Cazeneuve erklärte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts, zur Wahl am Sonntag würden mehr als 50.000 Polizisten und alle Spezialeinheiten eingesetzt, um den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Er rief dazu auf, sich nicht von der Terrorgefahr einschüchtern zu lassen. Man spiele ansonsten den Feinden der Republik in die Hände. Cazeneuve sagte, "nichts darf dieses demokratische Ereignis behindern, das so grundlegend für unser Land ist."
Cazeneuve warf zudem der Präsidentschaftskandidatin des Front National, Le Pen vor, den Anschlag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Diese forderte wiederum die Regierung auf, alle Ausländer auszuweisen, die von den Geheimdiensten überwacht werden und die Zuwanderungsgsetze zu verschärfen.
Der sozialliberale Kandidat Macron mahnte die Franzosen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er hat seine letzten Kundgebungen vor dem ersten Wahlgang abgesagt.
"Le Pen wird von dem Anschlag profitieren"
Der Journalist Gérard Foussier glaubt, dass das Attentat der Rechtspopulistin nützen könnte. Der Chefredakteur des deutsch französischen Magazins "Dokumente / Documents" sagte im DLF, er rechne mit einer höheren Wahlbeteiligung - und mit mehr Stimmen für Le Pen. Sie habe in der gestrigen TV-Runde noch versucht, ein "menschlicheres Gesicht" zu zeigen und sanftere Töne anzuschlagen. Damit sei es heute Morgen vorbei gewesen: Sie habe eine "heftige" Rede gehalten, in der sie erneut "drastische Maßnahmen" gefordert habe.
Macron habe in der Fernseh-Runde dagegen keine gute Figur gemacht, meint Foussier. Der Kandidat der Konservativen, François Fillon, wiederum habe es schwer, weil er als Ministerpräsident die Sicherheitskräfte reduziert habe. Dem linken Kandidaten Mélenchon traut Foussier es nicht zu, die Stichwahl am 7. Mai zu erreichen. Die TV-Debatte zur Präsidentenwahl hatte während des Angriffs stattgefunden.
Polizei sucht nach zweitem Verdächtigen
Die französische Polizei fahndet noch nach einem weiteren Verdächtigen. Der Mann sei von belgischen Behörden identifiziert worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums dem Sender Europe 1. Ein anderer im Zusammenhang mit dem Anschlag gesuchter Mann hat sich nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga den Behörden in Antwerpen gestellt.
Der Angreifer hatte gestern Abend das Feuer auf einen geparkten Polizeiwagen eröffnet und einen Polizisten getötet. Er verletzte zwei weitere Beamte und eine Touristin und wurde anschließend selbst erschossen. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, dass auch eine Deutsche zufällig verletzt wurde.
Die Terrormiliz IS reklamierte die Tat für sich. Ein Kämpfer aus Belgien mit Namen Abu Yousif habe den Angriff begangen. Der belgische Innenminister Jan Jambon sagte hingegen im belgischen Fernsehen, der Attentäter sei französischer Staatsbürger gewesen. Die französische Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hatte zuvor mitgeteilt, sie habe den Angreifer identifiziert. Allerdings hatte sie aus ermittlungstaktischen Gründen keine Details genannt.
Täter soll als Extremist bekannt gewesen sein
Medienberichten zufolge soll der Täter den Behörden als Extremist bekannt gewesen und bereits wegen bewaffneter Angriffe auf Polizisten vorbestraft gewesen sein. Im Februar sei er wegen Terrorverdachts festgenommen worden, musste demnach aber wegen Mangels an Beweisen wieder freigelassen werden. Ermittler untersuchen, ob der Mann Komplizen hatte. In der Nacht wurde ein Haus im Osten der französischen Hauptstadt, wo er gewohnt haben soll, durchsucht.
Staatschef Francois Hollande hatte schon am späten Donnerstagabend nach einem Krisentreffen in seinem Amtssitz erklärt, alles deute auf einen Terroranschlag hin. Er sprach den Opfern und deren Familien auch via Twitter sein Mitgefühl aus und kündigte eine nationale Gedenkstunde an.
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierte.
Die deutsche Bundespolizei errichtete eine Kontrollstelle an der deutsch-französischen Grenze, an der sie dreieinhalb Stunden lang Autofahrer auf dem Weg von Frankreich ins Saarland kontrollierte. Mit der Maßnahme sollten eventuelle flüchtige Komplizen gestoppt werden. Die französischen Grenzbeamten hätten dann aber Entwarnung gegeben.
Die französischen Einsatzkräfte sind vor der Wahl in höchster Alarmbereitschaft. Seit den Terroranschlägen von 2015 gilt in Frankreich der Ausnahmezustand. In den vergangenen beiden Jahren sind in Frankreich mehr als 230 Menschen bei Anschlägen ums Leben gekommen. In dieser Woche wurden in Marseille zwei Männer festgenommen, die den Ermittlungen zufolge einen Anschlag vor der Wahl planten.
(vic/kis/mw)