Finanzielle Schere im Tennis
Wie sich Djokovic für finanzschwächere Tennisprofis einsetzt

Tennis ist ein Profisport für wenige. Denn er ist sehr teuer. Nur Topspielerinnen und -spieler heimsen große Preisgelder ein und können hauptberuflich vom Tennis leben. Der serbische Superstar Novak Djokovic bemängelt das - und kämpft für mehr Mitsprache der Profis.

Von Andreas Thies | 13.07.2024
Novak Djokovic zeigt im Wimbledon-Viertelfinale gegen Lorenzo Musetti einen beidhändigen Return
Der serbische Tennis-Superstar Novak Djokovic ist Tennis-Multimillionär. Wer aber als Tennisprofi nicht über die Maßen erfolgreich ist, hat durchaus mal finanzielle Schwierigkeiten. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Geoff Burke)
Wer 24 Grand Slams gewonnen hat, der kann nach einem mühelosen Sieg in der dritten Runde von Wimbledon zu einer Grundsatzrede ansetzen. Genau das tut Novak Djokovic, als er danach gefragt wird, wie er dazu stehe, dass bei den Grand Slams immer noch auf drei Gewinnsätze gespielt wird. Er sagt nicht nur, dass er sich bei den Grand Slams ein Hybridmodell vorstellen könnte – in den ersten Runden Spiele über zwei Gewinnsätze, gegen Ende dann über drei.

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Djokovic: "Glaube, wir machen da einen schlechten Job"

Er mahnt auch, dass Tennis innovativer werden müsse – sonst würden sich gerade junge Menschen immer mehr kurzweiligeren Varianten wie Padel zuwenden. Und er stellt die Frage, was getan werden könne, damit mehr Profis von Tennis leben können:
"Tennis ist eine der Sportarten, die von den meisten Zuschauern gesehen wird. Wir müssen die Zahl der Spieler steigern, die von diesem Sport leben. Sehr selten sehe ich von euch in den Medien, dass nur 350 oder 400 Leute von diesem Sport leben und das besorgt mich. Ja, wir sprechen über die Grand-Slam-Sieger, die viel gewinnen und es geht immer nur um den Großen Preis, aber was ist mit dem Grundlevel? Ich glaube, wir machen da wirklich noch einen schlechten Job."

Tennisprofis sind Einzelunternehmer

Tennisprofis sind Einzelunternehmer. Sie spielen Woche für Woche auf den Turnieren der ITF-, WTA- oder ATP-Tour, viele spielen an den Wochenenden Vereinstennis, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Hat man es auf die beiden großen Touren der WTA oder ATP geschafft, kann viel Geld verdient werden. Darunter wird es schwierig. Bei vielen reicht es so gerade, dass sie den Flug zum nächsten Turnier bezahlen können. Für viele weitere ist Profitennis ein Zuschussgeschäft.
Constantin Frantzen und Hendrik Jebens spielen seit Anfang des Jahres 2023 miteinander Doppel. Sie hatten das Können, um sich schnell durch die untersten Klassen bis an die Geldtöpfe der Grand Slams zu spielen.
In dieser Woche haben sie mit dem Einzug ins Viertelfinale den größten Erfolg ihrer Karriere gefeiert. Umgerechnet ca. 100.000 Euro, die sie sich als Duo teilen müssen, bringt ihnen dieser Siegeszug. Sie sparen das Geld aber nicht komplett, sondern investieren es in die eigene Karriere, zum Beispiel in mitreisende Coaches.
Frantzen erklärt: "Das gibt einen Rückhalt, dass man mit einem gewissen Geld planen kann und dass man sagen kann: Könnt ihr mitkommen? Dann können die auch besser planen und das gibt uns Rückhalt, dass wir planen können."

Irgendwann kommt der finanzielle Druck im Tennis

Auf der ITF-Ebene, also bei Spielern, die jenseits der Top-300 spielen, wird es eng, mit Tennis Geld zu verdienen. Auf diesen Turnieren reicht das Preisgeld kaum, um die Kosten wieder einzuspielen. Auch das kennt Hendrik Jebens: "Ich spiele schon seit 2017, das erste Jahr guckt man mal, das ist wie ein normaler Student, probiert vielleicht mal was aus, nach zwei bis drei Jahren kommt aber der Druck. Ich habe auch neben dem Tennis noch Sachen gemacht. Da sagt man sich schon ab 22 bis 23, ich kann nicht mit 8.000 Euro im Jahr rausgehen, da fühlt man den Druck. Dann bleibt man dran."
Er fährt fort: "Wir haben das Privileg: Wir haben noch Klubmatches. Man spielt viele Klubmatches, ich habe in Luxemburg, Italien, Schweiz, Frankreich mehr verdient als auf der ITF-Tour. Ich war kurz davor, aufzuhören, weil ich gesagt habe, ich sehe keine Perspektive. Mache ich was Zweites, schadet es meiner Karriere?"

Spielergewerkschaft und neue Profiabsicherung der ATP-Tour

Novak Djokovic hat vor wenigen Jahren zusammen mit seinem kanadischen Kollegen Vasek Pospisil die Spielergewerkschaft PTPA (Professional Tennis Players Association) gegründet. Das Ziel: größere Mitsprache der Profis. Vorzeigbares gibt es allerdings noch nicht.
Dafür ist einer der Verbände jetzt vorangegangen. Die Herrentour ATP hat in diesem Jahr das Programm „Baseline“ aufgelegt. In dem wird den Spielern zwischen Platz 1 und 250 ein Grundgehalt versichert. Wer als Top-100-Spieler nicht mindestens 300.000 Dollar Preisgeld erwirtschaftet hat, für den stockt die ATP das Gehalt bis zu dieser Grenze auf. In mehreren Stufen sinkt dieser Betrag dann auf immerhin noch 75.000 Dollar bis zur Nummer 250 der Weltrangliste.

Jebens: "Manche Jungs gehen mit unter 20.000 Euro raus"

Für die Spieler dahinter gibt es diese Absicherung aber noch nicht. Auch die Spielergewerkschaft PTPA vertritt nur die Interessen der Top-500 der Weltrangliste.
Hendrik Jebens plädiert dafür, nicht die Spieler weiter hinten zu vergessen: "Was essenziell ist: die Spieler auf den Future- und Challenger-Turnieren. Die spielen richtig gut, die trainieren genau so wie wir und manche bleiben vielleicht hängen, weil man diese finanziellen Hintergedanken hat. Die sollten viel besser entlohnt werden als momentan. Da gehen manche Jungs mit unter 20.000 Euro raus, die unter den Top-500 der Welt sind. Das ist schade, das sind die Talente von morgen, auch wenn sie vielleicht älter sind. Da muss sich was ändern."
Novak Djokovic hat diese Sorgen nicht. Ein Sieg bei einem der Grand-Slam-Turniere wird mit mindestens zwei Millionen Euro entlohnt. Djokovic spielt nicht nur sportlich in einer anderen Liga.