Luciano Pavarotti soll ihn als würdigen Thronfolger bezeichnet haben. Und im Booklet seiner CD "Italia" schreibt Juan Diego Floréz, dass er mit dem Klang von Carusos und Pavarottis lebensfrohem Gesang aufgewachsen sei. Als Letzterer im Sommer 1990 zusammen mit Placido Domingo und José Carreras das legendäre Konzert in den römischen Caracalla-Thermen gab, war Floréz 17 Jahre alt. Und möglicherweise hat Pavarottis damalige Interpretation des neapolitanischen Liedes "Torna a Surriento" von Ernesto de Curtis ihn inspiriert, es seinem Idol gleichzutun.
Sehnsuchtsland Italien
Eine alte Landstraße im gleißenden Sonnenlicht, begrenzt von einer kleinen Bruchsteinmauer, dahinter Weinreben, ein paar Laubbäume und im Hintergrund die fast bläuliche Silhouette einer Bergkette. Und dazu posiert Juan Diego Floréz mit Sonnenbrille vor einem historischen roten Cabriolet.
Das Cover seiner CD evoziert das geradezu klassische Bild von "Bella Italia", das viele Deutschen der späten Wirtschaftswunderjahre mit dem Urlaubsland ihrer Träume verbanden. Die hatten damals auch die neapolitanischen Lieder von Tosti oder Brixio im Ohr, so wie beispielsweise Benjamino Gigli oder Mario Lanza. Sie sangen sentimental schmachtend und mit vielen Tränen in der Stimme.
In dieser Hinsicht geht Floréz seine Interpretationen eher schlank und wenig pathetisch an. Auch die musikalischen Arrangements der verschiedenen Stücke wirken überwiegend leicht und ohne schweren Orchestersound. Das Italienische wird allerdings häufig mit Gitarre oder Mandoline zusätzlich betont, wie beispielsweise in Gioacchino Rossinis berühmten Lied "La Danza" aus dessen "Soirées musicales".
"O sole mio" und "Arrivederci Roma"
Unter den 17 Nummern der CD befindet sich auch Ruggiero Leoncavallos berühmtes Lied "Matinata" und das unverwüstlich-unvermeidliche "O sole mio" von Eduardo di Capua. Zu diesem und anderen neapolitanischen Gassenhauern kommen zudem noch einige Schlager aus den 1950er-Jahren, etwa "Volare", das ab 1958 zum Welthit avancierte, oder "Arrivederci, Roma", der Titelsong aus dem gleichnamigen Spielfilm, der 1955 in die Kinos kam und der damals von Mario Lanza interpretiert wurde. Zusammen mit dem Mandolinenspieler Avi Avital, dem Gitarristen Craig Ogden und Ksenija Sidorova am Akkordeon spürt der Tenor dem Sound der damaligen Zeit nach.
Bekanntes und Unbekanntes von Puccini
Während Juan Diego Floréz nach seiner letzten CD mit klassischen Liebesarien in "Italia" nun zum Teil in Bereiche der Unterhaltungsmusik vordringt, ist sein deutscher Kollege Jonas Kaufmann nach seinem Ausflug in die Welt der silbernen Operettenepoche wieder zur Oper zurückgekehrt.
Nach seinem Wagner- und Verdi-Album hat er nun eines mit Arien und Szenen aus Werken von Giacomo Puccini vorgelegt. Diese umfassen nicht nur bekannte Nummern aus den großen Opern wie "Manon Lescaut", "La Bohème" oder "Tosca", sondern auch Stücke aus Puccinis nur wenig bekanntem Frühwerk. 1884 wurde dessen erste Oper "Le Villi" in Mailand mit nur mäßigem Erfolg uraufgeführt.
Im Booklet der CD erläutert der Sänger seine zum Teil sehr persönlichen Gründe für die Zusammenstellung. Beispielsweise war die Partie des Ruggero in "La rondine" für ihn ein wichtiger Punkt in seiner internationalen Karriere. Und die Partie des "Des Grieux" in "Manon Lescaut" empfindet er nach wie vor als Härtetest für jeden Tenor.
Für einige Szenen holte Kaufmann sich Verstärkung, etwa den Bariton Massimo Simeoli oder die Sopranistin Kristine Opolais. Sie ist seine Duett-Partnerin im Finale des ersten Aktes von "La Bohème".
Gänsehaut-Musik "Nessun dorma"
Trotz seiner etwas dunkler gefärbten Stimme macht Jonas Kaufmann in seinem "Puccini-Album" deutlich, dass er auch in diesem Bereich ein sehr genau agierender tiefgründiger Interpret ist und seine Spitzentöne souverän beherrscht. Antonio Pappano, mit dem der Tenor oft zusammenarbeitet, leitet das Orchestra nazionale mit Schwung, Verve und Sinn für Details.
Das Album trägt übrigens den Titel "Nessun dorma": Diese Arie des Prinzen Kalaf aus dem dritten Akt von Puccinis Oper "Turandot" sang im eingangs erwähnten Konzert der drei Tenöre 1990 in Rom Luciano Pavarotti und machte sie damit noch einmal zu einem Welthit. Auch Jonas Kaufmann blieb davon nicht unberührt: "Damals, wenige Tage vor meinem 21. Geburtstag, habe ich Luciano Pavarotti, Plácido Domingo und José Carreras sehr um diesen Hit beneidet", schreibt der Tenor im Booklet. "Ich selbst habe mich lange Zeit nicht an "Nessun dorma" herangetraut: Zu groß war mein Respekt vor der Magie und der unglaublichen Sogkraft dieser Arie. Und noch heute bekomme ich jedes Mal Gänsehaut, wenn ich sie höre."