Politikwissenschaftler definieren Krieg noch recht klassisch. Zum Beispiel so: "Krieg bezeichnet einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates (Bürger-Krieg)", heißt es etwa in einem Standardwerk in der Grundlagenliteratur der Disziplin. In dieser Vorstellung kann es sich ausschließlich um Krieg handeln, wenn zwei souveräne Staaten gegeneinander kämpfen. Aber natürlich ist das schon längst nicht mehr Realität.
In der Politikwissenschaft gibt es daher schon seit Jahren eine Diskussion über neue und asymmetrische Kriege und wie sich der Terrorismus dazu verhält. Losgelöst von dieser fachwissenschaftlichen Diskussion und auf die Alltagswelt übertragen, löst das Wort Krieg allerdings immer noch eines aus: Angst und Schrecken. Deswegen ist es auch immer noch machtvoll. Wenn Frankreichs Präsident Hollande nun davon spricht, dass sich seine Nation "konfrontiert mit Krieg" sieht und "angemessene Maßnahmen" ergreifen müsse, stellt sich die Frage, was das sein könnte.
Heute sprach das deutsche Staatsoberhaupt Joachim Gauck noch einmal über die Anschläge in Paris. Er sagte: "Wir leben in Zeiten, in denen wir Opfer einer neuen Art von Krieg beklagen." Berthold Kohler von der FAZ kommentiert die Anschläge und spricht von von einem "Weltkrieg", den der Islamische Staat führe. Der Westen müsse im Kampf gegen den Terrorismus "Opfer" bringen, die Bundesregierung müsse ein hartes Gesicht zeigen. Nicht hilfreich, meint SPD-Vizechef Ralf Stegner dazu bei Twitter:
Seit gestern kursiert auch die Meldung, dass Papst Franziskus nun vor einem Dritten Weltkrieg warne. Unaufgefordert hat das Oberhaupt der katholischen Kirche das Wort nicht benutzt - zumindest nicht im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris. Er antwortete in einem Interview lediglich auf die Frage, ob der "Dritte Weltkrieg" in Stücken fortgesetzt werde. Dazu sagte er: "Das ist ein Teil davon." Zur Einordnung: Franziskus hatte schon im September auf seiner Reise nach Kuba davon gesprochen, dass - mit Blick auf die Konflikte in der Welt - schon seit längerem ein "Dritter Weltkrieg in Etappen" herrsche. Eine Eskalation in der Rhetorik des Papstes war die Äußerung zu den Anschlägen in Paris also nicht.
Auch der Ratschef der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warnte in der ARD vor einer solchen Rhetorik: "Worte können vergiften." Wer über das Thema rede, habe eine große Verantwortung. "Das Wort Krieg sollte man in der gegenwärtigen Situation nicht gebrauchen."
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot warnte im Deutschlandfunk ebenfalls vor dem Gebrauch dieses Wortes: "Ich würde dringend raten, dass wir ein bisschen semantisch abrüsten", sagte sie. Sie spricht stattdessen von einer Zermürbungstaktik der Terrororganisation IS gegen die freie Welt. Natürlich sei der Angriff in Paris ein Angriff auf den Wert der Freiheit, aber Gewalt oder eine Einschränkung der Bürgerrechte sei keine Antwort darauf.
Und auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hält eine Reaktion für die beste: Die Willkommenskultur aufrecht zu erhalten. "Lasst sie nicht brechen, denn sonst haben die Terroristen gewonnen", sagte er im Interview der Woche mit dem Deutschlandfunk.