Archiv

Terror in Frankreich
"Es war ein bis dato unvorstellbar schreckliches Jahr"

Gleich zwei Terroranschläge haben Frankreich 2015 erschüttert. Zuerst das Attentat auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt, dann die Anschläge vom 13. November. Unsere Korrespondentin Ursula Welter erlebt seitdem, wie ein Riss durch die Gesellschaft geht. Sie fürchtet, dass Frankreich vor einer Zerreißprobe steht.

Ursula Welter im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Teilnehmer eines stillen Gedenkens für die Opfer der Terroranschläge in Paris halten in Nürnberg Kerzen in den Farben der französischen Flagge - blau-weiß-rot - in den Händen.
    Teilnehmer eines Gedenkens der Terroranschläge von Paris halten Kerzen in den Farben der französischen Nationalflagge - blau-weiß-rot - in den Händen. (dpa / picture alliance / Daniel Karmann)
    "Es ist der Kriegsakt einer terroristischen Armee, des IS, gegen Frankreich, gegen die Werte, die wir überall in der Welt verteidigen. Gegen das, was wir sind: Ein freies Land, das die ganze Erde anspricht." – so sagte es Frankreichs Präsident François Hollande nach den Anschlägen von Paris am 13. November.
    Unsere Korrespondentin Ursula Welter hat 2015 fortlaufend über den Terror in Paris berichtet - beginnend mit den Anschlägen vom 7. Januar. Für sie bedeutete das, sich rund um die Uhr damit auseinander zu setzen. Früh-, Mittags- und Spätsendungen wollten schließlich beliefert werden. Eine absolute Herkulesaufgabe. Dabei erfuhr sie auch von vielen Details, die sie so nicht in ihre Berichterstattung einbauen konnte und wollte. Etwa wenn es um das persönliche Leid von Menschen ging. "Damit muss man professionell umgehen", erklärt sie. Man muss es aber auch persönlich verarbeiten.
    "Ich bin ein Kind der Generation deutsch-französische Freundschaft und natürlich führt die Verbundenheit zu Frankreich dann schon dazu, dass man, wenn Frankreich getroffen wird, sich selbst betroffen fühlt und da ist es dann manchmal, auch als Journalist, gar nicht so einfach, zur Tagesordnung überzugehen."
    DLF-Frankreich-Korrespondentin Ursula Welter auf der 5. Sportkonferenz im Deutschlandfunk.
    DLF-Frankreich-Korrespondentin Ursula Welter berichtet über das Jahr 2015 und den Terror in Frankreich. (Deutschlandradio/Nicole Meyer)
    Die Anspannung in Frankreich war das ganze Jahr über sehr groß. Jederzeit schienen weitere Anschläge möglich zu sein. Das französische Innenministerium gibt an, sechs schwere Anschläge verhindert zu haben.
    Frankreich hat sich dabei verändert, glaubt Ursula Welter beobachtet zu haben. Das Land hat sich abgekapselt, sich sehr auf sich selbst fokussiert. Die eigene Hymne, die Tricolore. Der Nationalismus ist stärker geworden, während Europa immer weiter weg zu sein scheint. Viele in ihrem Bekanntenkreis sagen plötzlich radikale Dinge, die sie vorher nicht gesagt haben.
    Es sind Risse aufgebrochen, die es in der Gesellschaft seit langem gibt. Die interreligiösen Spannungen haben zugenommen, gleichzeitig besteht nach wie vor das Problem einer Rekordarbeitslosigkeit. Davon profitiert vor allem die extreme Rechte. Frankreich steckt in einer Zerreißprobe:
    "Im Grunde ist es das, was die Ideologen der IS-Milizen wollen. Sie wollen westliche Gesellschaften destabilisieren. Frankreich ist an so einem Punkt."