Das Finale der US Open am 11. September. Der entscheidende dritte Satz. Nach 2:07 Stunden schlägt Karolina Pliskova den Ball ins Aus. Angelique Kerber gewinnt ihren zweiten Grand Slam, sie sinkt zu Boden, vergräbt ihr Gesicht in den Händen.
Bereits nach dem Halbfinale in New York steht fest: Sie ist Weltranglistenerste, löst Serena Williams ab, die seit Februar 2013 ununterbrochen an der Spitze stand.
Angelique Kerber: so erfolgreich wie nie
Es ist der zweite Grand-Slam-Sieg in diesem Jahr. Der erste, bei den Australian Open, markierte den Beginn des erfolgreichsten Jahres in der Karriere der Angelique Kerber. Das würdigte auch die Bezwungene, Serena Williams.
"Angie, congratulations. You did so well. You really deserved it. You played the best in the tournament, let me be the first to congratulate you and I am so happy for you and I really hope you enjoy this moment."
Kerber habe den Sieg verdient, weil sie das beste Tennis des Turniers gespielt habe. Sie sei glücklich für sie, so Williams, und hoffe, sie genieße den Moment.
Bei den WTA-Finals, der inoffiziellen Tennis-WM, treten die besten acht der Welt an. Kerber geht als Favoritin in das Turnier in Singapur - zumal Serena Williams, weiterhin die ärgste Konkurrentin, wegen Schulterproblemen nicht am Start ist. Bisher kam Kerber nie über die Gruppenphase hinaus. In diesem Jahr soll das anders sein.
"Man spielt hier mit den besten Spielerinnen der Welt. Mein Ziel ist es so weit zu kommen und so viele Matches zu gewinnen. Bis zum Ende natürlich", so Angelique Kerber im ARD-Morgenmagazin. Für die Deutsche wird sich aber an ihrem Spitzenplatz der Weltrangliste nichts ändern, egal wie weit sie kommt - weil Williams passen muss.
"Natürlich ist das Gefühl ein bisschen besser, wenn man weiß, man ist auf jeden Fall bis zum Ende des Jahres Nummer eins und man wird auch nächstes Jahr als Nummer eins das Jahr starten."
Acht deutsche Spielerinnen unter den Top 100
Völlig unerwartet kommt Kerbers Erfolg nicht, erklärt Reiner Beushausen, der für Sportentwicklung zuständige Vizepräsident des Deutschen Tennisbundes. Er sagte im Deutschlandfunk:
"Wir sind vor eineinhalb Jahren mit einem neuen Präsidium gestartet, und haben auch entsprechende Grundlagen gelegt. Insofern war ein solcher Erfolg nur eine Frage der Zeit. Zunächst mal haben ja auch meine Kollegen, die für den Leistungssport zuständig sind, zwei fantastische Verträge mit unseren zwei fantastischen Trainern Michael Kohlmann und Barbara Rittner erneuert und viele andere Dinge auf den Weg gebracht, sodass auch im Leistungssport entsprechende Grundlagen gelegt wurden und die Ergebnisse sehen wir heute."
Die vom Verbandsvize hochgelobte Barbara Rittner, Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams, ist überzeugt, dass Angelique Kerbers Erfolge eine Strahlkraft für die gesamte Mannschaft haben. Sie sagte im Deutschlandfunk-Sportgespräch:
"Das macht ein Team natürlich noch stärker, der Respekt der anderen Teams wächst auch, wenn man einen Grand Slam Sieger in den eigenen Reihen hat."
Kerber ist als Nummer eins der Weltrangliste zwar das große Vorbild, aber noch sieben weitere deutsche Spielerinnen sind unter den ersten Hundert der Weltrangliste. Darunter Annika Beck, Andrea Petkovic und - die Aufsteigerin des Jahres: Laura Siegemund, inzwischen auf Platz 29 der Welt. Sie hat sich im vergangenen Jahr um fast 100 Plätze verbessert.
"Ich habe jetzt einfach konstant meine Leistung erhöht, über eine längere Zeit auch schon. Jetzt erst seit Kurzem auf größeren Bühnen sag ich mal."
Siegemund würde sich auch über eine Nominierung im Fed-Cup, der Nationalmannschaft, freuen. Sie ist mit 28 Jahren keine junge Senkrechtstarterin. Für Teamchefin Barbara Rittner ist sie eher eine alte Bekannte.
"Natürlich habe ich die immer im Blick und die Tür steht offen. Also da bin ich keine, die sagt, eine über 28 kommt mir nicht in die Tüte, sondern im Gegenteil. Und insofern ist das schön, eine mehr in den Top 100, Konkurrenz belebt das Geschäft, und ich als Teamchefin freue mich natürlich."
Enge Absprache mit den Heimtrainern
Eines von Barbara Rittners Erfolgsrezepten ist die enge Absprache mit den Heimtrainern der Spielerinnen. Wie wichtig die sind, weiß sie als ehemaliger Tennisprofi aus eigener Erfahrung.
"Wenn die Spielerinnen spüren, dass das ein Miteinander ist, und dass man wirklich an einem Strang zieht, dann glaube ich, mobilisiert das in wichtigen Momenten noch mal Extrakräfte. Und insofern ist das ein ganz wichtiger Teil meiner Arbeit zu kommunizieren und alle mit ins Boot zu holen. Das ist einfach ein konstruktiver Austausch, der ganz, ganz wichtig ist, dass man sich gemeinsam weiterentwickelt."
Die Saison ist fast beendet. Nach zwei Grand-Slam-Titeln, Silber bei den Olympischen Spielen, aber auch vielen zähen Matches, bei denen am Ende keine zählbaren Erfolge zu Buche standen, ist die Nummer eins, Angelique Kerber, froh darüber.
"Aber trotzdem versuche ich jetzt noch mal alles aus mir rauszuholen. Es ist jetzt das letzte Turnier. Ich weiß es. Und meine letzten Reserven werde ich auf jeden Fall auf dem Platz lassen in dieser Woche."
Kerbers Ziel: Die Saison als Beste der acht Besten abzuschließen, am kommenden Sonntag, bei den WTA Finals in Singapur. Die werden erstmals seit vielen Jahren wieder in ARD und ZDF übertragen. Ein weiterer Beleg für den Stellenwert der Erfolge der Deutschen, die nun auch noch von der WTA zur Spielerin des Jahres gewählt wurde.