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Tenhagen: Kunde kann bei Dispozinsen nicht gut vergleichen

Die Stiftung Warentest hat versucht, die Dispozinsen von 1500 Banken zu vergleichen. Bei vielen Banken wurden die Informationen nicht freiwillig mitgeteilt, kritisiert der Chefredakteur von "Finanztest" Hermann-Josef Tenhagen. In der Tendenz seien kleinere Banken im ländlichen Raum teurer.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Benjamin Hammer |
    Benjamin Hammer: Johannes Frewel mit den Zahlen der Stiftung Warentest, und mit einem der Koordinatoren der Untersuchung bin ich jetzt am Telefon verbunden. Hermann-Josef Tenhagen ist Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest", die ja zur Warentest-Familie gehört. Guten Tag, Herr Tenhagen!

    Hermann-Josef Tenhagen: Guten Tag!

    Hammer: Die Banken können sich Geld bei den Zentralbanken leihen, im Moment fast zum Nulltarif. Warum wird das bei den Dispozinsen nicht an den Kunden weitergegeben?

    Tenhagen: Also, unsere Analyse ist, es wird nicht weitergegeben, weil die Konkurrenz nicht groß genug ist und weil der Kunde auch gar nicht gut vergleichen kann. Wir haben ja bei über 1500 Banken versucht, selber zu vergleichen, die Stiftung Warentest hat ja einen Apparat dazu. 400 Banken haben uns freiwillig mitgeteilt, wie ihr Dispo-Zins ist. Bei über 500 haben wir ihn dann im Internet gefunden, und bei 600 gab es ihn nicht im Internet und man hat es uns auch nicht freiwillig mitgeteilt, sodass wir dann Testkunden durch die ganze Republik schicken müssen für einige 10.000 Euro, um das zu ermitteln.

    Hammer: Jetzt haben wir gehört, dass die Volks- und Raiffeisenbank einmal einen Spitzenplatz einnimmt, dann wieder ganz unten ist. Können Sie uns weiterhelfen? Gibt es bestimmte Banken, bestimmte Genossenschaftsbanken, die besonders teuer sind, oder kann man das so nicht sagen.

    Tenhagen: Also, was man sagen kann, in der Tendenz ist es so, dass kleinere Banken im ländlichen Raum, die da über eine Monopolstellung verfügen, teurer sind. Häufig ist es auch so, dass dann vor Ort die Sparkasse und die Volksbank oder die Sparkasse und die Raiffeisenbank beide relativ teuer sind, wo zwei Orte weiter möglicherweise beide relativ preiswert sind. Das ist eine Tendenz. Ansonsten gibt es eine zweite Tendenz, dass gerade bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken es leider so ist, dass die ihre Dispozinsen nicht im Netz veröffentlichen. Das heißt, die haben zwar alle einen Internetauftritt und sind auch alle da hinterher, im Internet Geschäfte zu machen und da modern zu sein, aber dem Kunden wesentliche Vertragsbedingungen, zum Beispiel fürs Girokonto, mitzuteilen im Internet, oder einem potenziellen Kunden das mitzuteilen, das machen sie leider nicht.

    Hammer: Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken haben der Stiftung Warentest und damit auch Ihnen heute Stimmungsmache vorgeworfen. Überziehungskredite seien nun mal unbesichert und damit die teuerste Form der Kreditgewährung.

    Tenhagen: Na ja, die bayerische Verbraucherministerin hat eine gute – also Frau Aigner hat ja eine Studie in Auftrag gegeben vor einem Jahr und hat dabei festgestellt, dass gerade die Dispokredite eben nicht ausfallen, dass die Banken viel mehr Probleme mit dem Ausfall von Ratenkrediten haben als mit dem Ausfall von Dispokrediten. Und von daher gibt es da also ein großes Risiko nicht. Was aber auffällt, dass in der Tat – gerade in Bayern haben wir 44 Banken gefunden, die einen Dispozins von 13,0 Prozent oder höher haben. Das ist bundesweit Spitze.

    Hammer: Jetzt könnte ja der Ruf nach einer Regulierung durch die Politik laut werden, die haben Sie gerade angesprochen, nach einer Obergrenze zum Beispiel für Dispozinsen. Die Stiftung Warentest will das aber nicht. Warum nicht?

    Tenhagen: Wir wollen erst mal Markt. Wir wollen, dass der Markt funktioniert. Die Aufgabe der Stiftung Warentest ist, die Daten so aufzubereiten, herbeizuführen, dass die Leute sich informieren können und dann informiert entscheiden können. Wir haben im Augenblick das Problem, dass die Verbraucher gar nicht informiert entscheiden können, weil Banken eben zum Beispiel ihren Dispozins nicht veröffentlichen, sodass ein neuer Kunde, der sich überlegt, will ich denn zu dieser Bank gehen, oder ein wechselwilliger Kunde überhaupt keine Chance hat, einfach herauszufinden, was denn das Girokonto, was der Dispo bei dieser neuen Bank kosten würde. Wenn er das herausfinden könnte, wenn es einfach wäre, dann würden ja möglicherweise mehr Kunden auch wechseln, und der Druck auf Institute, die zu teuer sind, würde steigen. Wir sehen das bei der Baufinanzierung, wir sehen das bei Ratenkrediten. Dort, wo es einen bundesweiten Markt gibt, fallen die Zinsen. Und es sind auch die kleinen Institute, die durchaus bei dem Zinswettbewerb mithalten können und gute Baufinanzierungskonditionen zum Beispiel anbieten.

    Hammer: Aber eine gewisse Transparenz, die gibt es ja schon heute, unter anderem durch Ihre Tests. Sind die Tests zu schlecht oder lesen die Leute zu wenig in Ihren Heften?

    Tenhagen: Also, das war das erste Mal, dass wir sie wirklich alle erhoben haben. Wir machen seit vier Jahren den Versuch. Erst haben wir es immer freundlich gemacht. Wir haben einen Brief geschrieben, sind dann ins Internet gegangen. Im letzten Jahr haben wir ein bisschen das verschärft und haben tatsächlich – mein Chef, Hubertus Primus, unsere Redakteure, Projektleiter haben uns mit 20, 30 Leuten zusätzlich hingesetzt und haben allen Banken noch einmal nachtelefoniert, die uns keine Daten liefern wollten. Und das war eine doch relativ frustrierende Erfahrung, weil man wirklich nicht bereit war, Daten zu einem Vergleich bereitzustellen. Und daraufhin haben wir uns dann hingesetzt und gesagt, so geht das nicht. Transparenz muss hergestellt werden. Und wir haben uns für dieses Jahr das eben vorgenommen und sind tatsächlich allen 1500 und ein paar Banken hinterhergestiegen, wenn sie die Daten nicht herausrücken wollten.

    Hammer: Die Dispozinsen sind im Schnitt noch immer unverschämt hoch. Das meinen Verbraucherschützer. Und das war Hermann-Josef Tenhagen von der Zeitschrift "Finanztest". Besten Dank!

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