Am Dienstag hat der Deutsche Tennisbund den Abschlussbericht seiner Aufarbeitungskommission veröffentlicht. Die hatte der DTB vor anderthalb Jahren eingesetzt, nachdem zahlreiche Tennisspieler dem damaligen Vizepräsidenten des Verbandes, Dirk Hordorff, unter anderem Machtmissbrauch vorgeworfen hatten. Ein Rechercheteam von NDR, Sportschau und Süddeutscher Zeitung hatte die Vorwürfe öffentlich gemacht.
In dem Bericht stehe jedoch "nicht viel", sagte Andrea Schültke, Autorin im Deutschlandfunk und Teil des Rechercheteams. "Es liegt eine Zusammenfassung vor, die hat gerade einmal 51 Zeilen. Darin heißt es, 'dass es in den vergangenen 40 Jahren vier Fälle von interpersonaler Gewalt' und 'Anhaltspunkte für eine Vielzahl weiterer Fälle im deutschen Tennis gegeben hat'."
Schutzkonzept empfohlen
Die dreiköpfige Kommission habe festgestellt, "dass zu der Zeit, in dem sich die Vorwürfe bewegt haben soll, der deutsche Tennisbund kein Schutzkonzept gehabt hätte. Es habe Strukturen gegeben, die Machtmissbrauch begünstigt hätten und es sei keine Sensibilität für das Thema überhaupt da gewesen", sagte Schültke. Nun empfehle die Kommission ein Schutzkonzept und weitere Präventionsmaßnahmen.
Dirk Hordorff, um den es bei den Vorwürfen geht, ist inzwischen verstorben.
"Enttäuschung und Ratlosigkeit" bei Betroffenen
Insgesamt umfasst der Abschlussbericht der Aufarbeitungskommission 157 Seiten. Veröffentlicht werden soll er aber nicht. Die Kommission habe dem DTB empfohlen, den Bericht aus Schutzgründen für die angehörten Personen nicht an die Öffentlichkeit zu geben.
Bei den Betroffenen herrsche "sehr viel Enttäuschung und Ratlosigkeit", sagte Schültke, die mit mehreren Personen gesprochen hat. "Klar ist, persönliche Daten sollten in so einem Bericht nicht genannt werden. Aber diese veröffentlichten 51 Zeilen gehen überhaupt nicht auf die Erkenntnisse ein, die die Kommission möglicherweise zum Fall Hordorff gefunden hat." So blieben viele Fragen offen. "Sind gegenüber der Kommission möglicherweise auch Mitverantwortliche oder Mitwisser benannt worden? Gibt es Möglichkeiten von Sanktionen über die Disziplinarordnung? Da das niemand erfährt, kann auch niemand prüfen, wie der DTB handelt. Deshalb sagt ein Betroffener, das sei eine Gelegenheit zur Vertuschung."
Auch Schwimmverband veröffentlicht nur Zusammenfassung
Auch im Schwimmsport ist eine Aufarbeitungskommission aktiv geworden, nachdem der ehemalige Wasserspringer Jan Hempel seinem früheren Trainer vorgeworfen hatte, ihm über Jahre schwere sexuelle Gewalt angetan zu haben. Vor einigen Wochen hat die Kommission ihren 120-seitigen Abschlussbericht vorgelegt.
Wie im Tennis wurde hier aber auch nur die Zusammenfassung veröffentlicht. "Immerhin 19 Seiten", sagte Schültke. Darin geht die Kommission auf den Fall Hempel ein. Aber man muss klar sagen, es kommt nicht mehr raus als das, was ohnehin schon öffentlich bekannt ist. Es gibt aber umfassende Empfehlungen, die Strukturen hin zu mehr Schutz zu verbessern. Aber auch hier gibt es keinen Hinweis auf mögliches Fehlverhalten, was sich zum Beispiel Verantwortliche des deutschen Schwimmverbandes eventuell haben zu Schulden kommen lassen. Und auch nicht, ob hier Sanktionen empfohlen worden sind. Und da ist es wieder das gleiche: Wenn niemand etwas erfährt, dann muss auch niemand handeln. Und die Öffentlichkeit kann es nicht überprüfen."
Im Gegensatz zum Tennisbund habe sich der Präsident des Schwimmverbandes aber über die Kommission an die Betroffenen gewandt und angeboten, Einblicke in den Teil des Berichts zu nehmen, der sich mit ihrer Geschichte befasst, sagte Schültke. "Außerdem hat der Schwimmverband auf seiner Mitgliederversammlung im November einen Leitantrag gefasst, in dem er das Recht auf sicheren Schwimmsport festschreibt."
Aufarbeitungskomissionen auch im Turnen und Handball
Aber nicht nur im Tennis und Schwimmen gab es in diesem Jahr Aufarbeitungskommission. Auch im Handball und Turnen wurden Fälle interpersonaler Gewalt untersucht. Im Turnen hat die Komission Vorwürfe zahlreicher Turnerinnen und Turner eines Turnvereins in Weimar untersucht. Ihr Trainer ist bereits rechtskräftig verurteilt. Im Handball hatten zahlreiche Spielerinnen ihrem ehemaligen Trainer unter anderem psychische Gewalt vorgeworfen. Die Kommission ist jedoch per Gerichtsurteil gestoppt worden. Der Trainer hatte bezweifelt, dass das Regelwerk des Deutschen Handballbundes den Einsatz einer Aufarbeitungskommission überhaupt zulässt. Er bekam vor Gericht Recht. Der DHB hat Berufung eingelegt.
Die Betroffenen, mit denen Schültke gesprochen hat, würden viel Hoffnung in die Aufarbeitunsprozesse setzen, sagte sie. "Dass Strukturen aufgearbeitet werden, dass vielleicht geschehenes Unrecht aufgearbeitet wird. Und wann immer jetzt so ein Bericht herauskommt, oder auch als die Aufarbeitunskommission im Handball gestoppt wurde, das betrifft die Betroffenen wirklich. Das ist für viele, wie sie mir dann erzählt haben, ein Schlag ins Gesicht."