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Tenhagen: Für Anleger gibt es zur großen Nervosität überhaupt keinen Anlass

Moody's nenne "offenkundig nur Dinge, die Leute schon wissen", sagt Hermann-Josef Tenhagen zur möglichen Herabstufung Deutschlands. Der Chefredakteur der "Finanztest" rät, "cool" zu bleiben und Anlagen, die man vorher gemacht hat, durchaus weiterzumachen.

Jule Reimer im Gespräch mit Hermann-Josef Tenhagen |
    O-Ton Philipp Rösler: "Ich glaube, für viele Fachleute, für die FDP, auch für mich hat ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone längst seinen Schrecken verloren."

    Jule Reimer: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler am Sonntag. - Die Märkte hörten es nicht gerne, hinzu kamen allerhand Spekulationen, der IWF und andere würden Griechenland weitere Hilfe versagen. Und dann hatten wir den Salat: In ganz Europa brachen gestern die Aktienkurse ein, der Euro ist so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Dann legte gestern Abend die Ratingagentur Moody's nach und senkte den Ausblick für die Kreditwürdigkeit Deutschlands auf negativ. Damit droht der größten Volkswirtschaft der Eurozone der Verlust ihrer Top-Bonitätsnote Triple A, also dreimal A. Allerdings hielt sich die Reaktion an den Finanzmärkten in Grenzen.

    Am Telefon in Berlin ist Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest" bei der Stiftung Warentest. Herr Tenhagen, was passiert denn hier gerade an den Märkten?

    Hermann-Josef Tenhagen: Na ja, diese Erklärung von Moody's bewegt die Märkte deswegen nicht, weil die Ratingagentur ja nichts verkündet, was nicht alle Leute schon wissen, nämlich dass es im Euroraum Probleme gibt und dass die Deutschen dabei sozusagen mit in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, nämlich als Zahlmeister für spätere Schulden, die dann nicht anders beglichen werden können. Von daher, weil die Märkte das alles schon wissen, gibt es da auch keine besonderen Reaktionen und man muss sich da auch jetzt nicht besonders beunruhigen wegen Moody's. Früher war das so, dass Ratingagenturen etwas verkündet haben, was Leute noch nicht wussten und weshalb sie dann möglicherweise andere Entscheidungen treffen. Heute verkünden die offenkundig nur Dinge, die Leute schon wissen.

    Reimer: Aber die Aktienmärkte sind ja eingebrochen. Was ist denn die Konsequenz? Muss ich jetzt als Anleger umschichten, cool bleiben?

    Tenhagen: Cool bleiben ist in jedem Fall immer richtig. Wenn man sich die Aktienmärkte anschaut, dann haben die natürlich Sorge, wie das mit Griechenland wirklich weitergeht und ob die Griechen möglicherweise dann doch aus dem Euroraum rausfliegen oder sich rauskatapultieren. Eigentlich ist es aber so, dass man das, was man vorher als Anlage gemacht hat, durchaus weitermachen kann. Wir haben uns im aktuellen "Finanztest" gerade angeschaut, wie sind denn Eurorentenfonds unterwegs und wie sind Aktienfonds, die in Europa anlegen, unterwegs, und da gibt es ein paar gute Fonds und es gibt nicht so gute Fonds, und dann sollte man sich an die Guten halten. Deswegen macht man ja solche Bewertungen. Und zu besonders großer Nervosität ist überhaupt jetzt kein Anlass.

    Reimer: Das gilt aber jetzt nicht für Menschen, die in Südeuropa investiert haben, oder doch?

    Tenhagen: Na ja, wer in Südeuropa investiert hat in den Letzten, sagen wir mal, zwei bis drei Jahren, der ist ja sehr risikobewusst, man kann auch Zocker sagen. Wer das also macht, der hofft, dass das gut geht und dass das für ihn besonders hohe Renditen abwirft, also dann fünf, sechs, sieben Prozent vielleicht für die Staatsanleihen, die man gekauft hat, und wenn es nicht gut geht, hat man möglicherweise einen Verlust. Damit müssen die Leute, die das jetzt in den letzten zwei Jahren gemacht haben, rechnen. Man geht halt ein höheres Risiko ein, wenn man das tut.

    Reimer: Apropos Renditen! Die Renditen der Produkte, in die Lebensversicherer zum Beispiel investieren, Bundesanleihen zum Beispiel, hier sind die Zinsen ja lax gesagt im Nullbereich angekommen. Müssen wir uns Sorgen um unsere private Alterssicherung machen im Rahmen der Krise?

    Tenhagen: Die Altersvorsorge, da gibt es natürlich ein Problem. Wenn sich der Herr Schäuble für zehn Jahre Geld leiht und noch 1,2 Prozent zahlt, dann können die Lebensversicherer, die dann diese Schuldtitel aufkaufen, ihren Kunden nicht 3,5 Prozent anbieten auf Dauer. Das heißt, die müssen schon gucken, wie sie auf die Dauer bessere Möglichkeiten finden, Rendite zu verdienen.

    Reimer: Dann wird es aber risikoreicher.

    Tenhagen: Na ja! Ich meine, im Augenblick ist es so, dass zum Beispiel die großen deutschen Versicherer alle Baufinanzierungen machen, weil der deutsche Häuslebauer, der bezahlt ja dann im Zweifel drei oder vielleicht sogar noch mal 3,5 Prozent, und der gilt als sicher, weil die Leute ja für ihre Immobilie sich wirklich krummlegen und die Schulden auch zurückbezahlen, und 3,5 Prozent sind allemal besser als 1,2 Prozent von Herrn Schäuble. Wir sehen in der aktuellen Ausgabe von "Finanztest", dass die Allianz ganz vorne dabei ist, was die Baufinanzierung angeht, und auch die HUK Coburg macht das.

    Reimer: Also doch keine Sorgen um die Rente?

    Tenhagen: Na ja. Das eine, was man schon sich klar machen muss: Die Renten, die früher mal versprochen worden sind aus der privaten Altersvorsorge, die werden eher niedriger ausfallen. Wir hatten zwar früher auch andere Inflationsvorstellungen, aber sie werden einfach niedriger ausfallen und man muss sich darauf einrichten, dass man dann mit 65, 63 oder 67 eben nicht ganz so viel Geld aus diesem Vertrag herausbekommt, oder vielleicht nicht ganz so viel Rente bekommt, und wenn man dann ein Problem hat, dann muss man sich darum kümmern.

    Reimer: Empfehlungen zur Geldanlage von Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest" - vielen Dank!

    Tenhagen: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.