Astrid Rawohl: Das Stuttgarter Tennis-Publikum hat dieses Jahr Pech: Es lief gar nicht gut für die deutschen Spielerinnen bei diesem wichtigsten deutschen Profi-Frauenturnier: Nur Angelique Kerber und Laura Siegemund schafften ihr erstes Spiel, beide schieden dann aber im Achtelfinale aus. Marina Schweizer ist diese Woche für uns beim Tenniszirkus in Stuttgart dabei und sie schätzt ein, wie hoch man dieses Abschneiden des deutschen Damenteams hängen muss.
Marina Schweizer: Das Gesamtbild sieht - Stand jetzt - dramatischer aus als es ist, denke ich: Mit den Erstrundenniederlagen von Julia Görges, Antonia Lottner und Carina Witthöft. Da war nur Julia Görges überraschend, in die hier große Hoffnungen sogar für eine mögliche Finalteilnahme gesetzt wurden, sie spielt ja seit Monaten in Höchstform. Allerdings war sie nach dem Fed-Cup-Wochenende einfach körperlich durch. Das ist aber, denke ich, jetzt nicht höher zu hängen.
Etwas anders gelagert ist sicher der Fall Angelique Kerber, bei der nach einigen Höhen und Tiefen noch nicht so recht klar ist, ob sie in diesem Jahr ihre Konstanz wiederfindet. Sie musste ja im Achtelfinale wegen einer Oberschenkelverletzung aufgeben, da blitzte schon wieder die betrübte Angelique Kerber auf, die man im vergangenen Jahr häufiger gesehen hat. Viel ist noch nicht bekannt über die Schwere der Verletzung und wie das ihre Sandplatzsaison und vor allem die Vorbereitung auf die French Open beeinflusst. Sie wollte eigentlich viel Spielpraxis sammeln, weil Sand nicht ihr Lieblingsbelag ist.
Integritätsproblem im Tennis
Astrid Rawohl: Mitte der Woche sorgten erste Ergebnisse eines Berichts für Aufsehen im Tennis, veröffentlich von einer unabhängigen Integritäts-Einheit. Da wird dem Tennis ein Integritäts-Problem gerade in Puncto Spielverschiebung bescheinigt. Welche Wellen hat das in Stuttgart geschlagen?
Marina Schweizer: Hier beim Turnier in Stuttgart war das zu meiner Überraschung kein großes Thema. Immerhin zitiert dieser Bericht der Integrity Unit einen Ermittler, der sagte dass im Profi-Tennis Hunderte von untersuchten Begegnungen nicht fair abgelaufen seien. Auch von einem "Tsunami" an Regelverstößen war die Rede.
Eine Erklärung warum das vielleicht nicht so große Wellen hier geschlagen hat, könnte sein – dass der Bericht den Betrug nicht auf hochklassigen Turnieren wie dem hier in Stuttgart ausmacht. Betroffen seien vor allem Turniere auf den niedrigeren Ebenen für Spieler außerhalb der Top 100. Das sind Wettbewerbe bei denen die Preisgelder deutlich unter den Preisgeldern liegen von denen wir hier sprechen und bei denen sich Athleten offenbar locken lassen durch Geld aus Wettgeschäften.
Ich habe den Turnierdirektor Markus Günthardt hier in Stuttgart darauf angesprochen, er selbst hatte den Bericht in der Turnierwoche noch nicht gelesen. Aber er erklärt sich das so:
"Vielleicht ist es tatsächlich ein bisschen anders auf einem anderen Level, wenn sich jemand auf dem untersten Niveau durchkämpft und nicht nach vorne kommt und wenn man sieht wie viel Geld im Wetten in Anführungszeichen zu verdienen ist, da kann ich mir schon vorstellen, dass die Versuchung groß ist."
Auch auf höherem Niveau nicht auszuschließen
Astrid Rawohl: Wie sieht es denn mit höherklassigen Turnieren, wie dem in Stuttgart aus?
Marina Schweizer: Die Untersuchungskommission war ja vor 2 Jahren eingesetzt worden nach Medienberichten, dass Topspieler in Spielmanipulationen verwickelt gewesen seien. Man hat dafür jetzt aber in dem Gremium keine Beweise gefunden. Markus Günthardt weist das auch für hochklassige Turniere wie dem in Stuttgart von sich:
"In unseren Level-Turnieren - ob das Männer oder Frauen sind – das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Weil das einfach eine Karriere kaputt machen kann, nicht dass du viel Geld verdienst. Wenn Du Athlet bist, du willst gewinnen, du willst Titel holen. Du willst dadurch auch berühmt sein, du hast Werbeverträge – du kannst dir sowas nicht leisten."
Allerdings würde ich dagegen halten: Man kann das nicht ausschließen, erstens weil es immer einzelne mit krimineller Energie geben kann. Und zum sportlichen Argument: Man kann auch ein Spiel gewinnen und trotzdem einzelne Punkte wie abgemacht spielen – es kann ja wirklich auf kleinste Details gewettet werden, es muss nicht der Spielausgang sein.
Umgebung, die Korruption beeinflusst
Astrid Rawohl: Es wurden fundamentale Reformen eingefordert. Wie reagieren denn die Verbände?
Marina Schweizer: Die internationalen Verbände wie auch die Grand Slam Veranstalter haben in einem gemeinsamen Statement eingestanden dass es vor allem auf den unteren Ebenen Anfälligkeiten gibt. Und dass man dem mit fester Entschlossenheit entgegentreten möchte. Das könnten dann aber auch schmerzhafte Einschnitte sein,
Die Untersuchungskommission hat ja zum Beispiel die Kooperation mit Wettanbietern scharf kritisiert, die Verbände sollten aufhören, Spielstanddaten an diese Firmen zu verkaufen, das schaffe eine Umgebung, die Korruption beeinflusse. Die Dachverbände verdienen einen Batzen Geld daran, dass sie Spieldaten in Echtzeit an Wettanbieter weitergeben.
Die Verbände haben signalisiert, dass sie sich prinzipiell mit den Reformvorschlägen anfreunden können. Das wird man jetzt mit Leben füllen müssen.