Billigplattformen
Temu, Shein & Co: Muss die Billigware aus China begrenzt werden?

Chinesische Onlinehändler wie Temu und Shein überschwemmen Europa mit günstiger Ware. Die Kritik an Qualität, Herkunft und Produktion der Ware ist groß. Zudem besteht der Verdacht, dass Steuern und Zölle umgangen werden.

    Das Bild zeigt ein orangenes Paket mit der Aufschrift "Temu". (Photo by Nikos Pekiaridis/NurPhoto)
    Billigware wie aus dem Ein-Euro-Shop gibt es bei Temu: im Internet aggressiv beworben mit Rabatt- und Gewinnspielaktionen. (picture alliance / NurPhoto / Nikos Pekiaridis)
    Der Onlineshop Temu verspricht ein Luxus-Shopping-Erlebnis zum erschwinglichen Preis, ohne das Budget zu strapazieren. Ebenso mischen Apps wie AliExpress und Shein im europäischen Markt mit ihren günstigen Angeboten kräftig mit. Doch die chinesischen Online-Plattformen stehen stark in der Kritik.

    Inhalt

    Was bieten Onlineplattformen wie Temu an?

    Onlineplattformen wie Temu oder AliExpress bieten eine breite Palette an Produkten an, die von Kleidung und Elektronik bis hin zu Haushaltswaren reichen: Shampoobürsten für das Haustier, automatische Luftkompressoren, aber auch eine Smartwatch, die eine bestechende Ähnlichkeit zu Apple-Produkten hat. Das alles für ein paar Euro. Shein ist stark auf Kleidung spezialisiert.

    Wie unterscheiden sie sich von anderen Plattformen wie zum Beispiel Amazon?

    Temu, Shein oder Ali Express verfolgen eine aggressive Preispolitik, um Aufmerksamkeit zu bekommen - zum Teil mit absurden Rabatten von bis zu über 90 Prozent. Dies wird durch "Dropshipping" ermöglicht: Die Produkte werden direkt von den Herstellern ab Fabrik in China nach Deutschland verschickt, ohne Zwischenhändler. So sollen neue Märkte erobert und anderen Anbietern wie zum Beispiel Amazon Konkurrenz gemacht werden.
    Amazon hingegen hat eine gemischte Struktur mit Verkäufern aus der ganzen Welt, einschließlich lokaler Händler. Amazon nutzt auch eigene Lagerhäuser, um schnellere Lieferungen zu ermöglichen.
    Bei Amazon wird ein großer Teil des Geschäfts durch den Marktplatz erzielt, und dieser Anteil wächst weiterhin. Gleichzeitig betreibt Amazon jedoch auch einen eigenen Handel. Bei Plattformen wie Temu ist dies nicht der Fall; sie dienen ausschließlich als Marktplatz für Händler und verkaufen keine eigenen Produkte.
    Bei Temu können der Kundenservice und die Rückgabebedingungen variieren und sie sind oft weniger stringent als bei Amazon. Amazon legt großen Wert auf Kundenzufriedenheit, bietet umfangreiche Rückgaberechte und einen robusten Kundenservice.

    Warum funktioniert das Konzept so gut?

    Durch die direkte Verbindung zu chinesischen Herstellern und geringe Margen können extrem wettbewerbsfähige Preise angeboten werden - sogar ohne Versandkosten. Die große Vielfalt an Produkten zieht eine breite Kundschaft an - mit Rabatten und Billigpreisen besonders die Schnäppchenjäger. Und es wird weltweit versandt. Hinzu kommt aggressive Werbung - so etwa bei der Fußball-EM in Deutschland.
    Hat man sich beispielsweise bei der App Temu registriert, greift die "Gamification-Strategie": Es werden regelmäßig neue Rabatt-Countdowns, Glücksräder oder andere Spiele eingeblendet, um zum Kauf zu animieren.
    Im App Store oder Google Play Store rangiert Temu seit Monaten unter den Toppositionen, bei den Online-Shopping-Plattformen ist Temu bereits unter die Top 4 aufgestiegen. Schätzungen zufolge werden täglich 100.000 Shein- und 400.000 Temu-Pakete per Flugzeug nach Deutschland geliefert. Laut Temu nutzen monatlich rund 75 Millionen Menschen in der EU die Plattform. Temu hält vor allem junge Käufer oft bis zu einer Stunde fest, um sie zum Kauf von Wegwerfartikeln zu verleiten, die sie ursprünglich nicht wollten.
    Dieser Erfolg ist mit hohen Kosten verbunden. Temu investiert stark in teure Werbung, wie etwa während des Superbowls in den USA oder der Fußball-EM in Deutschland, und arbeitet mit Influencern zusammen. Dies macht den Markteintritt für Temu derzeit sehr kostspielig.
    Das alles sei aber nur der erste Schritt, um eine Infrastruktur aufzubauen, vermuten Handelsexperten wie Theresa Schleicher bei Dlf Nova. Langfristig könnte Temu die Preise erhöhen und damit auch andere Kunden ansprechen. Damit würde Temu zu einer achten Konkurrenz für Amazon oder Zalando.

    Wer steckt dahinter und welche Kritik gibt es an Temu, Shein & Co.?

    Temu ist eine Tochtergesellschaft von Pinduoduo, einem großen chinesischen E-Commerce-Unternehmen. Pinduoduo ist bekannt für seine gruppenbasierten Einkaufsmodelle und seinen sozialen E-Commerce-Ansatz, der Käufer zur Interaktion und gemeinsamen Bestellung anregt, um günstigere Preise zu erzielen.
    Der chinesische Onlinehandel steht aus mehreren Gründen stark in der Kritik: Viele Verbraucher und Behörden kritisieren die niedrigeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards chinesischer Produkte im Vergleich zu denen, die auf westlichen Plattformen verkauft werden. Es gibt Berichte über minderwertige oder unsichere Produkte, die nicht den Standards in Europa entsprechen.
    Zudem lautet ein Vorwurf, dass Produkte oft unter ihrem wirklichen Wert deklariert werden, um niedrigere Zölle zu zahlen oder Steuern zu umgehen. Dadurch hätten chinesische Verkäufer einen unfairen Vorteil gegenüber einheimischen Unternehmen, die sich an die lokalen Regeln halten müssen.
    Des Weiteren stehen die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, die für den chinesischen Onlinehandel produzieren, in der Kritik. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, niedrigen Löhnen und unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeiter.
    Ein weiteres großes Problem ist die miserable Umweltbilanz durch den weltweiten Versand und Rückversand. Hinzu kommen Verletzungen von Marken- und Urheberrechten: Viele Produkte auf chinesischen Plattformen seien gefälscht oder kopierten Markenprodukte, was den betroffenen Marken schade und Verbraucher täuschen könne, so ein Vorwurf.
    Temu weist die Vorwürfe zurück. Pakete würden nicht aufgeteilt, um den Zoll zu umgehen, sondern zum Beispiel aus logistischen Gründen, sagte ein Unternehmenssprecher. „Temu verpflichtet sich, die Gesetze und Vorschriften in allen Märkten, in denen wir tätig sind, einzuhalten. Wir stellen dieselben hohen Anforderungen an unsere Lieferanten." Diese müssten relevante Unterlagen einreichen und stichprobenartige Kontrollen durchlaufen. Nicht konforme Produkte würden aus dem Verkauf genommen. Gegen Produktfälschungen werde entschieden vorgegangen, Inhaber geistiger Eigentumsrechte könnten Löschungsanträge einreichen. Temu verpflichte sich zu ethischen Arbeitspraktiken und verlange die Einhaltung aller lokalen Arbeitsgesetze.*
    Verbraucherschützer aus mehreren europäischen Ländern haben eine Beschwerde gegen Temu eingereicht. Temu wird vorgeworfen, gegen EU-Gesetze für digitale Dienste zu verstoßen und manipulative Techniken einzusetzen. Zudem sei das Löschen von Kundenkonten schwierig. Die deutsche Verbraucherzentrale hatte Temu bereits abgemahnt. Temu gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab.*

    Wie geht die Politik mit den massiven Vorwürfen an Temu und Co. um?

    Politiker wie NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk unterstreichen die Notwendigkeit strengerer Kontrollen. Auf der Finanzministerkonferenz der Bundesländer in Bremen wurde intensiv darüber beraten, wie die Zollkontrollen verschärft und Steuerausfälle reduziert werden können.
    Denn eigentlich werden auf Pakete ab einem Warenwert von 150 Euro Zollgebühren fällig. Der Vorwurf an Temu und Co.: Im Zweifel werden größere Bestellungen einfach in Einzelpaketen verschickt, um den zollfreien Betrag so nicht zu überschreiten und die fällige Umsatzsteuer niedrig zu halten.

    Temu soll Sicherheit garantieren

    Um das zu ändern, bedarf es aber wohl vor allem eine Reformierung auf EU-Ebene. Denn ein Großteil der Produkte der chinesischen Online-Händler wird zentral in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union abgefertigt und anschließend an die Empfänger in Deutschland weitergeleitet. Und damit unterliegen diese Pakete gar nicht mehr der Überwachung des deutschen Zolls. Die EU-Kommission plant, die Zollregeln bis 2028 zu ändern.

    EU will Regeln für Zoll ändern

    Die EU-Kommission hat zudem strengere Vorschriften für den chinesischen Online-Händler Temu angekündigt. Bis Ende September muss Temu Maßnahmen gegen Produktfälschungen und Verletzungen geistiger Eigentumsrechte umsetzen. Zudem werden jährliche Risikobewertungsberichte zur Verbraucher- und Produktsicherheit verpflichtend.
    * Hinweis: Wir haben die Stellungnahme von Temu ergänzt.

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