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Terror in Paris
Weitere Attentate waren geplant

Den gesuchten Terroristen Abdelhamid Abaaoud von den Pariser Attentaten zog es nach den Anschlägen am 13. November an den Tatort zurück. Dies konnte anhand seiner Handy-Daten ermittelt werden. Er soll der Kopf einer Gruppe gewesen sein, die auch Selbstmordattentate im Pariser Viertel La Défense plante.

Von Burkhard Birke, Studio Paris |
    Französische Ermittler im Pariser Vorort Saint-Denis nach dem Anti-Terroreinsatz vom 18.11.2015.
    Französische Ermittler im Pariser Vorort Saint-Denis nach dem Anti-Terroreinsatz, bei dem zwei Terroristen und die Cousine von Abaaoud starben. (picture alliance / dpa / Christophe Petit Tesson)
    Den Verbrecher zieht es an den Tatort zurück. Im Fall der Pariser Attentate trifft diese Erkenntnis in zynischer Weise zu. Der mutmaßliche Drahtzieher, Abdelhamid Abaaoud, war mit einem Komplizen kurz nach 22 Uhr in der Metro gefilmt, das von ihm genutzte Handy zurückverfolgt worden:
    "Das lässt den Schluss zu, dass Abeldhamid Abaaoud nach den Anschlägen auf die Terrassen der Cafés im 10. und 11. Bezirk an den Tatort zurückgekehrt ist, und zwar während der Einsatz der Spezialtruppe im Bataclan noch lief."
    Cousine von Abaaoud organisierte die Wohnung
    Nach mehr als 5000 Vernehmungen und Aussagen in elf Tagen ist für den zuständigen Staatsanwalt Francois Molins vor allem eines immer klarer: Abdelhamid Abaaoud war der Kopf der Gruppe vor Ort und er plante weitere Anschläge.
    "Anhand von Beweisen, die wir am 19. November gesichert haben, und bei denen ich nicht ins Detail gehen kann, müssen wir davon ausgehen, dass die zwei Terroristen, Abaaoud und sein Komplize, Selbstmordattentate am Mittwoch, dem 18., oder Donnerstag, dem 19., im Viertel La Défense geplant hatten."
    Diese konnten durch den Einsatz in Saint Denis letzten Mittwoch vereitelt werden. Dabei kamen die beiden Terroristen und Hasna Ait Boulahcen, die Cousine von Abaaoud, ums Leben. Sie hatte die Wohnung von Jawad Bendaoud organisiert.
    "Man hat mich nur gebeten, zwei Personen für drei Tagen unterzubringen", behauptet der jetzt formell wegen Beihilfe zum Terrorismus Angeklagte, er wisse nicht, woher die gekommen seien.
    Verlängerter Ausnahmezustand
    Fieberhaft gesucht wird unterdessen nicht nur Salah Abdelsam, von dem ein nicht gezündeter Sprengstoffgürtel in Montreuil, einem südlichen Vorort, auftauchte und der sich mit Hilfe zweier Kumpel nach Belgien absetzen konnte. Gefahndet wird jetzt auch nach Mohamed Abrini, ursprünglich aus Belgien. Er war Tage vor den Anschlägen mit einem Clio, einem der mutmaßlichen Tatfahrzeuge, gefilmt worden.
    Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren: Die genaue Identität dreier Terroristen bleibt ungeklärt. Von zwei der Stadionattentäter weiß man jedoch aufgrund der Fingerabdrücke, dass sie über Griechenland eingereist sind.
    Mehr als 1200 Hausdurchsuchungen, 165 Verhaftungen, 230 beschlagnahmte Waffen: Mit solchen Zahlen untermauert Innenminister Cazeneuve unterdessen, dass Frankreich im verlängerten Ausnahmezustand alles tut, um die Terroristen zu jagen und Schlimmeres zu verhindern. Sicherheitskontrollen wie bei Flügen sollen künftig für Thalys Züge eingeführt werden. Auf anderen Linien denkt man über Schranken und persönliche Tickets nach.
    Widerrufbare Lizenz für Imame
    Da Moscheen radikaler Prediger künftig ohne Umschweife dichtgemacht werden sollen, gehen die moderaten Muslime in die Offensive. Nach mehr als 40 Übergriffen in den letzten Tagen fürchten die Muslime im Land unter Generalverdacht zu geraten. Eine Zulassung, eine Art widerrufbare Lizenz für Imame, die auch die Werte der Republik anerkennen und lehren sollen, will der Französische Rat der Muslime einführen und eine Charta des Islam entwerfen.
    Frankreichs Präsident Hollande indes setzt seine schwierige diplomatische Mission fort: Nachdem er mit US-Präsident Obama die Intensivierung der Luftschläge gegen den IS, den Islamischen Staat und des Austauschs der Informationen der Nachrichtendienste vereinbart hat, trifft er Kanzlerin Merkel, Italiens Premier Renzi und reist dann nach Moskau zu Putin.
    Ob er nach dem Abschuss des russischen Jets durch türkische Abfangjäger den russischen Präsidenten überzeugen kann, zu kooperieren, nur noch den IS zu attackieren und nach einem Waffenstillstand eine Regierung der nationalen Einheit ohne Assad in Syrien zu bilden, erscheint mehr als die Quadratur des Kreises.