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Terror in Spanien
"Es fügt sich in ein größeres Muster"

Sicherheitsexperte Markus Kaim sieht einen Strategiewechsel der Terrororganisation IS: Islamisten würden nicht mehr in Syrien oder dem Irak zusammengezogen, sondern sollten in westlichen Hauptstädten bleiben und dort Anschläge verüben, sagte er im Dlf. Die europäischen Behörden seien sensibilisiert.

Markus Kaim im Gespräch mit Christiane Kaess |
    A woman places a candle on a paper that reads "Catalunya - place of peace" in Las Ramblas, Barcelona, Spain, Friday, Aug. 18, 2017.
    Blumen und Kerzen: Die Menschen in Barcelona gedenken der Opfer des Anschlags. (dpa /AP /Manu Fernandez)
    Christiane Kaess: Lange ist Spanien verschont geblieben, zumindest vom islamistischen Terrorismus. In diesem Zusammenhang hatte zuletzt am 11. März 2004 eine Serie von zehn Bombenexplosionen in Vorortzügen von Madrid 191 Menschen getötet. Es hat damals über 2.000 Verletzte gegeben, die Anschläge passierten damals drei Tage vor den Parlamentswahlen. Gestern Abend schlugen Terroristen wieder zu: Im Zentrum von Barcelona raste ein Kleinlaster in eine Menschenmenge. Es gab Tote und Verletzte. In der Kleinstadt Cambrils, gut 100 Kilometer südlich von Barcelona, wurde offenbar ein weiterer Anschlag zum größten Teil vereitelt. Im Moment deutet alles darauf hin, dass es sich um islamistische Terroristen handelt. Die Terrormiliz Islamischer Staat hat sich zu dem Attentat bekannt und Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht von dschihadistischem Terrorismus. Marc Dugge berichtet.
    [Einspieler]
    Der Bericht von Marc Dugge war das und am Telefon ist jetzt Markus Kaim, Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag, Herr Kaim!
    Markus Kaim: Ich grüße Sie, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Kaim, ist für Sie klar, dass die Terrormiliz IS hinter diesem Anschlag steckt?
    Kaim: Also wenn man die losen Enden zusammenzieht, sieht es so aus. Wir haben die Selbstbezichtigung und es fügt sich in ein größeres Muster, was seit einem guten Jahr erkennbar ist. Bis vor einem Jahr hat der Islamische Staat ja darauf gesetzt, islamistische Gefährder sozusagen in das Gebiet des Kalifates hineinzuziehen, also nach Syrien und in den Irak, und seitdem ist ein Strategiewechsel erkennbar, seitdem hat der Islamische Staat verkündet, Islamisten sollten dort bleiben, wo sie sind - wir sprechen hier von westlichen Industrienationen, von westlichen Hauptstädten - und Anschläge dort verüben, und das erklärt ja die gestiegene Zahl von Anschlägen gerade in den westlichen Hauptstädten im vergangenen Jahr. Ich denke an Nizza, ich denke an Berlin, an Stockholm und die anderen Orte, die auch alle genannt worden sind.
    Kaess: Jetzt sieht das hier nach einer koordinierten Aktion aus an zwei, eventuell sogar drei Orten. Glauben Sie, das ist jetzt wieder eine neue Dimension, weil wir es offenbar mit einer Zelle zu tun haben und nicht, wie bei den letzten Attentaten, mit Einzeltätern?
    Kaim: So ganz genau wissen wir das ja noch nicht. Einiges ist noch unklar, auch, dass sozusagen die Genese der Täter - also der Weg ihrer Radikalisierung ist ja noch nicht ganz klar und wer an diesen Anschlägen beteiligt gewesen ist. Über die Identität derer, die in der vergangenen Nacht erschossen worden sind, habe ich heute noch gar nichts gelesen. Da wird noch Einiges zu erforschen sein.
    "Die spanischen Behörden sind schon sehr sensibel gewesen"
    Kaess: Das heißt aber trotzdem, im Moment spricht man von einer Zelle, die Zeit der Einzeltäter ist schon wieder vorbei, es gibt doch "sehr gute" - in Anführungsstrichen - Organisationen der Terrormiliz IS in Westeuropa?
    Kaim: Absolut, und gerade Spanien ist davon auch nicht frei gewesen. Es ist ja durchaus richtig, dass Spanien seit dem großen Anschlag 2004 keinen terroristischen oder keinen islamistischen Terroranschlag zu verzeichnen hatte, das heißt aber nicht, dass das Problem in Spanien völlig unbekannt gewesen ist. Etwas unterhalb des öffentlichen Radars hat es immer wieder Meldungen gegeben, dass einzelne Terrorzellen von sechs bis acht Personen ausgehoben worden sind, gerade noch im Juno auf Palma de Mallorca. Das heißt, die spanischen Behörden sind schon sehr sensibel dafür gewesen für diese Form der Gefährdung, und dass Spanien frei von islamistischen Gefährdern ist, das wäre eine Illusion.
    "Viele Namen sind noch nicht bekannt"
    Kaess: Jetzt hat es bei diesem Anschlag weniger Tote gegeben als bei den Anschlägen zum Beispiel in Paris im November 2015 oder in Nizza 2016. In der Kleinstadt Cambrils ist offenbar ein Anschlag komplett vereitelt worden. Heißt das, dass die europäischen Sicherheitskräfte besser vorbereitet sind mittlerweile?
    Kaim: Da traue ich mir noch kein rechtes Urteil zu, weil wir ja gar nicht wissen, wie die als Täter tatsächlich zur Tat geschritten sind. Also wir wissen nicht, ist es eine Tat gewesen, die lediglich vom Islamischen Staat inspiriert gewesen ist oder womöglich instruiert gewesen ist. Zwei der Attentäter - oder sagen wir zwei dieser Zelle - sind jetzt bekannt, viele andere Namen sind noch nicht bekannt. Von daher muss man noch mal abwarten, wie diese ins Land gekommen sind, ob es sich um Spanier nordafrikanischer Herkunft handelt, ob die gegebenenfalls legal oder illegal erst ins Land gekommen sind oder, weil Sie gerade einen Verweis auf Brüssel und Paris gemacht haben, diese im Kontext des Flüchtlingsstroms seit 2015, 2016 nach Europa gekommen sind. Das muss man noch abwarten.
    Kaess: Jetzt steht immer wieder in der Kritik die europäische Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte. Teilen Sie diese Kritik, mangelt es da noch?
    Kaim: In der Tat, es gibt keinen einheitlichen Datenpool, auf den alle europäischen Behörden zugreifen könnten, was islamistische Gefährder betrifft, aber ich glaube, die Lektionen der Anschläge, wie sie mit Paris angefangen haben, die großen Terroranschläge des Islamischen Staates sind doch in weiten Teilen gelernt worden, und sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene gibt es erhebliche Bemühungen, die Datenerhebung zu vereinheitlichen und den Datenzugang zu erleichtern.
    Kaess: Danke für diese Einschätzung an Markus Kaim. Er ist Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.