Stadt? Nein, sagt Toby Barlow. Er ist Kreativdirektor einer Werbeagentur und Autor. Künstler seien schon deshalb nicht die Lösung der Probleme Detroits, weil es nicht die eine Lösung gebe.
"Genau, das ist es ja, was Detroit massiv geschadet hat, dieses Warten auf die große Lösung. Die Stadt hat sich immer auf zwei, drei große Firmen verlassen statt auf viele kleine. Der gleiche Fehler wäre es, jetzt allein auf Kunst und Künstler zu bauen."
Doch die wachsende Künstlergemeinde wird inzwischen als Symbol für einen neuen Aufbruch wahrgenommen: Hier geht was. Das ist das Verdienst von Leuten wie Tyree Guyton, dessen Heidelberg Project nach wie vor von Spenden und Sponsoren lebt. Hipster besuchen es ebenso wie arrivierte Bürger aus der Vorstadt, die hier im Auto ihre Runden drehen. Wer auch immer anreist aus aller Welt - Jennene Whitfield will mehr: Sie plant ein Kunstzentrum, das den Geist dieses Ortes an Kinder und Besucher vermitteln soll.
"Was wir mit diesem Kunstprojekt versuchen: Wir wollen den Menschen Mut machen. Die alte Welt gibt es nicht mehr. Jetzt schaffen wir eine neue. Es geht uns um ein Recycling des Geistes. Wir leben an einem einzigartigen Ort. Wir bauen hier ein neues Detroit. Kunst und Kultur werden dabei eine Rolle spielen."
Mehr Kunst
Auf YouTube stellt Tyree Guyton sein Heidelberg Project selbst vor.
Wer nach dem Hören dieser Sendung nach Detroit ziehen will und ein Atelier sucht, der Trend geht zur Zeit zum Russell Industrial Center.
Wichtige Anlaufstelle für Kunst-Affine: das Museum of Contemporary Art Detroit, kurz MOCAD