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Terror im Paradies

Die bis dahin als Urlaubsparadies bekannte indonesische Insel Bali wurde vor zehn Jahren Ziel von Terrorattacken islamistischer Extremisten. Australien und Indonesien verschärften als Folge ihre Anti-Terror-Maßnahmen. Erst drei Jahre später wurden die ersten Täter gefasst und verurteilt. Bis heute leidet der Tourismus unter den Anschlägen.

Von Frank Kempe |
    Hohe Wellen, Palmen, kilometerlange Sandstrände – Sonnenhungrige und Surfer kommen auch an diesem später so unheilvollen Samstag auf ihre Kosten in Kuta Beach, dem Ferienparadies auf Bali. Am Abend zieht es viele junge Touristen in die Klubs und Diskotheken, zum Feiern und Tanzen. Partystimmung herrscht auch in "Paddy's Bar" – bis dort um fünf nach elf die erste Bombe detoniert. Ein Gast filmt zufällig in der Bar, als sich ein Mann mit einem Rucksack in die Luft sprengt und Panik ausbricht. Auch aus dem gegenüberliegenden "Sari Club" strömen die Menschen auf die Straße. Dort haben die Attentäter einen weißen Kleinlaster geparkt – beladen mit einer Tonne Sprengstoff.

    "Nach der Explosion waren die Menschen mit Blut und Glasscherben bedeckt, die Kleidung auf ihrem Rücken brannte. Es war furchtbar. Wir haben sie im Hotel in nasse Decken gewickelt. Einige Frauen kamen mit brennenden Haaren. Es war einfach entsetzlich."

    Menschen rennen um ihr Leben, auch viele Urlauber aus Deutschland:

    "Dann drehten wir uns um und sahen einen riesigen Feuerball am Himmel. Und als wir dann realisierten, dass das eine Bombe wahrscheinlich war, haben wir dann auch zugesehen, dass wir so schnell wie möglich da wegkommen, weil es brannte alles lichterloh."

    Unter den 202 Toten sind vor allem Ausländer, darunter 88 Australier. Bali – das "Mallorca der Tropen" – ist gerade bei jungen Australiern beliebt: Nur ein paar Flugstunden entfernt, kann man hier auch mit wenig Geld Urlaub machen. An diesem 12. Oktober 2002 wird Bali Schauplatz der größten nationalen Tragödie Australiens - so formuliert es Premierminister John Howard.

    "Die Warnungen des vergangenen Jahres, dass der Terror jeden jederzeit an jedem Ort treffen kann, haben sich durch dieses furchtbare Ereignis bestätigt. Der Kampf gegen den Terrorismus muss weitergehen, mit unnachgiebiger Kraft und bedingungslos."

    Australien gehört zu den engsten Verbündeten der US-Regierung von George W. Bush im Anti-Terror-Kampf und hat Truppen nach Afghanistan geschickt – für die indonesische Extremisten-Organisation "Jemaah Islamijah" der entscheidende Grund zuzuschlagen. Sie will den "Heiligen Krieg" auf Südostasien ausdehnen und steht in engem Kontakt zum Terror-Netzwerk Al-Kaida. Nur wenige Australier sind sich dieser Gefahr bewusst.

    "Es wird eine Weile dauern, bis wir alle begreifen, was passiert ist. Für uns ist das unser 11. September."

    Ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September in den USA liefert das Bali-Attentat Australiens Premierminister Howard neue Argumente für seine geplanten Anti-Terror-Gesetze. Die Kompetenzen von Polizei und Geheimdiensten werden ausgedehnt, Rechte dafür eingeschränkt – auch wenn Bürgerrechtler wie Scott Baileys dagegen Sturm laufen:

    "Wie viele Freiheiten werden wir wohl opfern müssen, um so weiter zu leben, wie wir das wollen? Die Regierung ist in ihrer Anti-Terror-Hysterie dabei, Australien in einen Polizei- und Überwachungsstaat zu verwandeln. Viele wären beunruhigt, wenn wir gewohnte Freiheiten aufgeben müssten."

    Auch die indonesische Regierung reagiert – mit Gesetzesänderungen und Anti-Terror-Maßnahmen. Dennoch werden die drei Attentäter erst Jahre später gefasst - und zum Tode verurteilt. Der Prozess gegen den Drahtzieher Umar Patek endete erst vor drei Monaten – das Urteil: 20 Jahre Gefängnis.

    Bali kämpft heute noch mit den Folgen des Anschlags. Die Bomben haben den Tourismus getroffen, den Lebensnerv der Insel - weil viele Menschen den Namen Bali mit Terror verbinden und nicht mit Urlaub.