Archiv

Terrorgefahr
Debatte über innere Sicherheit und Vorratsdatenspeicherung

Die Terrorbedrohung, die in Paris und Brüssel sichtbar wurde, ist nach Ansicht der Sicherheitsbehörden auch in Deutschland groß. Sie beobachten laut "Welt am Sonntag" bereits 100 Islamisten-Zellen. Damit verbunden ist auch die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung.

Von Klaus Remme |
    Polizisten bewachen den Hauptbahnhof in Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen den Hinweisen auf mögliche Anschlagziele islamistischer Terroristen in Deutschland mit Hochdruck nach.
    Polizisten bewachen den Hauptbahnhof in Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen den Hinweisen auf mögliche Anschlagziele islamistischer Terroristen in Deutschland mit Hochdruck nach. (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini)
    Auch wenn längst nicht alles nach außen dringt, die Sorge der Sicherheitsbehörden vor weiteren Anschlägen ist auch in Deutschland groß. Es wäre "ein Wunder oder jedenfalls viel Glück", wenn Deutschland verschont bliebe, zitiert die "Welt am Sonntag" den Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger.
    Aktuelle Zahlen verdeutlichen das Ausmaß des Problems. Das Blatt berichtet über 100 Islamisten-Zellen, die seit dem vergangenen Jahr vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden und beruft sich auf Sicherheitskreise. Netzwerke zwischen zehn und 80 Personen, Gebetsgruppen, Spendensammler, Syrien-Rückkehrer. Allein in Zusammenhang mit der Terrororganisation Islamischer Staat gebe es zurzeit 350 Verfahren gegen Beschuldigte, so Justizminister Heiko Maas, SPD. Dies zeige, sagte Maas der "Bild am Sonntag", dass das Terrorismusstrafrecht wirke und weitere Verschärfungen nicht sinnvoll seien.
    In wenigstens zwei Punkten gibt es einen deutlichen Dissens zwischen dem SPD-Justizminister und der Union. Anders als die Sozialdemokraten wollen CDU Politiker schon allein Sympathiebekundungen für terroristische Vereinigungen unter Strafe stellen. Rot-Grün hatte dies 2002 abgeschafft, um die Meinungsfreiheit zu stärken. Ein Riesenfehler, so CDU-Generalsekretär Peter Tauber.
    Weiter Dissens beim Thema Vorratsdatenspeicherung
    Auch in Sachen Vorratsdatenspeicherung hält die Debatte an. Der Justizminister wehrt sich gegen ein neues Gesetz und verweist auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Jahr. Volker Bouffier hält im Deutschlandfunk dagegen:
    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU
    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU (dpa / pa / Dedert)
    "Ich bin davon überzeugt, dass wir hier auch – erstens in der Zusammenarbeit der Geheimdienste, zweites aber auch in der Möglichkeit, aufzuzeichnen, nachzuschauen, welche Kommunikation findet hier statt – noch Handlungsbedarf haben."
    Es gibt inzwischen Täter, die allein durch das Internet kommunizieren und radikalisiert werden, argumentiert Bouffier. In seiner Partei hat der hessische Ministerpräsident viele Verbündete. Seine Amtskollegin im Saarland etwa. Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der "Welt am Sonntag", es sei notwendig, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Zitat: "Wir sollten dabei nicht warten, bis die EU eine neue Richtlinie beschließt". Kramp-Karrenbauer will Gespräche zwischen Union und SPD jetzt. Die Frage lautet, unter welchen Voraussetzungen eine Mindestspeicherfrist mit Grundrechten vereinbar ist, in der praktischen Umsetzung ein hochkomplizierter Sachverhalt, etwa mit Blick auf die Speicherung von Daten sogenannter Berufsgeheimnisträger wie Journalisten, Anwälte oder Pfarrer. Und da werden dann doch Meinungsunterschiede auch in der Union deutlich. So wendet sich Bouffier gegen eine anlasslose Speicherung von Daten, dies sei so wörtlich, Unsinn.
    Gegner eines neuen Gesetzes werden spätestens jetzt darauf verweisen, dass schon jetzt bei niedrigschwelliger Verdachtsgrenze Daten überwacht werden können und überwacht werden. So betont die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Ueckermann in der Online-Ausgabe des "Handelsblatts", es sei falsch, durch behauptete Sicherheitslücken zur weiteren Verunsicherung beizutragen.